Drei kleine Fläschchen mit der Aufschrift COVID-19 und eine Spritze.
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Weltweit suchen Pharmaunternehmen nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus.

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So läuft das Milliarden-Rennen um einen Corona-Impfstoff

Erste Pharmakonzerne testen nun Corona-Impfstoffe an zehntausenden Menschen. Wann mit Ergebnissen gerechnet wird, was die aussichtsreichsten Kandidaten sind – und wie sich Staaten bereits jetzt hunderte Millionen an Impfdosen vorab sichern.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Die Pharmaindustrie forscht weltweit mit Hochdruck an einem Mittel gegen das Coronavirus. Laut WHO werden aktuell 23 potenzielle Impfstoffe bereits an Menschen getestet, fünf davon inzwischen in groß angelegten Studien mit tausenden Probanden. Zugleich sichern sich einzelne Staaten schon mal vorab hunderte Millionen Impfdosen und legen dabei Milliardenbeträge auf den Tisch – auch wenn keiner der Kandidaten bislang die wichtige klinische Phase III bestritten hat.

USA sichern sich Impfstoffe mit Lieferverträgen

Die USA haben inzwischen schon erste Lieferverträge etwa mit dem US-Konzern Pfizer oder der britischen AstraZeneca unterschrieben. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, gestalten sich die Verhandlungen der EU-Kommission mit diversen Pharma-Unternehmen über die Versorgung mit Corona-Impfstoffen schwierig. Insidern zufolge hake es noch bei einigen Themen, etwa dem Preis, Zahlungsmodalitäten oder Haftungskosten.

Die EU spricht mit mindestens sechs Impfstoff-Herstellern dazu zählen die Pharmakonzerne Pfizer, Sanofi, Johnson&Johnson, aber auch Biotech-Firmen wie Moderna und CureVac. Trotz des Zeitdrucks im Rennen um die erfolgversprechendsten Impfstoffe gegen das Coronavirus schaffe es die EU nicht, diese Vereinbarungen schnell zu schließen, hieß es bei den mit den Gesprächen vertrauten Personen, so Reuters.

Wie die Corona-Impfstoffe getestet werden

Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein Prozess, der mehrere Phasen durchlaufen muss: In klinischen Studien der Phase I wird die Sicherheit eines Arzneimittels erstmals an einer kleinen Gruppe gesunder Menschen getestet, die sich freiwillig zur Verfügung stellt. In Phase-II-Studien mit meist 100 bis 300 Teilnehmern wird getestet, wie sicher ein Medikament ist und wie gut es wirkt. Danach kann Phase III folgen, mit tausenden Probanden. Sie ist das letzte Stadium der klinischen Entwicklung eines jeden Medikaments, bevor bei den Behörden ein Antrag auf Zulassung gestellt werden kann.

Die aussichtsreichsten Impfstoff-Kandidaten

AstraZeneca: Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet den Impfstoff-Kandidat, der von dem britischen Pharmakonzern zusammen mit der Universität Oxford entwickelt wird, als einen der führenden Kandidaten im globalen Wettlauf gegen die Corona-Pandemie. Er befindet sich in der klinischen Studie der Phase III und wird in Großbritannien, Brasilien und in Südafrika getestet. Eine weitere Studie soll bald in den USA starten. Der Wirkstoff mit dem Namen AZD1222 hat in einem Test mit mehr als 1000 Freiwilligen positive Ergebnisse erzielt – die Probanden bildeten Antikörper und sogenannte T-Zellen, die die Immunabwehr unterstützen. Dabei traten keine ernsthaften Nebenwirkungen auf. Der Wirkstoff verwendet ein modifiziertes Erkältungsvirus, um genetisches Material vom neuen Coronavirus in den menschlichen Körper zu transportieren – eine Methode, die auch Wettbewerber anwenden. Der Impfstoff könnte den Forschern zufolge zum Jahresende bereitstehen. Die USA haben inzwischen schon einen Liefervertrag mit AstraZeneca unterschrieben, ebenso Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande. Der Vertrag der vier EU-Länder sieht bis zu 400 Millionen Dosen Impfstoff vor, der ausgehandelte Preis pro Dosis liegt bei 2,50 Euro.

