Bereits in den 1970er-Jahren wurden zwei Schädel im Apidima-Höhlenkomplex in Südgriechenland ausgegraben. Nach ihrem Fundort erhielten sie die Namen Apidima 1 und Apidima 2.
Forscher der Universität Tübingen und Griechenland untersuchten nun mit modernen Methoden die beiden Fossile und stellten überraschend fest, dass sie nicht aus ähnlichen Zeiträumen stammen können, obwohl sie in unmittelbarer Nähe gefunden wurden. Die Analyse von Apidima 1 offenbarte sogar ein erstaunliches Alter von 210.000 Jahren. Aufgrund seiner Kopfform und im Vergleich mit anderen Fundstücke ordneten ihn die Wissenschaftler einer frühen Form des Homo sapiens zu: Der Schädel stammt demnach vom frühesten modernen Menschen, der außerhalb von Afrikas gefunden wurde.
Diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die menschliche Evolution. Die Ergebnisse der Analyse wurden am 10. Juli im Fachblatt Nature veröffentlicht.
Rekonstruktion und Originalfund des Apidima 2 - Schädels
Datierung durch 3-D-Rekonstruktion der Schädel
Mit dem bildgebenden Verfahren der Computertomographie erstellten die Paläoanthropologin Katerina Harvati-Papatheodorou und ihr Team von der Universität Tübingen eine virtuelle Rekonstruktion der beiden Schädel. In einer 3-D Animation konnten sie die fehlende Teile ergänzen und ihre Form mit bereits bekannten Arten vergleichen.
Weitere Analyseverfahren wie die radiometrische Datierungsmethode, bei der die Zerfallsraten kleinster Teile auf das Alter der Knochen schließen lassen, unterstützen die neuen Erkenntnisse: Der Schädel Apidima 1 stammt nicht von einem Neandertaler, wie zuerst vermutet, sondern ist wesentlich älter. Aufgrund seiner Merkmale wie dem gerundeten Hinterkopf ordnen ihn die Wissenschaftler einer frühen Form des Homo sapiens zu, mit einem Alter von 210.000 Jahren.
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Der Schädel von Apidima 2 gehört nach den Analysen seiner Kopfform mit einer typischer Hinterhaupts- und Überaugenwulste und seiner Altersbestimmung sehr wahrscheinlich einem Neandertaler. Er lebte demnach 40.000 Jahre später.
Homo sapiens war früher in Europa als bisher angenommen
Apidima 1 ist damit älter als jedes andere Fundstück eines Homo sapiens, das außerhalb Afrikas gefunden wurde. Bisherige Homo sapiens-Fund in Europa sind 150.000 Jahre jünger. Demnach war der moderne Mensch doch früher von Afrika nach Europa unterwegs als bisher angenommen.
"Wir gehen davon aus, dass die frühe Population anatomisch moderner Menschen - repräsentiert durch Schädel Apidima 1 - wie im Nahen Osten von Neandertalern abgelöst wurde". Prof. Dr. Katerina Harvati, Eberhard Karls Universität Tübingen
Die Forscher vermuten, dass vor dem Neandertaler bereits eine frühe Form des Homo sapiens existierte, die auf den Neandertaler traf. Wobei sich dann der Neandertaler durchsetzte, was durch den Apidima 2-Fund begründet werden kann. Erst bei der nächsten größeren Einwanderungswelle des Homo sapiens vor über 40.000 Jahren wurde der Neandertaler in Europa endgültig verdrängt. Das lässt sich durch Funde von Steinwerkzeugen aus dieser Zeit belegen. Etwa in dieser Zeit starben die Neandertaler aus.
Menschliche Evolution ist noch komplexer
Vermutlich gab es mehrere Wanderungen des modernen Menschen von Afrika nach Europa. Funde in Israel waren bislang die frühesten Beweise für die Existenz des Homo sapiens außerhalb Afrikas vor über 200.000 Jahren. Die Funde in Griechenland belegen eine erste Verbreitungswelle einer Frühform des modernen Menschen bis nach Südosteuropa.
Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen, zum Beispiel wie weit der Homo sapiens nach Europa gekommen ist, was die Migration ausgelöst hatte und was mit den frühen Homo sapiens-Arten tatsächlich passiert ist. Mit weiteren Funden wird die Menschheitsgeschichte vermutlich immer wieder neu geschrieben.