Senioren-Paar (Symbolbild)
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Gemeinsam einsam? Was Demenz mit Paaren macht

Die Diagnose Demenz stellt das Leben eines Paares auf den Kopf. Nicht nur körperlich ist die Pflege eine Herausforderung. Anders als bei anderen Krankheiten verliert der Partner auch sein Gegenüber. Die Paarbeziehung verändert sich.

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Seit mehr als 14 Jahren ist Elisabeths Mann demenzkrank. Seit mehr als zwei Jahren ein Pflegefall. Inzwischen ist ihr Mann fast 91 Jahre alt. Die beiden wohnen nach wie vor zusammen zu Hause. Die Beziehung als Paar habe sich natürlich verändert, berichtet Elisabeth, die wesentlich jünger als ihr Mann ist. Sie sei jetzt mehr Aufsichtsperson, Pflegerin oder Mutter, nicht mehr die Partnerin. Trotzdem kann sie sagen:

"Im ganzen Leben hat er mir kein unschönes Wort gegeben, das mache ich aus Liebe, wir lachen viel, wir machen Musik, da fühlt er sich wohl und dann fühle ich mich auch wohl." Elisabeth, die ihren dementen Mann pflegt

"Man muss akzeptieren, dass alles anders ist"

Man müsse natürlich akzeptieren, dass alles anders sei. Das war schwierig, sagt Elisabeth, aber man wachse daran. Alles ist jetzt gut organisiert. Die Pflege, der Alltag. Und wenn ihr Mann schläft, dann macht Elisabeth Sachen für sich.

Wenn sie wegen ihrer Situation bemitleidet wird, ärgert sie das. "Es ist nicht negativ, er gibt so viel zurück", sagt sie und betont, dass sie sich überhaupt nicht einsam fühle. "Ich hab noch viel Arbeit, ich gehe mit meiner Freundin laufen, dann gehe ich in die Gymnastikgruppe. Und in der Mittagspause schaue ich Netflix und da freue ich mich und denke mir, geht es mir gut!"

"Manchmal kriegt man eine Wut, je nach Tagesform"

Auch der Mann von Eva aus München ist dement. Aber erst seit etwa einem Jahr merkt man es im Alltag. Er ist im Gegensatz zu Elisabeths Mann noch mobil. Und wenn sie beispielsweise einkaufen geht, kann die Münchnerin ihn auch noch alleine zu Hause lassen, am besten vor dem Fernseher.

Zwei Tage die Woche geht Evas Mann in die Tagespflege. Da hat sie Zeit für sich und kann sich mit Freundinnen treffen, ins Kino oder in die Stadt gehen. "Mittlerweile sage ich mir, ist halt so, kannst nichts machen, er kann nichts dafür. Manchmal kriegt man eine Wut, je nach Tagesform, aber so ist es halt."

Sie habe schon immer viel, auch alleine, unternommen. Das mache ihr nichts aus. Was ihr fehle, sind gemeinsame Erinnerungen: "Ich rede ja auch mit ihm, aber ich weiß, alles ist weg – und ich bin immer noch überrascht darüber." Vor fünf Jahren habe es angefangen, dass er sich nicht erinnern konnte. Und es werde immer weniger.

Wenn die Enkelin zu Besuch kommt, freut sich Eva, dass sie mal ganz normal mit jemandem reden kann. Auch ihre Töchter unterstützen sie. Und einmal im Monat geht sie zur Gesprächsgruppe in die Fachstelle für pflegende Angehörige der Diakonie in München.

Weiße Trauer: Abschiednehmen zu Lebzeiten

Angela Danquwah arbeitet hier seit 20 Jahren. Demenz sei auch ein Verlust von Gemeinsamkeiten, sagt sie, von einem ganzen Leben. "Wenn man so alleine ist, und das nichts mehr teilen kann, dann ist das schon ein Abschiednehmen zu Lebzeiten." Weiße Trauer, nennen das die Fachleute: das Abschiednehmen zu Lebzeiten.

So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich der Umgang mit der Krankheit und der neuen Lebenssituation, weiß Angela Danquwah. Für viele sei es schwer, die Krankheit des Partners zu akzeptieren. Sie würden sich schämen, wollten es nicht wahrhaben, sagt sie. Dabei sei es noch viel mehr Stress, wenn man immer so tun müsse, als ob alles in Ordnung ist.

Meist sind es die Frauen, die den dementen Partner zu Hause pflegen. 75 Prozent der pflegenden Angehörigen sind weiblich. Viele, die zu Angela Danquwah kommen, sind nicht so offen wie Eva. Sie kommen erst zur Beratung, wenn sie nicht mehr können oder in einem schlechten körperlichen und seelischen Zustand sind.

Sich zu erlauben, Zeit für sich zu nehmen, an sich zu denken, ist für diese Frauen oft ein schwieriger Prozess, sagt Angela Danquwah. Und sich auch einzugestehen, dass man sich alleine fühlt: "Wenn man mit der Pflegesituation alleine ist, also diese Einsamkeit zu zweit, das ist sehr schwierig."

Alleine – mit den Erinnerungen, den Sorgen, den Entscheidungen

Wenn der Partner nicht mehr der Partner ist, der er war, wenn das Gegenüber fehlt, ist man zwar nach wie vor zu zweit, aber irgendwie doch alleine. Mit den Erinnerungen, mit den Sorgen des Alltags, mit den Entscheidungen. Gibt es noch Momente, in denen man sich als Paar, als Ehefrau fühlt?

"Nein, da fällt mir eigentlich nichts ein", sagt Eva. "Es plätschert so dahin, und ich bin froh, wenn er in der Tagespflege ist und ich kann meine Beine hochlegen." Einen Wunsch hat sie: Sie würde gerne mal ein paar Tage wegfahren. Aber wie soll das gehen? Angela Danquwah von der Diakonie verspricht, ihr bei der Organisation zu helfen.

Elisabeth, deren Mann schon mehr als 14 Jahre dement ist, ist in all diesen Fragen sozusagen schon Profi. "Wenn ich einmal ein paar Tage weg will, dann habe ich eine Krankenschwester, die bleibt auch über Nacht. Ich habe eine Annonce aufgegeben. Da gibt es Leute, die das machen. Und dann habe ich zwei, drei Tage ganz für mich."

Kraft tanken, auch an sich denken und andere Leute treffen – all das ist wichtig, um den Alltag mit einem dementen Partner auf lange Sicht gesund durchzuhalten.

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