Fluggäste stehen am 27. August vor dem verschlossenen Eingang zum Terminal 2 am Münchner Flughafen.
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Fluggäste stehen am 27. August vor dem verschlossenen Eingang zum Terminal 2 am Münchner Flughafen.

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Alarm am Airport ausgelöst: Muss Fluggast für Schaden haften?

Weil ein Fluggast ohne Kontrolle in den Sicherheitsbereich des Flughafens München gelangt war, ist ein hoher Schaden entstanden. Muss der Mann dafür geradestehen? Fluggesellschaften und Flughafen prüfen den Fall. Ein #Faktenfuchs zur Sachlage.

Die Bundespolizei geht davon aus, dass der Fluggast, der am Dienstag ohne Kontrollen in den Sicherheitsbereich des Terminal 2 im Münchner Flughafen gelangt ist, nicht aus böser Absicht handelte. Der junge Spanier könnte sich verirrt und deshalb durch einen Notausgang in den gesicherten Bereich gelangt sein. Die Folgen waren dennoch erheblich: Rund 200 Flüge fielen aus, das Terminal 2 und Bereiche des Terminals 1 mussten geräumt werden und waren stundenlang gesperrt, 25.000 Passagiere waren betroffen und mussten zum Teil in Hotels untergebracht werden.

Ansprüche auf Schadenersatz werden geprüft

Der Flughafen München und die Lufthansa - die hauptsächlich betroffene Fluggesellschaft - prüfen den Vorfall sowie die Möglichkeit, Ansprüche geltend zu machen. Wie hoch diese sein könnten, ist nach Auskunft von Lufthansa-Pressesprecherin Bettina Rittberger noch unklar.

Als im vergangenen Jahr eine Frau unkontrolliert durch eine Sicherheitsschleuse am Flughafen München gelangt war, betrug der Schaden mehrere Millionen Euro. Über 300 Flüge wurden damals abgesagt, 31.000 Passagiere waren betroffen.

Hohe Kosten für Leerflüge

In welcher Größenordnung liegt der Schaden von Dienstag? Rittberger legt sich nicht fest. Das Ausmaß sei mit etwa 150 ausgefallenen Lufthansa-Flügen geringer als 2018. Allerdings seien die Kosten "immens". Zum einen, weil Flugzeuge leer abfliegen, was am Dienstag der Fall war. Die Flüge müssen stattfinden, erklärt die Lufthansa-Sprecherin, um am Zielort wie vorgesehen wieder neue Passagiere aufzunehmen. Weil in München aber die Personen nicht rechtzeitig durch die Sicherheitskontrolle gelangen konnten, blieben die Flugzeuge auf dem Hinflug leer. Am meisten koste dabei das Kerosin.

Stehen Betroffenen Entschädigungen zu?

Zu klären wird auch sein, ob die Fluggäste Anspruch auf Entschädigung haben. Grundsätzlich regelt das EU-Recht seit 2004, dass Passagieren bei Verspätungen zwischen 250 bis 600 Euro Entschädigung zustehen. Als wahrscheinlich gilt aber, dass Fluggäste keine Entschädigungen geltend machen können, da es sich bei dem Vorfall am Dienstag um einen "außergewöhnlichen Umstand" handeln könnte - also eine Sperrung des Flughafens wegen Sicherheitsbedenken.

Muss der spanische Student haften?

So stellt sich die Frage, wer für die entstandenen finanziellen Schäden aufkommen muss, und ob der spanische Student allein für mögliche Entschädigungszahlungen haftbar gemacht werden kann.

Um juristisch beurteilen zu können, ob er für den Schaden aufkommen muss, sind laut der Münchner Rechtsanwältin Mechthild-Maria Kathke-Brech die bisher veröffentlichten Informationen zu wenig. "Normalerweise sind Notfallausgänge so gesichert, dass sie nicht jeder, der es nicht besser weiß, öffnen kann", sagt Kathke-Brech, die auf Versicherungsrecht spezialisiert ist, welches Schadenersatz- und Fluggastrecht beinhaltet. "Deswegen stellt sich mir die Frage, wie es sein konnte, dass der spanische Fluggast die Tür öffnen konnte", so Kathke-Brech. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, sei es möglich, dass derjenige, der für die Sicherung der Türen zuständig ist, zumindest ein Mitverschulden treffe.

Tür über Notschalter zu öffnen

Die Tür, durch die der spanische Fluggast ging, öffnet sich, wenn man auf einen Notschalter neben der Tür draufdrückt, erklärt Robert Wilhelm, Pressesprecher des Flughafens München. Gleichzeitig werde ein Alarm ausgelöst. Beides sei am Dienstag so geschehen.

"Im Notfall muss so eine Tür schnell aufgehen, damit sich Leute zum Beispiel bei starker Rauchentwicklung retten können." Robert Wilhelm, Pressesprecher des Flughafens München

Was die Absicherung und Ausschilderung betreffe, seien "die Vorgaben sicher erfüllt", so der Pressesprecher.

Ist eine unerlaubte Handlung nachweisbar?

Nach Auskunft von Kathke-Brech ist der Student nur dann haftbar, wenn ihm eine unerlaubte Handlung nachgewiesen werde. Sollte sich herausstellen, dass der junge Mann vorsätzlich oder fahrlässig unerlaubt gehandelt hat und deshalb haftbar ist, könnte auf ihn eine sehr hohe Forderung zukommen. Wenn er diese nicht bezahlen kann, so die Anwältin, würde er nach deutschem Recht vermutlich in die Privatinsolvenz gehen. Für den Vorfall am Flughafen gelte deutsches Recht, da es auf deutschem Boden passiert ist.

Die Münchner Juristin kennt keinen Fall, bei dem eine Fluggesellschaft oder ein Flughafenbetreiber von Passagieren Schadenersatz verlangt hätten, weil sie eine Räumung von Flughafenbereichen verursacht haben. Auch nicht bei der Frau, die vergangenes Jahr in den Sicherheitsbereich in München gelangt ist.

Fazit:

Noch steht nicht fest, ob der spanische Fluggast, der am Dienstag den Alarm am Münchner Flughafen ausgelöst hat, für die Folgen geradestehen muss. 200 Flüge sind ausgefallen, 25.000 Passagiere waren betroffen. Ob Schadenersatzansprüche gegen den jungen Mann gestellt werden können, hängt von verschiedenen Faktoren ab - vor allem: Hat er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt? Kann ihm eine unerlaubte Handlung nachgewiesen werden? Eine der Fragen ist auch, ob die Notfalltür ausreichend gesichert war, oder ob gegebenenfalls ein Mitverschulden desjenigen vorliegt, der dafür verantwortlich ist.

Der Flughafen München sagt, dass die Vorgaben erfüllt seien. Sollte sich herausstellen, dass der Fahrgast vorsätzlich oder fahrlässig unerlaubt gehandelt hat, könnten hohe Forderungen auf ihn zukommen. Derzeit prüfen sowohl die Lufthansa als hauptsächlich betroffene Fluggesellschaft und der Flughafen München den Fall.