Tür mit einem Schild "Covid19" - Eingang zu einer Intensivstation
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Eingang zu einer Intensivstation mit Covid19-Patientinnen und -Patienten

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#Faktenfuchs: Wer zählt als Corona-Patient?

Internetnutzer behaupten, die Coronapatienten auf den Intensivstationen seien gar nicht an Covid-19 erkrankt. Verzerren positiv getestete, aber symptomlose Intensivpatienten die Statistik? Ein #Faktenfuchs.

Die Krankenhaus-Ampel in Bayern steht seit dem 9. November auf Rot und damit auf der höchsten Alarmstufe. "Die rote Stufe gilt, sobald landesweit mehr als 600 Intensivbetten mit Covidpatienten belegt sind." So fasst es die Bayerische Staatsregierung in einer Pressemitteilung zusammen. Schon zuvor hatten Kliniken vermeldet, an der Belastungsgrenze angekommen zu sein. Mittlerweile können einige Kliniken keine neuen Patienten aufnehmen, Notärzte warnen vor Triage.

  • Was man unter "Triage" versteht können Sie hier nachlesen.

Ein Leser schrieb dem #Faktenfuchs, dass "in Querdenkerkreisen" derzeit eine Behauptung “kursiere”, wonach auch Patienten in Krankenhäusern als Covid-Patienten gezählt würden, die einen positiven Corona-Test hätten, aber wegen einer anderen Erkrankung dort wären. So sollen etwa Verunfallte, die zwar einen positiven Test aber keine Covid-Symptome haben, in die Statistik eingehen, die zu der roten Ampel und somit zu schärferen Maßnahmen führe. Der Leser fragt: "Stimmt das?"

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Eine Mail an den BR24 #Faktenfuchs

Auch auf Twitter verbreitet sich die Behauptung. So schreibt eine Userin, ein Großteil der Coronapatienten auf der Intensivstation sei "nur zufällig positiv getestet" und liege gar nicht wegen einer Covid-Erkrankung dort.

Reicht ein positiver Test, um als "Coronapatient" gezählt zu werden?

Wer gilt als "Covidpatient?" Muss ein Betroffener tatsächlich auch wegen einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus liegen, um in der Krankenhausampel erfasst zu werden? Oder reicht dafür ein positives Testergebnis aus? Der #Faktenfuchs hat nachgefragt.

Wie viele der Intensivbetten belegt und wie viele frei sind, erfasst das DIVI-Intensivregister. Auf der Website ist aufgeschlüsselt, wann ein Patient als Corona-Intensivpatient in die Statistik eingeht. Dort heißt es in den FAQs:

"Dabei sollen auch entisolierte COVID-19-Patienten (trotz nun negativem PCR-Test) in die Zählung einbezogen werden, die weiterhin in Folge ihrer COVID-Erkrankung intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Dies gilt auch für Patienten, die einen positiven PCR-Test haben, aber nicht erkrankt sind (weil z.B. geimpft) und wegen eines anderen Leidens intensivmedizinisch behandelt werden."

Für die Kapazitäten ist der Behandlungsgrund nicht entscheidend

Es stimmt also, dass auf den Intensivstationen alle Personen mit positivem Corona-Test als Covidpatienten gelten – auch wenn sie unter Umständen wegen einer anderen Erkrankung behandelt werden. Ein Sprecher des DIVI-Intensivregisters bestätigte dies auf #Faktenfuchs-Anfrage. Allerdings, so führte er weiter aus, spiele der konkrete Behandlungsgrund für die Erfassung der Kapazitäten in den Krankenhäusern keine Rolle:

"Tatsächlich gelten als intensivmedizinisch behandelte Covid-19-Fälle alle Personen, die einen positiven Test aufweisen. Für die Kapazitäten selbst ist die Unterscheidung aber nachrangig. Ein Patient mit positivem Covid-Test, der ursächlich aus anderen Gründen intensivmedizinisch behandelt wird, hat nicht nur ein viel höheres Risiko für einen schweren Verlauf, sondern muss ebenfalls z.B. von anderen Patienten isoliert werden." (Stellungnahme des DIVI-Intensivregisters)

Ein Sprecher des Bayerischen Gesundheitsministeriums erklärt die Situation ähnlich. In einer schriftlichen Antwort auf eine #Faktenfuchs-Anfrage weist er darauf hin, "dass auch die Behandlung eines mit SARS-CoV-2-infizierten Patienten, der nicht vorrangig wegen seiner COVID-19-Erkrankung stationär behandelt werden muss, aus Hygiene- und Infektionsschutzgründen dennoch mit einem erheblichen Zusatzaufwand einhergeht und entsprechend mehr Kapazitäten (räumlich und personell) bindet".

