Das Holzhochhaus «Roots» in der HafenCity bekommt seine ersten Holzelemente montiert. Bis auf den Sockel und die unteren Geschosse soll das Haus komplett aus Holz bestehen.
Bildrechte: picture-alliance/dpa | Georg Wendt

Holzhochhaus im Bau

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Wald-Bau-Pumpe: Holzbau könnte das Klima retten

Würde man viel mehr aus Holz bauen, statt aus Beton und Stahl, könnte man einen großen Beitrag dazu leisten, den Klimawandel zu bremsen. Das Prinzip Wald-Bau-Pumpe: CO2 in Form von Holz im Haus speichern.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Wäre Beton ein Land, stünde er gleich nach China und USA auf dem 3. Platz der Treibhaus-Gas-Emissionen-Liste. Diese Erkenntnis ist nicht neu, doch im Gegensatz zum Heizen steht das Bauen kaum im Fokus der Öffentlichkeit. Obwohl der Bausektor die vorgegebenen Klimaziele bislang klar verfehlt. Dabei gäbe es eine Lösung: Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung um Professor Jürgen Kropp haben ausgerechnet, dass man mit einer globalen Holzbau-Offensive einen großen Beitrag dazu leisten könnte, den Temperaturanstieg nicht nur zu bremsen, sondern ihn sogar zum Teil rückgängig zu machen. Sie nennen das Prinzip Wald-Bau-Pumpe.

15 Prozent der Wälder würden als Holzlieferant reichen

Viele namhafte Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir die Temperaturerhöhung nicht auf 1,5 Grad begrenzen können, möglicherweise schaffen wir nicht einmal das 2 Grad Ziel. Doch wenn man lediglich rund 15 Prozent der Wälder weltweit nachhaltig nutzen würde, also nicht mehr Holz rausnehmen als nachwächst - wie ein Grundsatz der Waldbewirtschaftung hierzulande seit jeher vorgibt - und dieses Holz verbauen würde, könnte es danach gelingen, den Temperaturanstieg rückgängig zu machen, das Klima wieder herzustellen.

Professor Jürgen Kropp arbeitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und beim "Bauhaus der Erde", einer Nichtregierungsorganisation für die gebaute Umwelt. Seinen Berechnungen zufolge könnte man mit der "Wald-Bau-Pumpe" jährlich bis zu vier Gigatonnen Kohlendioxid, also vier Milliarden Tonnen Kohlendioxid in Gebäuden speichern. Das sind mehr als zehn Prozent der globalen Gesamt-Emissionen. "Das wäre so ein Einstieg in die Heilung des Klimas sozusagen." In Deutschland und in großen Teilen Europas wäre das seinen Kalkulationen zufolge ohne Probleme möglich. Gleichzeitig müsse man natürlich im Auge behalten, dass die Wälder weltweit unter Druck stünden und im Klimawandel vielfältige Funktionen übernehmen müssten.

Mit der "Wald-Bau-Pumpe" Kohlendioxid aus der Luft ins Haus pumpen

Bäume nehmen aus der Luft das Treibhausgas Kohlendioxid auf. Die chemische Formel ist CO2 – C steht für Kohlenstoff, O für Sauerstoff. Bei der Photosynthese wird Kohlendioxid in den Pflanzenzellen umgebaut. Und am Schluss bleibt Sauerstoff, also O übrig, den geben die Bäume wieder an die Luft ab. Und das C – also den Kohlenstoff speichern sie vor allem in Form von Holz. Wird ein Baum nach Jahrzehnten gefällt und das Holz verbaut, in einem Haus, Fenster oder Möbelstück, dann bleibt der Kohlenstoff immer noch gespeichert. Er ist damit für lange Zeit aus der Atmosphäre verschwunden. "Und das kann ein fundamentaler Beitrag zur Lösung der Klimakrise sein", so Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und dem Bauhaus der Erde.

