Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Kabinettssitzung am 3.11.21.
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Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Kabinettssitzung am 3.11.21.

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Bayerns Corona-Beschlüsse zwischen Zustimmung und Kritik

Die Corona-Maßnahmen, die Bayerns Staatsregierung am Mittwoch beschlossen hat, lösen viele verschiedene Reaktionen aus: von der Zustimmung, dass im Sinne von Kliniken gehandelt werde, bis hin zu harter Kritik aus der Landtags-Opposition.

Die Corona-Infektionen sind stark angestiegen. Deshalb hat die bayerische Staatsregierung am Mittwoch eine vorübergehende Wiedereinführung der Maskenpflicht an Bayerns Schulen sowie verschärfte Regeln für die Krankenhaus-Ampel beschlossen. Zudem sprach sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für eine flächendeckende Drittimpfung gegen das Coronavirus aus.

  • Zum Artikel: "Bayerns neue Hotspot-Strategie: Strengere Corona-Regeln"

SPD im Landtag: "Vieles viel zu spät"

Kritik an den Beschlüssen, die am 6. November in Kraft treten, übte Ruth Waldmann, gesundheitspolitische Sprecherin der Bayern-SPD: "Das Hauptproblem ist leider, dass vieles viel zu spät kommt", sagte Waldmann. Die Krankenhäuser seien bereits überlastet und die hohen Infektionszahlen der letzten Tage und Wochen würden demnächst zu einem weiteren Patientenanstieg führen.

Zudem wisse man seit einem Jahr, dass es wahrscheinlich Drittimpfungen brauchen werde. Die hätte man besser vorbereiten können. Es gehe jetzt darum, alle die eine solche Impfung benötigen, tatsächlich zu erreichen. Haushalte, mit einer Person über 60 Jahren, sollten angeschrieben werden. "Wir müssen auf die Leute zugehen, viele wissen nicht, dass sie jetzt wieder dran sind."

Die Krankenhausampel hat sich nach Ansicht Waldmanns als untauglich erwiesen, "weil sie die Lage erst abbilde, wenn es schon zu spät sei".

Grüne wollen Impfzentren hochfahren und strengere Regeln am Arbeitsplatz

Die Grünen fordern zudem, die Impfzentren wieder hochzufahren. "Wir haben sehr viele Menschen in Bayern, die dringend eine Auffrischungsimpfung brauchen. Die Hausarztpraxen werden das nicht allein schaffen", mahnt die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Sie fordert auch eine flächendeckende 3G-Pflicht am Arbeitsplatz, also nicht erst, wenn die Ampel auf „rot“ umschalte.

Der Söder-Regierung wirft Schulze vor, im „Standby“-Modus gewesen zu sein und „gepennt“ zuhaben. "Jetzt, wo es eigentlich schon wieder zu spät ist, lenkt sie endlich ein und sagt den Menschen in Bayern ganz konkret, was passiert, wenn die Ampel umschaltet", so Schulze.

Landtags-AfD wirft Söder "Panikmodus" vor

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Ulrich Singer, übt scharfe Kritik an den neuen Beschlüssen. "Die Bayerische Staatsregierung rückt nicht davon ab, die Gesellschaft zu spalten", sagt Singer. Söder wirft er vor, dass er im "Panikmodus" verharre. Mit Ausdrücken wie "Pandemie der Ungeimpften" oder "Boostern ist der beste Schutz" würden Menschen verunsichert. Statt Sicherheit und Souveränität zu verbreiten, würden "Horrorszenarien" heraufbeschworen

Der gesundheitspolitische Sprecher und Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Andreas Winhart, warf Söder vor, dass die Maßnahmen "an willkürlichen Inzidenzen" festgemacht würden und auch die regionalisierte Krankenhaus-Ampel nicht aussagekräftig sei.

Die Verschärfungen an den Schulen seien der AfD zufolge „sinnlos“ und „unzumutbar“.

FDP-Fraktion: "Unverhältnismäßige Freiheitseinschränkung"

Die FDP-Fraktion im Landtag kritisiert die strikteren Beschränkungen für Regionen mit besonders hohen Corona-Zahlen. "Die verpflichtende Einführung von 3G-Plus beziehungsweise 2G kommt einem Ausschluss von Ungeimpften gleich", sagt Dominik Spitzer, gesundheitspolitischer Fraktionssprecher der FDP im Landtag.