Dies gelte insbesondere auch für intensivmedizinisch zu behandelnde Patienten mit einem positiven COVID-19-Nachweis, die keine COVID-19 typischen Symptome hätten. Denn auch von symptomlosen SARS-CoV-2-infizierten Patienten gehe eine Infektionsgefahr für andere Patienten und das Personal aus, heißt es in der Antwort. "Stationär behandlungsbedürftige Patienten stellen eine besonders vulnerable Personengruppe dar, die entsprechenden Schutz benötigt. Das Risiko neuer Ausbruchsgeschehen muss soweit wie möglich minimiert werden." Die Berücksichtigung symptomloser Patienten mit positiven COVID-19-Nachweis helfe entsprechend, die Situation in den Kliniken realistischer einzuschätzen.

Mit anderen Worten: Es ist laut Gesundheitsministerium und laut DIVI-Register für die Situation auf den Intensivstationen nicht entscheidend, ob eine Person "mit", oder ob sie "wegen" Covid-19 dort liegt. Sie beansprucht einen "Coronaplatz", weil sie ansteckend ist und isoliert werden muss, und geht deswegen auch als "Covidpatient" in die Statistik ein.

Wie viele der Coronapatienten haben keine Coronasymptome?

Der #Faktenfuchs hat außerdem nachgefragt, wie oft es vorkommt, dass ein Patient bzw. eine Patientin etwa wegen eines Unfalls auf die Intensivstation muss und zusätzlich mit einem positiven Corona-Test die Zahl der Coronapatienten erhöht. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft hält den Anteil solcher Fälle an der Gesamtzahl für "vernachlässigbar gering", ohne aber konkrete Zahlen zu nennen. Auch das DIVI-Intensivregister erfasst nicht gesondert, wie viele coronapositive, aber symptomlose Intensivpatienten in die Statistik eingehen. Allerdings, so teilt ein Sprecher mit, würden einzelne Ärzte den Anteil in ihren Kliniken auf „höchstens im einstelligen Prozentbereich“ schätzen.

Ein Großteil der Corona-Intensivpatienten muss beatmet werden

Eine andere Zahl liegt dem Intensivregister dagegen vor: Die der Corona-Intensivpatienten, die maschinell beatmet werden müssen. Dieser Anteil liege zum Zeitpunkt der #Faktenfuchs-Anfrage am 10. November bei 74 Prozent. Das zeigt laut einem Sprecher, dass ein sehr großer Teil der gemeldeten Covidpatienten und -patientinnen tatsächlich aufgrund einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivstation liege.

Fazit:

Jeder mit Corona infizierte Intensivpatient geht als "Coronapatient" in die Statistik ein, auch wenn er oder sie wegen etwas anderem behandelt wird. Damit wird die Hospitalisierungsrate laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft und laut dem Bayerischen Gesundheitsministerium allerdings nicht verfälscht, denn die Konsequenz sei dieselbe: Eine Person beansprucht einen "Corona-Platz" im Krankenhaus; sie ist ansteckend, muss isoliert werden und bedarf besonderer Pflege. Außerdem ist der Anteil der Personen, der aufgrund eines medizinischen Notfalls auf der Intensivstation behandelt werden muss, und zusätzlich symptomlos mit Covid19 infiziert ist, laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft "vernachlässigbar gering". Laut DIVI-Intensivregister müssen etwa drei Viertel der Corona-Intensivpatienten maschinell beatmet werden. Das mache deutlich, dass diese Personen wegen einer Corona-Infektion dort behandelt würden.

Disclaimer 24. November, 12:25 Uhr: Die Zahl der maschinell beatmeten Personen auf der Intensivstation wurde konkretisiert.

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