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Bayerisches Asyl-Sonderzentrum

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Bayerns Asyl-Sonderzentren verfehlen wohl geltendes Gesetz

Unionsparteien und SPD wollen laut Koalitionsvertrag bundesweit Aufnahme- und Rückführungszentren für Asylbewerber errichten. Die bayerischen Zentren in Bamberg und Ingolstadt/Manching werden als Vorbilder erwähnt. Doch sind sie das?

Unionsparteien und SPD haben sich per Koalitionsvertrag auf sogenannte "Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen", kurz AnkER-Zentren, verständigt. Hier sollen Aufnahme, Entscheidung über den Asylantrag und die mögliche Rückführung gebündelt werden.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der rechtlichen Lage in den beiden bisherigen Zentren, die zumindest für viele in den Reihen der Union als Vorbild gelten sollen, lässt sich aus dem Sondierungspapier aber kaum erkennen, aus dem Koalitionsvertrag auch nicht. Und das, obwohl die Lage an den beiden Standorten in Bamberg und in Ingolstadt/Manching aus asylrechtlicher wie verfassungsrechtlicher, europa- wie völkerrechtlicher Sicht höchst fragwürdig scheint.

Massive rechtsstaatliche Bedenken

Asylrechtler Hubert Heinhold, einer der bekanntesten Experten auf dem Gebiet des deutschen Ausländerrechts, sieht die Entwicklung mit großer Sorge. Für ihn lassen sich die beiden Zentren in Bamberg und Manching/Ingolstadt nicht mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der BRD in Einklang bringen.

"Wenn es nach bayerischem Vorbild geht, dann haben wir eben abgeschottete Lager, in denen die elementaren Rechte der Bewohner nicht mehr gewahrt sind. Die Leute haben keine Privatsphäre, es gibt ein lückenloses Kontrollsystem, das höchst, höchst fragwürdig ist. Dann haben wir keine Rechtsberatung, die Leute werden unwissend gehalten, Anwälte haben keinen Zugang." Hubert Heinhold, Rechtsanwalt

In der CSU finden die Bedenken bis heute kaum Gehör. Noch während der Koalitionsverhandlungen zog Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gegenüber dem BR eine positive Bilanz: Beide Zentren hätten hätten sich in der Praxis "bewährt" und seien auch für den Rest des Landes erstrebenswert.

"Wir als CSU sind der festen Überzeugung, dass sich die Praxis in Bayern, die seit vielen Monaten in Bamberg und in Manching praktiziert wird, bewährt hat. Und wir wollen diese Zentren, die wir in Bayern jetzt sehr erfolgreich durchführen, auf das gesamte Bundesgebiet ausweiten." Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Zur bisherigen rechtlichen Lage in den Zentren wollte sich Mayers Büro auf Nachfrage des BR nicht äußern. Und die SPD? Sie ließ entsprechende Anfragen wiederholt unbeantwortet.

Münchner Verwaltungsgericht sieht fehlerhafte Rechtsanwendung

Eine unabhängige Rechtsberatung im Asylverfahren, wie sie der Koalitionsvertrag vorsieht, hat es in Bamberg und Ingolstadt/Manching bisher nicht gegeben. Aber das ist nicht alles: Für Anwalt Heinhold müsste auch erkennbar sein, welche Maßnahmen zur schnelleren Rückführung rechtlich erlaubt sind und welche nicht. Vor allem müsste klar sein, was eigentlich ein normales von einem "beschleunigten" Asylverfahren unterscheidet.

"Bayerisches Modell heißt eben auch: Verwischung der verschiedenen, jetzt vorhandenen Rechtswege. Ja, es ist nicht mehr klar, ist jemand im 'besonderen' Verfahren, ist jemand im regulären Verfahren." Hubert Heinhold, Rechtsanwalt

Zu diesem Ergebnis kamen Anfang des Jahres auch die Richter des Münchner Verwaltungsgerichts und gaben einem Eilantrag Hubert Heinholds statt. Der Hintergrund: In Ingolstadt/Manching wurden Kinder über Monate und länger unter dem beschleunigten Verfahrens behandelt, obwohl sie und ihre Eltern sich nicht im beschleunigten Verfahren befanden. Als "beschleunigt", stellten die Richter nun klar, gilt ein Verfahren nur dann, wenn das Bundesamt davon Gebrauch macht und innerhalb einer Woche über den Asylantrag entscheidet.

Anwalt unterstellt Behörden bewussten Missbrauch

Ein Asylverfahren in einer Woche? Das war bei den hier betroffenen Kindern und vielen anderen schwerlich der Fall. Oftmals lebten sie schon seit Jahren in Deutschland, besuchten Regelklassen, mit teils guten Schulzeugnissen.

Doch in Bamberg und Ingolstadt/Manching sind auch diese Kinder und Jugendlichen auf spezielle Übergangsklassen verwiesen worden - in den Sonderunterricht für Neuankömmlinge ohne Deutschkenntnisse. Wie kann das passieren? Sind Bayerns Behörden von der Rechtslage überfordert? Das wohl nicht, meint Anwalt Heinhold, und vermutet Vorsatz.

"Da die Rechtslage eigentlich nicht kompliziert ist, gehe ich von einer Absicht aus. Wenn die Verwaltung sich so mächtig geriert, dass sie sagen wir: differenzieren nicht mehr zwischen Leuten, die im 'beschleunigten' Verfahren sind und Leuten, die im regulären Verfahren sind, dann ist das Anlass zur Sorge." Hubert Heinhold, Rechtsanwalt

Klare Ansage an die Behörden

Den Rechtsstreit halte man für beendet, erklärt das bayerische Kultusministerium auf BR-Nachfrage an die Regierung von Oberbayern. Diese hätte beantragen können, ein Klageverfahren einzuleiten. In ihrem Beschluss über den Eilantrag beurteilen die Richter die Rechtslage jedoch bereits eindeutig - und die betroffenen Kinder besuchen längst ihre normale Schule. Der Gerichtsbeschluss: ein klare Ansage an die Behörden, das Recht auf Bildung zu achten - sowie geltende asylrechtliche Normen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie zum Vorteil der Betroffenen ausfallen.