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Abstimmung verschoben Maghreb-Frage bleibt Zitterpartie

Der Bundesrat sollte heute über die Einstufung der drei Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer entscheiden. Doch die Abstimmung ist verschoben worden. Ob in nächster Zeit eine Mehrheit zustande kommt, ist angesichts großer Vorbehalte unter den grün-mitregierten Ländern unklar.

Von: Janina Lückoff

Stand: 17.06.2016

Eine Flüchtlingsfamilie läuft am 18.09.2014 durch die Landesaufnahmebehörde für Asylsuchende (LAB) in Braunschweig (Niedersachsen). | Bild: picture-alliance/dpa

Die Abstimmung wurde auf den 8. Juli verschoben, bis dahin soll es eine Einigung geben. Doch der Widerstand der Grünen gegen die Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten ist groß.

Grünenchefin Simone Peter begrüßte die Vertagung der Entscheidung gegenüber B5aktuell ausdrücklich, ihre Partei hätte heute die Zustimmung verweigert:

"Und zwar haben wir immer wieder angeprangert, dass es in diesen drei Maghreb-Staaten Tunesien, Marokko, Algerien zu Verfolgungen, zu Diskriminierungenkommt. Das ist ja auch belegbar. Deswegen kann man nicht einfach den Stempel 'sicher' draufdrücken."

Simone Peter

Peter sagte außerdem, man müsse sich jetzt alternative Maßnahmen überlegen, um Rückführungen zu beschleunigen.

"Wir wollen nicht im Monats- Rythmus symbolpolitische Maßnahmen auf den Tisch kriegen, sondern wirklich an den realen Problemen arbeiten, also dass die Asylverfahren immer noch zu lange dauern, dass die Menschen (…) gar nicht von ihren Regierungen zurückgenommen werden."

Simone Peter in der Bayern2 radioWelt

Wie sich jetzt zeigt, hatte sich die Bundesregierung zu viel Zeit gelassen damit, den Grünen Gespräche anzubieten. Mindestens drei der zehn Länder mit grüner Regierungsbeteiligung müssen im Bundesrat zustimmen, damit Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer eingestuft werden können. Dass die Grünen diese Zustimmung nicht geben würden, hatte sich abgezeichnet, und trotzdem: bis vor wenigen Tagen war kein Entgegenkommen in Sicht.

"Also erstmal gab‘s keine Verhandlungen; die Große Koalition führt Gespräche mit sich selbst aber hat mit uns keine Gespräche gesucht."

Grünen-Chef Cem Özdemir

Özdemir betont, einfach nur zu sagen "Vogel friss oder stirb" werde in dieser Frage nicht ausreichen.

Bundesregierung verhandlungsbereit

Am Dienstag erst nutzte Kanzleramtschef Peter Altmaier einen Auftritt im Morgenmagazin von ARD und ZDF, um die Verhandlungsbereitschaft der Bundesregierung zu signalisieren:

"Und deshalb setze ich ja darauf, dass wir auch in den Gesprächen, die mit allen Beteiligten stattfinden werden in den nächsten Tagen und auch darüber hinaus, dass wir dort einmal Schritt für Schritt analysieren: Was sind denn Befürchtungen, die man möglicherweise entkräften kann?"

Kanzleramtschef Peter Altmaier

Grüne: "Nicht in Folterkeller zurückschicken"

Ihre Befürchtungen haben die Grünen schon früh klar formuliert.

"Es gibt Länder, wo man als unauffälliger Mensch relativ gut leben kann; da kann man vielleicht sogar in Urlaub fahren wie zum Beispiel nach Marokko. Aber wenn Sie kritischer Journalist sind, wenn Sie Oppositioneller sind, wenn Sie Menschenrechtsaktivist sind oder auch wenn Sie homosexuell sind, dann haben Sie in diesen Ländern ein großes Problem."

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg

Und er wolle niemanden - nur wegen Verfahrensvereinfachungen - in die Folterkeller von Marokko zurückgeschickt sehen, sagte Hofreiter dem Bayerischen Rundfunk. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Kretschmann, setzt voraus, dass für die Anerkennung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer die "hohen verfassungsrechtlichen Hürden" erfüllt sind - so hat er es in den grün-schwarzen Koalitionsvertrag hinein verhandelt. Eine Zustimmung aus parteitaktischen Gründen werde es mit ihm nicht geben, sagt er; mit Menschenrechten taktiere man nicht rum. Kretschmann verlangt, dass für besonders gefährdete Personen, er nennt sie "vulnerable Gruppen", auch bei verkürzten Verfahren Asyl in Deutschland gewährleistet ist.

Nach der gestrigen Sitzung gab er bekannt: Baden-Württemberg werde dem Gesetzentwurf zustimmen:

"Da wir eine verbindliche Erklärung der Bundesregierung bekommen werden, dass die Gruppen in den Maghreb-Staaten die besonders verfolgt werden, dass die in dem Bewertungsverfahren so behandelt werden wie bisher, sodass ihre Rechte im Verfahren, auch wenn es verkürzt ist, gewahrt bleiben."

Winfried Kretschmann

Aus Sicht der nordrhein-westfälischen rot-grünen Landesregierung gibt es neben den beschleunigten Verfahren noch ein anderes Problem, auf das Innenminister Jäger von der SPD hinweist:

"Wo wir das allergrößte Problem haben ist, dass die marokkanische Regierung, die algerische Regierung höchst unkooperativ sind, die, die wir zurückführen wollen, auch zurückzunehmen."