Dies sei eine "unverhältnismäßige Freiheitseinschränkung". Kein Mensch in Bayern dürfe durch eine Corona-Regel benachteiligt werden. Statt den Impfdruck zu erhöhen, solle sich die bayerische Staatsregierung dafür einsetzen, dass es wieder kostenlose Tests für alle gibt.

Spitzer kritisierte auch, dass für die Definition von Hotspots die Inzidenz "als mitentscheidender Maßstab" herangezogen werde. Dies werde der Situation in den Kliniken nicht gerecht. Hotspots sind in der ab 6. November gültigen Definition Gebiete mit einer 7-Tages-Inzidenz ab 300 und mindestens 80 Prozent Intensivbettenauslastung.

Landshuter Landrat (FW): Kleine Wirkung statt Durchbruch

Der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) hat skeptisch auf die vom bayerischen Kabinett beschlossenen neuen Corona-Maßnahmen reagiert. Dem Bayerischen Rundfunk sagte Dreier, er glaube nicht, dass diese – angesichts der dramatischen Situation in niederbayerischen Krankhäusern – "den großen Durchbruch bringen". Sie seien aber möglicherweise eine "kleine Bremse" – indem sie Nicht-Geimpfte zum Nachdenken anregen, sich impfen zu lassen.

Dreier ist froh, dass sich die niederbayerischen Landräte und Oberbürgermeister schon zuvor für härtere Corona-Maßnahmen entschieden hatten. "Wir könnten sonst die Situation nicht mehr in den Griff bekommen", so der Landrat. "Die Situation ist sehr, sehr dramatisch, und sie verschärft sich von Tag zu Tag."

Traunsteiner Landrat: Mehr Geimpfte, weniger Klinik-Probleme

Die stufenweise Verschärfung von 3G auf 3G Plus und von 3G auf 2G findet der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU) sinnvoll. Denn sie folge dem Prinzip, "dass man nicht diejenigen wieder beschränken möchte, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass wir durch die Pandemie kommen, und zwar diejenigen, die haben impfen lassen". Walch unterstützt auch die Impf-Appelle. "Würden sich alle impfen lassen, hätten wir im Krankenhaus kein Problem", so der Traunsteiner Landrat im BR24live.

Bayerischer Städtetag: Das richtige Maß

Für den Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr CSU), kommen die heutigen Beschlüssen der Sonderkabinetts nicht überraschend. Er halte sie für das richtige Maß, so Pannermayr im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Gleichwohl hoffe er, dass die Maßnahmen ausreichen. Es werde ein langer Winter. Wichtig sei es, die Impfquote weiter zu erhöhen und Drittimpfungen vorzunehmen. Im Regierungsbezirk Niederbayern gelten schon seit Mitternacht verschärfte Regelungen.

Lehrerverbandspräsident: Erneute Maskenpflicht wichtig

Der aus dem Landkreis Rottal-Inn stammende Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger hat im BR-Interview die Wiedereinführung der Maskenpflicht auch im Klassenzimmer als wichtig und notwendig bezeichnet. Dennoch kritisiert er die zeitliche Begrenzung dieser Maßnahme als zu kurz. Ein bis zwei Wochen würden nicht ausreichen, um das Infektionsgeschehen wieder in den Griff zu bekommen. Meidinger geht davon aus, dass die Maskenpflicht an Schulen deshalb verlängert werden wird. Insgesamt wünscht er sich mehr Bundeseinheitlichkeit bei der Corona-Politik.

Infektiologe: Wichtig, dass gehandelt wird

Christoph Spinner, Infektiologe am Klinikum Rechts der Isar in München, begrüßt, dass "jetzt gehandelt" werde. Denn in vielen Bereichen sei die Hospitalisierungsrate, also die Versorgungskapazität, längst an der Lastgrenze. Spinner hofft, dass die Maßnahmen, "zeitnah spürbar bei uns in der Klinik ankommen".

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