Biontech und Pfizer: Die beiden Unternehmen haben den Impfstoff-Kandidaten BNT162b2 entwickelt, der bei einer insgesamt 60 Personen umfassenden Studie der Phase I und II zur Bildung von Antikörpern und T-Zellen bei den Probanden führte. Die Mainzer von Biontech und der US-Pharmakonzern starteten inzwischen eine breitangelegte, globale Studie zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes mit mehr als 30.000 gesunden Menschen im Alter von 18 bis 85 Jahren. Bei einem Erfolg soll im Oktober ein Zulassungsverfahren beantragt werden. Die Partner setzten dabei auf einen Impfstofftyp, der Ribonukleinsäure (RNA) verwendet. Dieser chemische Botenstoff weist Körperzellen an, Proteine zu produzieren, die die äußere Oberfläche des Coronavirus nachahmen. Der Körper erkennt diese virusähnlichen Proteine als Eindringlinge und kann dann eine Immunantwort gegen das eigentliche Virus auslösen. Sollte die breitere Studie erfolgreich verlaufen und der Impfstoff die behördliche Zulassung erhalten, wollen Biontech und Pfizer noch bis Ende 2020 bis zu 100 Millionen Impfstoffdosen produzieren. Die USA haben bereits mit Pfizer einen Liefervertrag unterschrieben. Die EU verhandelt mit den beiden Firmen über insgesamt 500 Millionen Dosen. Einem Insider zufolge wollen Pfizer und Biontech, dass die EU diese erst bezahlen, wenn der Impfstoff zugelassen ist. Das eliminiere zwar das Risiko, falls das Mittel in den klinischen Tests floppe. Die EU befürchte aber, dass der Preis für die Dosen im Falle der Zulassung drastisch steige. So bezahlen die USA ihrem Deal mit Pfizer zufolge fast zwei Milliarden Dollar für 100 Millionen Dosen – aber erst, wenn das Mittel zugelassen ist. Die fast 40 Dollar pro Dosis hielten die EU-Verhändler für zu hoch, erläutert ein Vertreter.

Moderna: Der US-Biotechkonzern hatte als erstes Unternehmen Mitte März eine klinische Studie der Phase I mit einem potenziellen Impfstoff auf mRNA-Basis gestartet. Bei allen 45 Freiwilligen, die an der Untersuchung teilnahmen, habe der Impfstoff eine Immunantwort hervorgerufen, teilte Moderna Mitte Juli mit. Nun begann eine entscheidende Wirksamkeitsstudie der Phase III mit 30.000 Teilnehmern. Getestet wird in 30 US-Bundesstaaten, darunter die vom Virus stark betroffen Staaten Texas, Kalifornien und Florida. Erste Ergebnisse könnten möglicherweise im November vorliegen. Die US-Regierung unterstützt das Projekt mit nahezu einer Milliarde Dollar.

Sinovac: Der chinesische Impfstoffentwickler befindet sich mit seinem potenziellen Wirkstoff gegen das Coronavirus ebenfalls in der klinischen Phase III. Tests mit tausenden Freiwilligen laufen in Brasilien, einem der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Mehr als zwei Millionen Menschen haben sich dort mit Corona infiziert, mehr als 80.000 Menschen sind im Zusammenhang mit der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Der Gouverneur von Sao Paulo, Joao Doria, erklärte, die Produktion des Impfstoffes könne Anfang nächsten Jahres beginnen, falls die Tests erfolgreich verliefen.

Sinopharm: Der staatliche chinesische Biotechkonzern hat Mitte Juli in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 15.000 Freiwilligen mit der Phase-III-Studie begonnen. Dabei setzt die Firma auf einen inaktivierten Impfstoff, also auf abgetötete Krankheitserreger. Diese werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem an, damit Antikörper und T-Zellen gebildet werden. Solche Impfstoffe kommen unter anderem gegen Influenza und Masern zum Einsatz.

Johnson&Johnson: Der Pharma- und Konsumgüterkonzern will Tests mit seinem potenziellen Corona-Impfstoff am Menschen in dieser Woche starten, im September dann eine Phase-III-Studie. Die US-Regierung fördert die Entwicklung und Produktion des Mittels, das ebenfalls abgeschwächte Viren als Anreger für die Bildung von Antikörpern benutzt, mit einer Milliarde Dollar. Das Unternehmen ist auch mit Japan, der Europäischen Union und der Bill and Melinda Gates Stiftung in Gesprächen über eine Liefervereinbarung. Die Verhandlungen der EU mit Johnson&Johnson seien schon weit fortgeschritten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Aber es gebe ein Hin- und Her darüber, wer die Haftung übernehme, wenn die Impfung unerwartete Nebenwirkungen auslöse.

