Die Gesundheits-App "Kaia Health"
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Apps auf Rezept - ein wichtiges Tool im Gesundheitssystem?

In den App- und Play Stores gibt es zahlreiche Gesundheits- oder Fitness-Apps, die oft günstig oder sogar gratis angeboten werden. Anders die digitalen Gesundheitsanwendungen, die es nur auf Rezept gibt. Was bringen sie den Patienten?

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Eine schier unendliche Anzahl an Gesundheits- oder Fitness-Apps ist in den App- und Play Stores zu finden. Sie werden oft für wenige Euro oder sogar gratis angeboten. Anders die DiGA, das sind digitale Gesundheitsanwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft und zertifiziert werden. Sie gibt es nur auf Rezept.

Eine App als digitaler Physiotherapeut

Herbert Haas aus München kämpft seit über 20 Jahren mit Rückenschmerzen. Seit sechs Monaten nutzt er die App "Kaia Health" gewissermaßen als digitalen Physiotherapeuten. Die App zeigt ihm Übungen, die er nachmachen soll. Seitdem kann er zu jeder Zeit und an jedem Ort selbstständig an seiner Rückengesundheit arbeiten. Seine Rückenschmerzen hat er mit Hilfe der digitalen Gesundheitsanwendung in den Griff bekommen. "Ich habe ein ganz anderes Körpergefühl. Und es wirkt sich auf die Psyche aus, es wirkt sich auf das Selbstbewusstsein aus", sagt der Familienvater.

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Herbert Haas macht unter ärztlicher Aufsicht Rückengymnastik.

Besser sich bewegen als im Bett liegen

Schmerzmediziner wie etwa Prof. Dr. Heike Rittner vom Uniklinikum Würzburg schwören bei der Behandlung chronischer Schmerzen auf die Regelmäßigkeit, mit der diese ausgeführt wird. Sich ins Bett zu legen sei falsch, sagt die Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerzmedizin. Die Idee dahinter sei, in Bewegung zu bleiben und zwar kontinuierlich. Bei chronischen Schmerzen hilft eine multimodale Therapie, die sowohl körperliches Training als auch Entspannung und Wissensvermittlung umfasst. Das Problem: Die Kapazitäten für solche meist stationären Therapieprogramme sind begrenzt und daher nicht für alle Patienten verfügbar.

Apps sollen Physiotherapeuten nicht ersetzen

Konstantin Mehl, Gründer der Rücken-App "Kaia Health" war selbst Patient. Er weiß um die Schwierigkeit, Termine bei Physiotherapeuten zu bekommen. Die Rücken-App, die seit Anfang 2023 in Deutschland auf Rezept verschrieben werden darf, soll eine Ergänzung zu den analogen Behandlungsmöglichkeiten sein. Man wolle die Physiotherapeuten und Ärzte nicht ersetzen. Doch Patienten mit chronischen Schmerzen seien in Deutschland unterversorgt und diese Lücke wolle man schließen.

Über 100 Millionen Euro Investorengelder hat das Münchner Start Up "Kaia Health" in den vergangenen Jahren für die Entwicklung seiner App eingesammelt. Die Software kann in Echtzeit Bewegungen analysieren und visuell sowie sprachlich korrigieren. Außerdem stellt sie einen individuellen Trainingsplan bereit, den Patienten zu jeder Zeit abrufen können.

Gesetzliche Krankenkassen kritisieren die Kostenfreiheit

Sobald eine App vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als digitale Gesundheitsanwendung, kurz DiGA, zertifiziert ist, müssen die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Die sind allerdings zum Teil sehr hoch, bis zu über 700 Euro im Monat – pro Patient.

Es gibt mittlerweile über 50 solcher DiGa für unterschiedliche Krankheitsbilder. Für das erste Jahr dürfen Hersteller den Preis ihres Produktes nahezu selbst bestimmen, um die hohen Entwicklungskosten zu decken. Die Krankenkassen sehen das kritisch. Die Preisgestaltung sei sehr intransparent, so Klaus Rupp, Leiter des Versorgungsmanagement bei der Techniker Krankenkasse. Man wünsche sich von Anfang an sachgerechte Preise, wie es in der anderen Versorgung, im Krankenhaus, bei den Ärzten, bei den Medikamenten auch der Fall sei. Es müsse zum Nutzen passen und die Vergleichbarkeit zu dem, was man bei Therapeuten im ärztlichen Bereich oder bei der Physiotherapie bezahlen würde, wahren.

Digitale Anwendungen als wichtige Werkzeuge der Zukunft

Schmerzmediziner Prof. Thomas Tölle aus München ist sich sicher, dass die digitalen Gesundheitsanwendungen ein wichtiges Werkzeug der Zukunft sind. "Das ist die große Chance, die wir seit Jahren immer wieder fordern, dass der Patient in einer Art Selbstprävention gebracht wird, dauerhaft lernt für sich selbst zu sorgen", sagt er.

Weitere digitale Anwendungen sind in der Entwicklung. An der Uniklinik Würzburg forscht aktuell ein Team an einer Möglichkeit, chronische Rückenschmerzen mit Hilfe von VR-Technologie zu behandeln. Die virtuelle Welt sorgt für eine veränderte Selbstwahrnehmung. Die Patienten sollen bei den Übungen vom Schmerz abgelenkt werden und so die Bewegungen besser und konsequent ausführen können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Studie bislang mit 250.000 Euro gefördert. Es sei eine weitere Möglichkeit neben der Physiotherapie, Bewegungen zuhause auszuführen, die physiotherapeutisch erdacht sind, wo der Behandler aber nicht dabei sein müsse.

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Patientin Adriana Salazar übt mit einer VR-Brille unter Aufsicht von Prof. Dr. Heike Rittner

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