Heiliger Ibis
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Der Heilige Ibis (Threskiornis aethiopicus) ist heute nicht mehr in Ägypten heimisch, sondern lebt überwiegend im Afrika südlich der Sahara.

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Vogel-Mumien im Alten Ägypten: Geopferte Ibisse waren Wildtiere

Im Alten Ägypten wurde eine bestimmte Vogelart bis in den Tod verehrt und millionenfach in Katakomben bestattet. Bislang ging man davon aus, dass die Heiligen Ibisse zuvor in Aufzuchtstätten gehegt wurden. Ein Irrtum, wie sich jetzt herausstellt.

Im Alten Ägypten wurden viele Tiere als heilig verehrt, darunter Katzen, Krokodile und Vögel, die mitunter auch bestattet wurden. Mit Abstand am häufigsten sind Archäologen auf Mumien der Vogelart Heiliger Ibis (Threskiornis aethiopicus) gestoßen: Allein in der Nekropole von Sakkara wurden 1,75 Millionen der Tiere bestattet, in der Grabstätte Tuna el-Gebel ganze vier Millionen.

Opfertiere aus Zucht oder Wildnis?

Die mumifizierten Vögel stapeln sich hier in Tongefäßen über Kilometer hinweg in den Katakomben. Bisher wurde gerätselt, woher die Massen an Heiligen Ibissen kamen, die bei Opferritualen vor rund 1.800 bis 2.700 Jahren getötet wurden. Bislang wurde angenommen, dass die Vögel in großer Zahl aufgezogen und mumifiziert als Opfergabe für den Gott Thot verkauft wurden. Auch manche Hieroglyphen aus dieser Zeit lassen sich so interpretieren.

Genanalyse von Ibis-Mumien

Australische Paläogenetiker fanden nun aber Hinweise, die eine andere Vermutung stützen: Anhand von Erbgutanalysen konnten sie zeigen, dass in den Gräbern wildlebende Ibisse bestattet wurden und nicht Vögel, die über Generationen in Massentierhaltung aufgezogen wurden. Dies berichten die Forscher im US-Fachjournal PLOS ONE.

Vergleich mit Vögeln aus zehn afrikanischen Regionen

Für ihre Studie hatten die Forscher um Sally Wasef von der Griffith University im australischen Brisbane das Erbgut von 40 mumifizierten Ibissen aus sechs ägyptischen Katakomben untersucht. Über einen Vergleich mit der DNA von 26 wildlebenden Ibissen aus zehn afrikanischen Regionen wie Südafrika, Simbabwe, Tansania und Madagaskar bestimmten sie die genetische Vielfalt der heutigen und der vor etwa 2.500 Jahren geopferten Vögel.

Opfertiere waren wildlebende Ibisse

Die Vielfalt sei in beiden Gruppen ähnlich, berichten die Paläogenetiker. Das weise darauf hin, dass wildlebende, höchstens kurz in Gefangenschaft gehaltene Exemplare geopfert wurden - und nicht etwa über Generationen hinweg in speziellen Farmen gezüchtete. Bei gezielter Zucht wäre demnach eine weitaus geringere genetische Vielfalt zu erwarten.

Vögel höchsten kurzzeitig in Gefangenschaft

Möglicherweise seien die Tiere von Priestern in ihrem natürlichen Lebensraum - an Gewässern - gefüttert und gezähmt worden. Oder die Ägypter hätten die Vögel kurz vor anstehenden Opferritualen erst gefangen und in Gehegen gehalten. In diesem Fall wäre der gesamte Bestand in kurzer Zeit geopfert worden und durch frisch eingefangene Wildtiere ersetzt worden.

"Wenn sie bewusst gezüchtet wurden, dann vermutlich nur für kurze Zeiträume (etwa eine einzige Saison), bevor sie geopfert und beerdigt wurden." Sally Wasef, Griffith University Brisbane

Das heilige Tier von Thot

Der Heilige Ibis nimmt mit seinem weißen Gefieder, dem schwarzen Kopf und dem langen, gekrümmten Schnabel eine besondere Stellung unter den heiligen Tieren im Alten Ägypten ein. Der lange Schnabel des Vogels erinnerte die Menschen an Schreib-Binsen – ein Symbol für Weisheit, die wiederum mit dem Gott Thot assoziiert wurde, der auch als erster Schreiber im Lande galt. Und die gebogene Form des Schnabels hatte etwas von der Sichel des Halbmonds. Da Thot auch als Mondgott verehrt wurde, ergab dies eine weitere Verbindung zum Ibis.

In Ägypten einst heilig - heute ausgestorben

In Ägypten ist der Heilige Ibis seit dem 19. Jahrhundert ausgestorben. Heute ist der große Vogel vor allem in Afrika südlich der Sahara verbreitet. Die Gründe für sein Aussterben in Nordafrika sind dabei nicht vollständig geklärt. Grabrituale dürften mit dem Verschwinden der Art in Ägypten allerdings nichts zu tun haben. Experten vermuten eher, dass Bevölkerungswachstum, Städtebau, die Zerstörung von Lebensräumen und aktive Jagd zum Ende des Heiligen Ibis in Ägypten führten.