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD)

Er fordert konkrete Möglichkeiten für die Bundesländer, abgelehnte Asylbewerber rückführen zu können. Das sei viel wichtiger als die Debatte um die Anerkennung als sichere Herkunftsländer, so Jäger. Der Bundesrat hatte das in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf bereits im März gefordert und darin auch eine Altfallregelung für besonders langjährige Asylverfahren gefordert. Teil eines Kompromisses könnte auch sein, dass das Gesetz befristet wird, um es nach drei Jahren etwa zu überprüfen.

Merkel drängt auf Zustimmung

Bundeskanzlerin Merkel hat gestern an die Länder appelliert, dem Gesetzentwurf zuzustimmen:

"Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir dieses Signal senden können. Das bedeutet ja nicht, dass nicht die Betroffenen ein individuelles Asylverfahren bekommen, sondern dass diese Asylverfahren schneller stattfinden."

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Für sie wäre es eine Niederlage, wenn eine der wichtigsten Asylrechtsverschärfungen am Widerstand der Grünen scheitern würde.


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Kommentieren

Stan, Freitag, 17.Juni 2016, 16:17 Uhr

11. Deutschland ist kein sicheres Herkunftsland

Wenn bei Pegida-Kundgebungen rechtschaffene Arbeitnehmer aus Furcht ihren Arbeitsplatz zu verlieren mit Sonnenbrillen und Perücken spazieren, dann wird diese Heuchelei evident. Wo solche Repressionen und Repressalien möglich sind, der braucht andere Länder nicht über Demokratie belehren. Die Grünen und Frau Merkel sprechen mit gespaltener Zunge.

  • Antwort von Franz, Freitag, 17.Juni, 18:19 Uhr

    Wie verblendet muss man eigentlich sein, um solch einen Kommentar zu schreiben ? Im Zusammenhang mit Pegida von "rechtschaffen" zu sprechen wirkt schon kurios.

Georg S., Freitag, 17.Juni 2016, 11:29 Uhr

10. Selbstzerstörerische Grünen

Die Grünen haben null Verantwortungsdenken für die eigene Bevölkerung. Blind vor der Verehrung ihrer Multi-Kulti-Ideologie und dem Wunsch nach einem islamisierten Deutschland, gehen sie brachial gegen jede Vernunft und jede Verhältnismäßigkeit vor und öffnen mit der Masseneinwanderung aus arabischen und afrikanischen Staaten den Weg für mehr und mehr Unruhen, Unsicherheiten und sogar Attentaten. Denn wenn Islamisten in Belgien und Frankreich morden, werden sie es auch bei uns tun. Nur leider, werden die Verantwortlichen für die muslimische Masseneinwanderung niemals von unserer Justiz zur Rechenschaft gezogen, nein, bei jedem islamistischen Anschlag wird der Ruf nach noch mehr Immigration laut. Viele halten die Grünen für eine staats- und kulturgefährdende Bewegung, die eigentlich verboten werden müsste!

Matze, Freitag, 17.Juni 2016, 11:27 Uhr

9. Abschieben, leicht gemacht

Wer hier Frauen und Mädchen antanzt und sexuell belästigt, der darf auch in ein nicht sicheres Herkunftsland in Nordafrika zurückgeschickt werden. Und dort über Menschenrechte, Gefängnis und eventuell Folter zu sprechen, ist nebensächlich. Diese Personen haben auch nicht die Rechte der Opfer hier akzeptiert. Also, ab in den Flieger!

Thilo, Freitag, 17.Juni 2016, 10:52 Uhr

8. Wählt

die geeignete Alternative mit gesundem Menschenverstand.

  • Antwort von Franz, Freitag, 17.Juni, 18:20 Uhr

    Die AfD-Fans werden auch immer plumper.

Rumplhanni, Freitag, 17.Juni 2016, 10:48 Uhr

7. Bin Ladens Leibwächter darf lt. Gerichturteil

nicht abgeschoben werden, weil ihm bei Rückkehr nach Tunesien Folter drohen könne. Irgendwie scheint mir „Toleranz“ wohl fehl am Platz. Nach unmenschlichen 15? Jahren, Knast - Dank und inkl. verständiger religiöser und psychologischer Betreuung anzunehmen früher begnadigt - gilt er Grün(?)/Rot sicher als missioniert und integriert und wird wieder auf die intolerante Gesellschaft losgelassen.

Das inhumane Deutschland bittet sogar um Rücklieferung seiner kleinen Staats-Deutschen Mörder aus dem Ausland. Die Fluchtländer nehmen Selbe nicht zurück! Der Nächste erpresst Europa. Niger (94% Islam) will 1,1 Milliarden Euro von der EU, Flüchtlinge an der Weiterreise nach Libyen, somit Mittelmeer zu hindern.

Wölkis anklagendes Flüchtlingsboot scheint in DE/EU fehl am Platz.

Vom "rechtspopulistischen Orban“ wird gemunkelt, ihn von EVP-Mitte ins äußerste rechte EU-Lager zu versetzen. Wenn es so weiter geht, dürfte Grün(?)/Rot bald etwas einsam die vermeintliche „Mitte“ behaupten.