Auf dem Monitor eines Handys ist das ChatGPT-Logo zu sehen.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Hannes P Albert

Textroboter wie ChatGPT und andere Programme der generativen Künstlichen Intelligenz könnten in Bayern die Prüfungen an den Unis verändern.

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Wenn die KI Studienarbeiten schreibt: Unis suchen nach Lösungen

Eine Bachelorarbeit mithilfe Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT verfassen - möglich wäre das. Doch die Hochschulen haben damit ein Problem, denn sie können eigene Leistungen der Studierenden kaum noch von computergenerierten Arbeiten unterscheiden.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eine Künstliche Intelligenz schreibt eine Bachelorarbeit. Das ist keine Zukunftsvision mehr, das funktioniert heute schon. Gibt der Studierende am Computer mittels einer KI-Technologie wie ChatGPT ein: "Schreibe eine Bachelorarbeit über die Relevanz von Tycho Brahe in der heutigen Astronomie", erhält er folgende Antwort: "Die Relevanz von Tycho Brahe in der modernen Astronomie: Eine Bachelorarbeit"

Den Abstract liefert die KI gleich mit: "Diese Bachelorarbeit untersucht die anhaltende Relevanz des dänischen Astronomen Tycho Brahe in der zeitgenössischen Astronomie. Tycho Brahe lebte im 16. Jahrhundert und trug maßgeblich zur Beobachtung und Aufzeichnung von Himmelsphänomenen bei. Sein Beitrag zur genauen Messung von Sternenpositionen legte den Grundstein für spätere Entwicklungen in der Astronomie."

Wie können Tricksereien aufgedeckt werden?

Für Studierende, die sich mühsame Tage in der Unibibliothek ersparen wollen, ein Segen, für die Unis und die Professoren ein Fluch: Denn sie sind es, die solche Schummeleien eigentlich aufdecken müssten. Nur wie?

"Dass man mal Verdachtsmomente hat, klar. Aber was hilft es, wenn ich Verdachtsmomente habe?", sagt Doris Weßels, Professorin für Wirtschaftsinformatik von der Fachhochschule Kiel. Einem Studenten Betrug nachzuweisen ist schon in der analogen Welt schwer genug, die Künstliche Intelligenz macht das nicht einfacher.

Zögerliche Reaktion der Unis

Weßels ist aber nicht nur als Lehrende von dem Thema betroffen. Sie gilt auch als eine der Expertinnen, wenn es um Fragen der Künstlichen Intelligenz in der wissenschaftlichen Arbeit geht. "Sehr nachdenklich" stimme es sie, dass die Universitäten sich so spät erst der Frage der Künstlichen Intelligenz annähmen, sagt sie. ChatGPT, die KI, die den Hype ausgelöst hat, ging Ende 2022 an den Start. Aber bereits zuvor habe sie große Umbrüche in der Bildungswelt kommen sehen.

Denn Künstliche Intelligenz ist nichts Neues. Übersetzungsdienste im Internet arbeiten schon länger damit, lernende Maschinen gab es schon davor. Wer genau hinschaute – und genau hinschauen ist die Aufgabe von Universitäten – hätte das schon früher vorhersehen können, meint die Bildungs- und KI-Expertin.

Eine große Frage ist nun, wie man mit der Unterstützung von KI entstandene Studienarbeiten erkennt. In den vergangenen Jahren machten immer wieder Politiker Schlagzeilen, die in ihren Doktorarbeiten abgeschrieben hatten. Im Zuge dessen wurden auch Computerprogramme bekannt, die solche Plagiate automatisch erkennen sollen.

Technische Maßnahmen haben ihre Grenzen

Naheliegend also, auch bei der Erkennung von Texten aus der KI auf Computer zu setzen. Die Theorie dahinter ist, dass Computer, wie auch Menschen, nach bestimmten Mustern arbeiten. Analysiert man die Texte, kann man ganz feine Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen von einer Künstlichen Intelligenz geschriebenen Texten finden. Trainiert man diese Computerprogramme mit genug Material, könnten die Programme lernen, KI-Texte zu identifizieren. Die KI wird mit ihren eigenen Mitteln geschlagen.

Andreas Maier, Professor am Lehrstuhl für Mustererkennung der Uni Erlangen, ist von diesem Weg jedoch nicht überzeugt. Zwar sagt auch er, dass eine solche Betrugserkennung funktionieren könne, aber der Erfolg wäre begrenzt: "Einen vom Sprachmodell GPT2 generierten Text kann man mit einem GPT2-Erkenner relativ gut klassifizieren", sagt Maier, aber schon beim nächsten Update der Künstlichen Intelligenz auf Version GPT3 bräuchte man wieder ein neues Werkzeug. Maier spricht von einem "Wettrüsten", Weßels von einem "Hase-und-Igel-Rennen".

Neue Arten von Abschlussarbeiten

Statt die KI zu verteufeln, machen sich nun viele Gedanken, wie die Unis trotz der Gefahr von Fälschungen und Täuschungsversuchen noch sinnvolle Leistungsnachweise einfordern können.

Die Wirtschaftsuni in Prag prescht vor und schafft Bachelorarbeiten gleich ganz ab. Stattdessen sollen neue Formen von Abschlussprüfungen entstehen. Zum Beispiel könnte es Projekte mit mehr praktischen Arbeiten geben, eine Idee, der auch Weßels viel abgewinnen kann. Sie hat erst kürzlich in einem Seminar auf eine schriftliche Arbeit ihrer Studierenden verzichtet. Stattdessen gab es eine Vernissage, bei der die Erkenntnisse der Studierenden online und offline präsentiert wurden.

Die Schriftform verliere in unserer Gesellschaft ohnehin an Bedeutung, konstatiert Weßels mit Blick darauf, wie junge Menschen heute kommunizieren. Und KI-Forscher Maier findet, dass computergenerierte Texte auch etwas Gutes haben können: "Gerade in den Ingenieurswissenschaften sind natürlich auch viele Studierende, die in der Formulierung von Texten nicht ganz sicher sind. Hier können die Algorithmen gute Unterstützung bieten."

Motivation als Prävention vor Schummelei

Die KI würde für solche Studierenden vom Betrug zur Hilfe, genau wie die Rechtschreibprüfung im Textprogramm. Denn es geht in der Informatik um die Ideen, die Erkenntnis und das Fachwissen, nicht unbedingt darum, literarisch zu schreiben.

In manchen Fächern ist das anders. Texte in der Germanistik von der KI verfassen zu lassen, würde dem Sinn des Studiums in vielen Fällen widersprechen. Aber auch praxisnahe Aufgaben, wie sie Weßels für sinnvoll hält, sind in solchen Fächern nicht leicht umzusetzen: "Das ist sicherlich für geisteswissenschaftliche Studiengänge eine echte Herausforderung, Aufgabenstellungen zu finden, die auch motivierend sind, die nicht durch KI automatisiert erledigt werden können", sagt sie.

Reine Literaturarbeiten, bei denen Studierende Inhalte aus anderen wissenschaftlichen Publikationen zusammenschreiben, seien eine "Fleißaufgabe", meint Weßels. Deshalb könnte in anspruchsvollen und praxisnahen Aufgabenstellungen aber auch eine große Chance liegen. Denn diese könnten die Studierenden motivieren, sich freiwillig selbst mit einem Thema zu beschäftigen und diese Arbeit nicht aus Langeweile einer KI zu überlassen.

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