Bocca Grande, Solfatara di Pozzuoli
Bildrechte: picture alliance / NurPhoto | Paolo Manzo

Der Krater Solfatara nahe der Stadt Pozzuoli ist einer der Eruptionsherde in den Phlegräischen Feldern.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Supervulkan bei Neapel: Sorge vor einem Ausbruch steigt

Unter den Phlegräischen Feldern in Süditalien brodelt es. Zuletzt gab es dort wieder Erdstößen, eine Bedrohung für Hunderttausende Menschen im Großraum Neapel. Zugleich zeigt eine Studie: Die Erdkruste über dem Supervulkan wird schwächer.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Westlich von Neapel erstrecken sich die Phlegräischen Felder über eine Fläche von mehr als 150 Quadratkilometern. Zuletzt bebte dort wiederholt die Erde, Anfang Oktober war es ein Erdstoß der Stärke 4,0. Es sei nicht zu Schäden oder Verletzten gekommen, allerdings habe das Beben für Panik unter den Bewohnern gesorgt, erklärte der italienische Zivilschutz.

Erdkruste zum Zerreißen gedehnt

Die Sorgen der Menschen in der Region kommen nicht von ungefähr. Im Gebiet der Phlegräischen Felder leben heute rund 360.0000 Menschen, im Großraum der Metropolitanstadt Neapel rund drei Millionen. Eine Studie, die Forscher des UCL (University College London) und des italienischen Nationalen Forschungsinstituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in der Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment veröffentlicht haben, kommt zu dem Schluss: Teile der die Phlegräischen Felder sind so weit gedehnt, dass sie kurz davor sind, zu brechen. Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler mithilfe eines am UCL entwickelten Modells, mit dem sie Muster der Erdbeben und der Bodenhebungen interpretierten.

Hauptautor Christopher Kilburn (UCL Geowissenschaften) sagt: "Unsere neue Studie bestätigt, dass sich die Phlegräischen Felder einem Bruch nähern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Eruption garantiert ist. Der Bruch könnte einen Riss durch die Kruste öffnen, aber das Magma muss noch an der richtigen Stelle nach oben gedrückt werden, damit es zu einer Eruption kommt."

Zwei Drittel des Supervulkans unter Wasser

Auf den ersten Blick erscheinen die Phlegräischen Felder unspektakulär oder sogar pittoresk, doch sie zählen zu den Supervulkanen. Heiße Gase wie Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid entweichen an vielen Stellen an die Oberfläche, auch Wasserdampf und an Thermalquellen heißes Wasser. Rund zwei Drittel liegen vor der Küste unter Wasser am Meeresboden.

Im Gegensatz zu anderen Vulkanen entsteht, wenn diese ausbrechen, kein kegelförmiger Berg, sondern ein riesiger Kessel, die Caldera. Bei den Phlegräischen Feldern beträgt deren Durchmesser zwischen 12 und 14 Kilometer.

Modell erstmals in Echtzeit angewendet

Das Modell des UCL, das auf der Physik des Zerbrechens von Gestein beruht, sei hier zum ersten Mal in Echtzeit auf einen Vulkan angewendet worden, erklären die Wissenschaftler. "Wir haben das Modell zum ersten Mal im Jahr 2017 eingesetzt, und seitdem haben sich die Phlegräischen Felder so verhalten, wie wir es vorhergesagt haben, mit einer zunehmenden Anzahl kleiner Erdbeben, die auf Druck von unten hinweisen."

Nicola Alessandro Pino vom Vesuv-Observatorium für das INGV in Neapel fügt an: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Teile des Vulkans schwächer werden. Das bedeutet, dass er brechen könnte, obwohl die Spannungen, die ihn auseinanderziehen, geringer sind als bei der letzten Krise vor vierzig Jahren."

Dutzende von Eruptionsherden

Über das Gebiet der Phlegräischen Felder sind Dutzende von Eruptionsherden verteilt, darunter etwa der Krater Solfatara in der Nähe der Stadt Pozzuoli. Diese wurde in den vergangenen sieben Jahrzehnten um vier Meter in die Höhe gehoben. So lange ist die Erde in den Phlegräischen Feldern bereits unruhig. In den 1950er-, 1970er- und 1980er-Jahren gab es Unruhe-Phasen, die jeweils rund zwei Jahre dauerten, und eine schwächere Phase im vergangenen Jahrzehnt. Zehntausende kleinerer Erdbeben ereigneten sich in dieser Zeit.

