Bei einer Brückeninspektion in Neu-Ulm wird der Friedrichsausteg überprüft.
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Bei der Brückeninspektion in Neu-Ulm wird der Friedrichsausteg überprüft.

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Bayerns Brücken bröckeln: Einsturzgefahr in Neu-Ulm

Vor Jahrzehnten gebaut, nagt an vielen bayerischen Brücken inzwischen der Zahn der Zeit. Damit die Bauwerke nicht zur Gefahr werden, überprüfen Experten sie regelmäßig. In Neu-Ulm wird nun etwa der Friedrichsausteg gesperrt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Alfred Kolkwitz steht auf einer Hebebühne, die etwa vier Meter über der Donau schwebt. Denn der Ingenieur prüft eine Brücke in Neu-Ulm und will sie auch von der Seite und von unten betrachten. Mit einem Hammer klopft er auf den Beton, um hohle Stellen aufzuspüren. "Das hört man jetzt ganz deutlich, hier klingt es ganz anders als dort drüben", sagt Kolkwitz.

Kleinere Stücke lösen sich, als er gegen die Decke pocht. Schwachpunkte der Brücke wie beispielsweise auch Risse markiert Kolkwitz mit Kreide und protokolliert sie. Entdeckt er heute gravierende Mängel, müsste die Brücke umgehend gesperrt werden. 

Brücken in fortgeschrittenem Alter

Viele Brücken in der Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm entstanden schon in den 1950er oder 1960er Jahren. Wie zum Beispiel die Adenauerbrücke, über die jeden Tag an die 100.000 Fahrzeuge rollen. Ihr Zustand ist problematisch, sie soll in den kommenden Jahren durch einen Neubau ersetzt werden. Auch die Gänstorbrücke ist angeschlagen. Nur noch einspurig dürfen Fahrzeuge über das alte Bauwerk rollen.

Ein Einsturz wie in Genua vor fünf Jahren ist aber nicht zu befürchten. Denn im Gegensatz zur italienischen Brücke würden die deutschen regelmäßig geprüft, erklärt Bauingenieur Ronald Eichholz: "Alle drei Jahre gibt es eine normale Prüfung und alle sechs Jahre findet eine Hauptprüfung wie jetzt bei dieser Brücke statt. Da stellen wir fest, was saniert werden muss." Die Brücken erhalten dann wie in der Schule eine Note.

Jede dritte Brücke nur "ausreichend" oder schlechter

Rund 30 Prozent der Brückenflächen in Bayern erreichen allerdings nur ein "ausreichend". Gut sieben Prozent sind "nicht ausreichend" oder gar "ungenügend". Das zeigen Daten des Bayerischen Verkehrsministeriums. Eine schlechte Note lässt allerdings kein genaues Urteil über die Standfestigkeit einer Brücke zu, weil auch andere Mängel wie beispielsweise Schäden an einem Brückengeländer in die Bewertung einfließen. Teilweise lassen die zuständigen Behörden Brücken auch kontrolliert altern.

Wenn sie in absehbarer Zukunft ohnehin abgerissen werden müssen, wäre es unwirtschaftlich, sie aufwendig zu sanieren, nur um die Note zu verbessern. "In den kommenden Jahren ist es erforderlich im Straßennetz an rund 50 Bauwerken mit Maßnahmen jährlich neu zu beginnen", so ein Pressesprecher des Ministeriums. 2023 seien für die Erhaltung der Brücken und Ingenieurbauwerke bei den Staatsstraßen rund 75 Millionen Euro eingeplant.

Höhere Verkehrsbelastung

Für Autofahrer oder gerade auch die Wirtschaft ist das einerseits keine gute Nachricht. Denn eine hohe Zahl an Sanierungen oder Neubauten hat Umleitungen und Staus zur Folge. Doch es gibt keine wirkliche Alternative. Schon jetzt müssen einige Brücken aus Sicherheitsgründen für Schwerlasttransporte gesperrt werden.

Damals, als viele Brücken gebaut wurden, hatte man sie noch für eine deutliche niedrigere Belastung ausgelegt. In den vergangenen Jahrzehnten stieg der Verkehr aber immer weiter an - und auch die Lastwagen wurden deutlich schwerer.

Einsturzgefahr am Friedrichsausteg

Ein weiterer Punkt ist die Feuchtigkeit. Denn sie lässt den Stahl in den Brücken über die Jahrzehnte rosten, wodurch der Beton aufplatzt - ein Problem, auf das auch die Prüfer in Neu-Ulm stoßen. "Hier rechts sieht man noch die Rippung, da ist es angerostet. Bei der anderen Stelle sieht man die Rippung nicht mehr, da ist man bereits weiter mit der Verrostung", erklärt Prüfingenieur Kolkwitz. Das Ergebnis der zweitägigen akribischen Prüfung: Am Friedrichsausteg wurden so viele Schäden entdeckt, unter anderem Risse und Lagerschäden, dass er sicherheitshalber vorerst gesperrt bleibt.

Die Schäden hätten seit der letzten Prüfung "an Intensität und Tiefe zugenommen", heißt es in einer Pressemeldung der Stadt Neu-Ulm. Vorsorglich wurden schon letzte Woche Abstützungsmaßnahmen veranlasst und umgesetzt. Die Brücke wurde jetzt für jeglichen Verkehr gesperrt. Dieser wird über die Gänstorbrücke umgeleitet. Fachleute wollen das Bauwerk nun detailliert mit einem Brückenuntersichtsgerät begutachten. Nach Vorlage der Ergebnisse kann über die Öffnung der Brücke sowie über weitere Maßnahmen entschieden werden.

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