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Briten in München Brexit-Debatte: Zwischen Hoffen und Bangen

Am 23. Juni stimmen die Briten in einem Referendum ab, ob sie in der EU bleiben wollen. Der Ausgang der Abstimmung ist ein großes Thema bei den rund 6000 Briten, denn der Brexit könnte für sie entscheidende Konsequenzen haben.

Stand: 19.06.2016

Brexit | Bild: picture-alliance/dpa

Seit über 20 Jahren findet jeden Freitag der Stammtisch der englischsprachigen Community Münchens statt. In unterschiedlicher Besetzung, sagt Ian, der den Stammtisch organisiert.

"Wenn man jeden Freitag das ohne Unterbrechung macht, dann baut sich das auf, und dann spricht es sich rum, jeder erfährt davon, es ist offen für jeden."

Ian

Konsequenzen

Beim Stammtisch

Diesmal sind viele Engländer gekommen, aber auch ein paar Waliser, Iren und Amerikaner. Die meisten leben schon sehr lange in München, erklärt Ian, der selbst schon fast 30 Jahre hier ist. Man trifft sich wöchentlich um ungezwungen zu plaudern, Alltagssorgen auszutauschen und Spaß zu haben. Über Politik und Religion spricht man im Pub eigentlich nicht, das ist eine unumstößliche Regel, erklärt Ian. Doch diesmal ist es anders. Das bevorstehende Referendum über den Brexit treibt auch die britische Community in München um. Viele fragen sich welche Konsequenzen ein Brexit für die Briten in Deutschland haben könnte. Was passiert mit Familiennachzug und Rentenansprüchen? Würde ein Austritt den Verlust ihrer Privilegien wie etwa Reisefreiheit oder Freizügigkeit für Arbeitnehmer bedeuten?

"Ich habe in den Medien gelesen, dass möglicherweise ein Punktesystem eingeführt wird, wie in Australien zum Beispiel, wenn das gemacht wird besteht auch die Möglichkeit, dass die EU das gleich macht für die Briten."

Zoe

Einbürgerung, um Europäer zu bleiben

Zoe

Für die 40 jährige Britin Zoe, die seit acht Jahren in einem multinationalen Unternehmen in München arbeitet, Steht dabei aber etwas anderes im Vordergrung. Sie fühlt sich als Europäerin. Um das auch bleiben zu können, denkt sei seit einiger Zeit über eine Einbürgerung in Deutschland nach.

"Als EU-Staatsangehörige habe ich immer noch die Möglichkeit die doppelte Staatsangehörigkeit zu beantragen, aber nach einem eventuellem Austritt würde es wahrscheinlich anders aussehen. Und dann muss man entscheiden, ist es Deutschland oder ist es Großbritannien, das ist eine schwierige Frage."

Zoe

Deshalb gilt es jetzt schnell zu handeln, sagt Zoe. Denn um beide Staatsangehörigkeiten zu erhalten, bleiben nur noch gut zwei Jahre Zeit, sollte sich Großbritannien für den Brexit entscheiden. So lange werden in etwa die Verhandlungen über die Bedingungen des Ausstiegs dauern. Ein Grund, warum sich gerade im Moment immer mehr Briten im Vergleich zu den letzten Jahren für den deutschen Pass entscheiden. Auch Roger Horton erwägt eine Einbürgerung: Der Ingenieur aus Liverpool lebt seit 40 Jahren in Deutschland.

"Ich bin Europäer und meine Zeit in Deutschland hat das Gefühl nur gestärkt. Ich finde das ganze Argument sehr deprimierend, vor allem das Niveau wie die Debatte öffentlich in Großbritannien geführt wird. Die Leute fragen sich ja, wird das Essen teurer oder nicht, die fragen sich, werden mehr Immigranten kommen oder weniger, aber die Idee von einer Gemeinschaft mit den anderen europäischen Ländern, die hört man überhaupt nicht."

Roger Horton

Roger Horton selbst darf nicht über den Brexit abstimmen. Denn wer länger als 15 Jahre außerhalb Großbritanniens lebt, verliert sein Wahlrecht.

"Ich glaube, die meisten Expats wären für 'remain' und nicht für Brexit."

Roger Horton

Auch Zoe hat für den Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt. Per Briefwahl. Ihre Befürchtung ist allerdings, das viele Leute nicht wählen gehen oder aus Protest gegen die britische Regierung für den Brexit stimmen. Wie auch immer die Briten sich am Donnerstag entscheiden, am Stammtisch in München bleibt man zumindest gelassen.


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