Die stärkste Eruption ereignete sich vor rund 40.000 Jahren. Einen weiteren großen Ausbruch gab es vor etwa 15.000 Jahren. Vulkanisch aktiv waren die Phlegräischen Felder zuletzt im Jahr 1538. Die Eruption dauerte acht Tage und hinterließ unter anderem einen neuen Berg von 133 Meter Höhe, den Monte Nuovo.

Im Audio: Phlegräische Felder - Droht ein Ausbruch des Supervulkans?

Bocca Grande, Solfatara di Pozzuoli, Italy im Juni 2017
Bildrechte: picture-alliance/dpa
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Der Krater Solfatara nahe der Stadt Pozzuoli ist einer der Eruptionsherde in den Phlegräischen Feldern.

Auch kleine Eruptionen können großen Schaden anrichten

Nicht nur ein großer Ausbruch wie vor 40.000 oder 15.000 Jahren könnte katastrophale Folgen haben. Auch kleinere Eruptionen würden in einer so dicht besiedelten Gegend wahrscheinlich großen Schaden anrichten. Denn Magma kann in Kombination mit Wasser Explosionen hervorrufen, die zerstörerische Druckwellen auslösen und Gesteinsbomben kilometerweit schleudern können.

In den letzten zehn Jahren hob sich der Boden unter Pozzuoli jährlich um etwa zehn Zentimeter. Zum ersten Mal seit Mitte der 1980er-Jahre wurden auch anhaltende kleine Erdbeben registriert. Im April wurden mehr als 600 registriert, die bisher höchste Zahl pro Monat. Diese Störung wurde durch die Bewegung von Flüssigkeiten etwa drei Kilometer unter der Oberfläche verursacht. Bei einem Teil der Flüssigkeiten könnte es sich um geschmolzenes Gestein oder Magma handeln, bei einem anderen um natürliches vulkanisches Gas. Die jüngste Phase der Unruhen wird wahrscheinlich durch magmatisches Gas verursacht, das in Lücken im Gestein eindringt und die drei Kilometer dicke Kruste wie ein Schwamm ausfüllt. Die Erdbeben entstehen, wenn Verwerfungen (Risse) aufgrund der Dehnung der Kruste nachgeben. Das Muster der Erdbeben von 2020 deutet darauf hin, dass das Gestein unelastisch reagiert, indem es eher bricht als sich biegt.

Ausbruch nicht unvermeidlich

In ihrer Arbeit erklären die Wissenschaftler, dass die Auswirkungen der vergangenen Unruhe-Phasen seit den 1950er-Jahren kumulativ sind, also sich angehäuft haben. Das bedeutet: Einem eventuellen Ausbruch könnten nun relativ schwache Signale wie eine geringere Bodenanhebung und weniger Erdbeben vorausgehen. Dies war etwa der Fall bei der Eruption der Rabaul-Caldera in Papua-Neuguinea im Jahr 1994. Dieser gingen kleine Erdbeben voraus, die nur ein Zehntel so häufig auftraten wie während einer Krise ein Jahrzehnt zuvor.

Das Forscher-Team betont jedoch, dass bei den Phlegräischen Feldern eine Eruption nicht unvermeidlich sei. Stefano Carlino vom Vesuv-Observatorium meint: "Das ist bei allen Vulkanen so, die seit Generationen ruhig sind. Die Phlegräischen Felder könnten in eine neue Routine des sanften Auf- und Abschwellens übergehen, wie dies bei ähnlichen Vulkanen auf der ganzen Welt der Fall ist, oder einfach zur Ruhe kommen. Wir können noch nicht mit Sicherheit sagen, was passieren wird. Wichtig ist, dass wir auf alle Entwicklungen vorbereitet sind."

Im Video: Gut zu wissen - Gibt es Vulkane in Bayern?

Blubbernder Sumpf durch geologische Aktivität nahe der bayerisch-tschechischen Grenze.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Gut zu wissen: Gibt es Vulkane in Bayern?

Dieser Artikel ist erstmals am 18. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!