Curevac: Der Tübinger Impfstoffentwickler hat im Juni mit der klinischen Erprobung seines Covid-19-Impfstoffkandidaten begonnen. Ergebnisse daraus erwartet das Unternehmen im vierten Quartal 2020. Bis Mitte nächsten Jahres soll der Impfstoff marktreif sein, wenn alle Studien erfolgreich sind. Die Tübinger setzen bei ihren Forschungsarbeiten ebenfalls auf Impfstoffe auf Basis der sogenannten Boten-RNA(mRNA). Anfang März hatte US-Präsident Donald Trump den damaligen Curevac-Chef und weitere Pharmavertreter ins Weiße Haus eingeladen, um sich über die Impfstoffsuche zu informieren. Kurz darauf gab es Wirbel um die Firma mit Sitz in Tübingen. Medienberichten zufolge versuchte Trump, den Impfstoff exklusiv für sein Land zu sichern und bot dafür einen hohen Betrag, was für Empörung sorgte. Der Hauptinvestor von Curevac, SAP-Gründer Dietmar Hopp, dessen Beteiligungsgesellschaft die Mehrheit am Unternehmen hält, lehnte jedoch sowohl einen Verkauf als auch eine Exklusivproduktion für Trump vehement ab. Danach stieg der Bund über die staatliche Förderbank KfW bei der Firma ein.

CanSino Biologics: Der chinesische Entwickler hat in einer strategischen Partnerschaft mit einem chinesischen Forschungsteam sowie der Oxford University zusammengearbeitet. Die britischen und chinesischen Experten forschen an ähnlichen Impfstoffen gegen das Coronavirus und haben Mitte Juli die ersten vorsichtig optimistisch stimmenden Ergebnisse ihrer klinischen Tests in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "The Lancet" vorgestellt. Der Impfstoff war gut verträglich und es bildeten sich Antikörpern, die zu einer Immunisierung gegen Covid-19 führen könnten. Auf chinesischer Seite will CanSino Biologics den Impfstoff-Kandidaten nach den vielversprechenden Testdaten der Studie weiterentwickeln. Der Kandidat Ad5-nCOV wurde bereits an 508 Probanden getestet und zeigte eine Wirkung bei den meisten der Freiwilligen. Rund 77 Prozent hatten leichte Nebenwirkungen wie Fieber oder eine Reizung der Einstichstelle. Der Impfstoff verwendet ein modifiziertes Erkältungsvirus, um genetisches Material vom neuen Coronavirus in den menschlichen Körper zu transportieren, eine Methode, die auch im britischen AstraZeneca-Impfstoff verwendet wird. Allerdings zeigte die Studie auch, dass Personen, die zuvor schon einmal mit diesem spezifischen Virus infiziert worden waren, eine gedämpfte Reaktion aufwiesen. Bevor der Wirkstoff als Medikament in großen Mengen produziert werden darf, müssen die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen weiter erforscht werden. Erst nach einer Phase-III-Studie mit einer großen Anzahl von Teilnehmern und weiteren Vorkehrungen, um fehlerhafte Ergebnisse auszuschließen, ist eine massenhafte Anwendung möglich. Sollte sich dann der Wirkstoff als wirksam erweisen, sei dies laut der an dem Projekt beteiligten Forscherin Sarah Gilbert von der Universität Oxford eine "vielversprechende Option", da sich diese Art von Impfstoffen leicht in großem Maßstab herstellen lasse.

Novavax: Das von der US-Regierung finanzierte Covid-19-Prevention-Network will bis zum Herbst jeden Monat eine Studie mit einem führenden Impfstoff-Kandidaten beginnen, jede mit 30 000 neuen Freiwilligen. Im August soll der Test des Impfstoffs aus Oxford beginnen, im September ein Test eines Kandidaten von Johnson & Johnson und ab Oktober will das amerikanische Biotechunternehmen Novavax seinen Impfstoff-Kandidaten in einer großen klinischen Studie der entscheidenden Phase III testen. 1,6 Milliarden Dollar steuert Washington zur Entwicklung und Produktion dieses Coronavirus-Impfstoffs bei. Die US-Regierung sicherte sich damit 100 Millionen Impfdosen, wie das Gesundheitsministerium in Washington mitteilte. Erste klinische Versuche mit dem experimentellen Impfstoff namens NVX-CoV2373 hatten im Mai begonnen.

Inovio: Der US-Pharmakonzern hat in einer frühen Studie vielversprechende Ergebnisse erzielt. Der Impfstoff INO-4800 rief bei 34 der 36 gesunden Freiwilligen im Alter von 18 bis 50 Jahren Immunantworten hervor. Die erste Phase der klinischen Tests werde nun um ältere Versuchsteilnehmer erweitert. Noch im Sommer soll die zweite Phase starten. Nach Angaben von Inovio wird die Entwicklung des DNA-Impfstoffes jetzt auch von einem US-Regierungsprogramm gefördert, das zum Ziel hat, bis Anfang 2021 hunderte Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus zu produzieren.

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