Verbauen nicht verbrennen

Auch Bambus oder andere pflanzliche Baustoffe funktionieren im Sinn der Wald-Bau-Pumpe wie Holz und speichern das Kohlendioxid, das Pflanzen aus der Luft geholt haben im Gebäude. Ein Holzhaus, Eichentisch und Fichtenfenster sind also nicht nur Tisch, Fenster und Haus, sondern immer auch ein wertvoller CO2-Speicher. Dabei ist natürlich entscheidend, dass das Material tatsächlich verbaut und nicht als Brennstoff genutzt wird. Denn in dem Moment, wo das Holz verbrannt wird, geht der Kohlenstoff wieder in die Luft. "Dann ist der Effekt ja relativ kurz", so Jürgen Kropp. Der Kohlenstoff ist nach dem Fällen des Baumes höchstens ein paar Jahre gespeichert, so lang das Brennholz halt getrocknet und gelagert wird. In einem Gebäude ist der Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid dagegen für Jahrzehnte, eventuell auch für Jahrhunderte fixiert.

Einfamilienhäuser aus Holz sind zu wenig

Ein Einfamilienhaus aus Holz speichert je nach Bauweise umgerechnet 40 bis 80 Tonnen CO2. Mit Einfamilienhäusern kommt man jedoch nicht weit, wenn man mit dem Holzbau einen spürbaren Beitrag zur Klimawiederherstellung leisten will. "Das ist natürlich eine erhebliche Herausforderung." Jürgen Kropp sagt, man müsste konzertiert handeln und sich weltweit einig sein: "Ab sofort wird nur noch in Holz gebaut." Dazu bräuchte man entsprechende Rahmengesetzgebungen und gegebenenfalls internationale Abkommen.

Die Realität in ärmeren Regionen sehe jedoch ganz anders aus. Zement und Beton seien dort im Vergleich zu anderen Baustoffen extrem billig, trotz des sehr hohen Energieaufwandes, der für die Zementherstellung nötig ist. Trotzdem ist sich Jürgen Kropp sicher: "Der Weg in eine Bauwirtschaft, die auf Naturstoffen basiert, ist unausweichlich."

Grafik: Die Wald-Bau-Pumpe

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Der grüne Kreis steht für die Wald-Bau-Pumpe

Holzbau-Image: Vorurteile von früher

Nicht nur in den südlichen Ländern, auch bei uns sieht die Realität ganz anders aus. Im Jahr 2021 war gerade mal jedes fünfte genehmigte Wohngebäude in Deutschland ein Holzhaus. Woran liegt das? Warum wird nicht mehr aus Holz gebaut? Jochen Friedel Geschäftsführer der Firma Holzbau Müller in Blaustein bei Ulm sagt, es gebe noch unbegründete Vorurteile gegenüber dem Holzbau. Man verbinde den Baustoff Holzbau mit den Fertighäusern von früher "nicht haltbar und nicht dauerhaft und kein Massivbau." Dabei könnten Gebäude aus Holz "genauso haltbar, genauso wertig, wenn nicht sogar noch wertiger wie Massivbau" sein. Im großen Firmengebäude werden gerade die Bauteile für eine Sporthalle und ein Kindergarten vorbereitet.

Holzbau muss nicht teurer sein

Das Vorurteil, dass ein Holzhaus deutlich teurer sei als ein Massivhaus komme daher, dass beim Preisvergleich oft nur auf die Erstellungs- nicht auf die Betriebskosten des Gebäudes geschaut werde. Ein weiteres Hemmnis für den Holzbau: Die Planer denken derzeit noch zu selten an die Alternative Holzbau, so die Einschätzung von Jochen Friedel von Holzbau Müller in Blaustein. Angehende Architekten und Ingenieure müssten bereits im Studium von Beginn an lernen "was alles möglich ist mit Holz" – genau wie die Lehrlinge in der beruflichen Ausbildung.

Bauvorschriften hemmen Holzbau im größeren Stil

Das Ziel: möglichst viel Beton und Stahl durch Holz zu ersetzen. Dazu müsste man zum Beispiel auch die Brandschutz-Vorschriften aktualisieren. Eine Forderung, die sowohl vom Holzbau-Unternehmer Jochen Friedel wie auch vom Klimawissenschaftler Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kommt. "Es wird immer wieder kolportiert, dass Holzgebäude anfälliger sind gegen Feuer." Der Brandschutz sei heute technologisch gut in den Griff zu kriegen. Es seien auch mehr Holz-Hochhäuser möglich. Nur: "Da brauchen wir die entsprechenden Rahmensetzungen. Die sind zum Teil vorhanden, zum Teil aber auch noch nicht." Es brauche zeitgemäße Genehmigungsvorgaben, die mehr Holzbauten leichter möglich machen.

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