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Männer erkranken häufig und schwerer an Covid-19

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Mehr Männer als Frauen sterben an Covid-19

Die Zahlen zeigen es immer deutlicher: Weltweit erkranken Männer schwerer an Covid-19 und sterben häufiger an diesem Coronavirus als Frauen. Dafür gibt es noch keinen eindeutigen Grund, aber erste Vermutungen.

Daten der Forschungsinitiative Global Health 50/50 aus mehr als 20 Ländern bestätigen, dass Frauen sich ähnlich häufig mit SARS-CoV-2 infizieren, aber bei der Sterberate liegen Männer mit zwei Dritteln weit voraus. In Deutschlands Kliniken gab es deutlich mehr männliche Covid-19-Patienten, betont Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie an der München-Klinik Schwabing. Er hatte bereits im Februar die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt. Auch Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) sagt: „Es sind definitiv mehr Männer betroffen“.

Doppelte Sterblichkeitsrate bei Männern

Der täglich aktuelle Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts belegt ebenfalls, dass bei der Betrachtung aller Altersgruppe bis hin zu den 70- bis 79-Jährigen mindestens doppelt so viele Männer wie Frauen an Covid-19 verstorben sind. Das waren in Deutschland 1.345 Männer und 655 Frauen bei den 70- bis 79-Jährigen. Erst ab der Altersgruppe der 90- bis 99-Jährigen kehrt sich dieses Verhältnis um. Womöglich, weil es mehr Frauen in diesem hohen Alter gibt. Trotzdem ist mit Blick auf die Gesamtstatistik die Frage, warum die geschlechtsspezifischen Unterschiede so deutlich sind?

Entscheidender Faktor: ungesunde Lebensweise und Ernährung

Erste Vermutungen führen Wissenschaftler auf den unterschiedlichen Lebensstil zurück. Gerade Männer der älteren Generation haben häufiger Vorerkrankungen, die auf eine ungesunde Lebensweise und Ernährung zurückzuführen sind. Dazu zählt auch das Rauchen. Eine Studie aus China wies darauf hin, dass Raucher schlechtere Prognosen haben, wenn sie an Covid-19 erkranken. In China rauchen mehr Männer als Frauen und demzufolge erklärten sie die hohe Sterblichkeit im Zusammenhang mit Rauchen.

Männer haben mehr ACE2-Rezeptoren

Ein weiterer wesentlicher Grund für den geschlechtsspezifischen Unterschied und das höhere männliche Sterberisiko könnte jedoch auch am sogenannten ACE2-Rezeptor liegen. Er ist dafür verantwortlich, dass das SARS-CoV-2-Virus in die Lunge eindringen kann. Der ACE2-Rezeptor ist ein Enzym, das in Lunge, Niere, Blutgefäßen, Herz und Magen-Darm-Trakt auftritt. Bei durch Coronaviren ausgelösten Krankheiten wie einfachen Erkältungen, Covid-19, SARS und MERS dient das Enzym als Eintrittspforte. Es hilft den Viren, in die Zelle zu gelangen und sich dort zu vermehren. Das Team des University Medical Center Groningen in den Niederlanden untersuchte zunächst den Zusammenhang von ACE2-Rezeptoren und chronischer Herzinsuffizienz. Sie stellten dabei einen deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschied fest. Sie konnten belegen, dass das Gen für ACE-2 in den Hoden vermehrt aktiv ist, aber einen Grund für die höhere Konzentration konnten die Forscher nicht ausmachen.

Höheres Risiko durch Herzkreislauf-Erkrankung

Unklar ist nun, ob ACE-Hemmer, also Medikamente, die bei hohem Blutdruck eingesetzt werden, die Bildung von ACE2-Rezeptoren vermehren und Patienten dann anfälliger für eine Infektion sind. Für Bernhard Zwißler, Direktor der Klinik für Anästhesiologie an der Uniklinik der LMU München, wäre das durchaus möglich, doch bewiesen ist dieser Zusammenhang bisher noch nicht. Schließlich sind Herzkreislauf-Erkrankungen selbst ein Risiko an Covid-19 zu erkranken und gerade Männer sind davon stärker betroffen, sagt Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Doch die Wissenschaftler betonen, dass es für Interpretationen noch zu früh ist, dafür stehen die Forschungen erst am Anfang.

Schützende Wirkung durch Östrogene

Neben dem ACE-2 Rezeptoren sehen Expertinnen und Experten noch einen weiteren wesentlichen Grund für unterschiedliche Verläufe einer Covid-19 Erkrankung: im weiblichen Hormon Östrogen. Es könnte eine große Rolle spielen, wenn es um die schützende Funktion einer Infektion geht und erklären, warum Frauen anders auf eine Viruserkrankung reagieren. Der erhöhte Östrogenspiegel unterstützt eine schnellere Immunabwehr und reagiert sofort auf die Entzündung. Der Nachteil ist allerdings, dass Frauen dafür anfälliger für Auto-Immunerkrankungen sind, bei denen das Immunsystem überschießt und eigene Zellen angreift. Paradoxerweise ist so eine überschießende Immunreaktion auch eine bekannte Komplikation bei Covid-19 und kann zu einem Multi-Organversagen führen.

Fazit: Weltweite Studien zeigen eindeutig geschlechtsspezifische Unterschiede beim Verlauf einer Covid-19 Erkrankung. Viele Forschungen sind noch nicht abgeschlossen. Doch diese ersten Ergebnisse bestätigen auch, wie wichtig eine geschlechtsspezifische medizinische Behandlung sein kann.