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Zigaretten auf einem Abfallbehälter

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#faktenfuchs: Warum erkranken noch so viele an Lungenkrebs?

Vor sieben Jahren hat Bayern das strenge Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten beschlossen. Die Zahl der Erkrankungen an Lungenkrebs hat sich trotzdem kaum verändert. Warum? Von Jenny Stern

Sieben Jahre striktes Rauchverbot in Bayern - und trotzdem erkranken pro Jahr unvermindert Tausende Menschen an Lungenkrebs: Mit dieser These äußert ein BR24-Nutzer Zweifel daran, dass die bösartige Krankheit tatsächlich durch das Rauchen ausgelöst werde. Er schreibt auf Facebook unter einen Artikel zum Jubiläum des Verbots: "Wenn dann bald gar keiner mehr raucht und die Anzahl der Lungenkrebse immer noch gleich ist - wer bekommt dann die Schuld?"

Gegensätzlicher Trend: weniger Männer, mehr Frauen

Aktuelle valide Zahlen zu Krebserkrankungen liefert das Bayerische Krebsregister, eine untergeordnete Behörde des Bayerischen Gesundheitsministeriums. Demnach starben im Jahr 2014 in Bayern mehr als 5.000 Menschen an Lungenkrebs, davon über 3.000 Männer und knapp 2.000 Frauen. Neu festgestellt wurde die Krankheit bei etwa 3.400 Männern und fast 2.000 Frauen.

Männer erkranken und sterben zwar häufiger an Lungenkrebs - die beiden Geschlechter nähern sich aber allmählich an. Denn während die Erkrankungs- und Sterberate bei Männern in Bayern seit einigen Jahren gering rückläufig ist oder zumindest stagniert, holen die Frauen kontinuierlich auf. In Deutschland ist dieser gegensätzliche Trend sogar noch eindeutiger. Für den Präsidenten der Bayerischen Krebsgesellschaft, Günter Schlimok, gibt es für diese Entwicklung vor allem einen Grund: "Das hat ganz eindeutig mit dem Rauchverhalten zu tun." Der Zigarettenkonsum sei bei Männern seit Jahrzehnten leicht zurückgegangen, bei den Frauen bis vor kurzer Zeit aber noch gestiegen.

Effekt eventuell in 20 bis 30 Jahren sichtbar

Der größte Risikofaktor für Lungenkrebs ist das Rauchen, da sind sich die Wissenschaftler einig. "Man weiß, dass 80 Prozent aller Lungenkarziome mit dem Rauchen zusammenhängen", sagt Schlimok, der fast 20 Jahre als Chefarzt am Klinikum Augsburg gearbeitet hat. Er erklärt, dass es sich bei Krebs um eine genetische Erkrankung handelt: Durch das Rauchen entstehen Schäden an der Schleimhaut der Bronchien. Um sich zu regenerieren, müssen sich die Zellen der Schleimhaut teilen. Ist die Schleimhaut aber durch den Rauch gereizt, können genetische Defekte entstehen. "Jeder Tumor entsteht also durch kleinste genetische Defekte, die zu unkontrolliertem Wachstum führen", so der Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft.

Lungenkrebs hat eine Vorlaufzeit, er entsteht während eines Raucherlebens über Jahrzehnte. Um eine Veränderung bei den Krebserkrankungen feststellen zu können, würden zehn Jahre ohne Rauch also nicht ausreichen, sagt Schlimok. Den möglichen Effekt eines Verbots würde man also erst zeitversetzt bemerken:

"Ich gehe davon aus, dass sich der Effekt des Rauchverbots in 20 bis 30 Jahren bemerkbar machen wird."

Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft, Günter Schlimok

Raucher und Lungenkrebs: Bayern unter bundesweitem Schnitt

Aber auch dann wird der Effekt laut der Bayerischen Krebsgesellschaft schlecht messbar sein. Denn ein Verbot in Gaststätten führe nicht automatisch dazu, dass jemand auch zu Hause mit dem Rauchen aufhöre. Einen Vorteil habe die Diskussion um ein Verbot aber allemal gehabt: Vor allem bei jungen Leuten hat die Kampagne gegen das Rauchen zu einem erhöhten Gesundheitsbewusstsein geführt.

Ob seit der Einführung des Rauchverbots tatsächlich weniger Menschen in Bayern zur Zigarette greifen, beleuchten Zahlen des Landesamts für Statistik: Demnach rauchte im Jahr 2003 noch jeder vierte Bayer, also 25 Prozent der Bevölkerung. Diese Zahl sank bis zum Jahr 2009 leicht auf 24 Prozent und erreichte 2013 ihren bisher niedrigsten Wert mit 22 Prozent. Damit liegt Bayern - wie bei den Erkrankungen für Lungenkrebs - unter dem bundesweiten Schnitt. Das Bayerische Gesundheitsministerium und das Krebsregister Bayern stellen deshalb einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Rauchverhalten und Lungenkrebs her:

"Die Neuerkrankungsraten und Sterblichkeit an Lungentumoren liegen in Bayern deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Dies lässt sich unter anderem durch den in Bayern im Vergleich zu Deutschland niedrigeren Tabakkonsum erklären."

Bayerisches Krebsregister, Jahresbericht 2014

Gastronomen noch immer kritisch

Viele Wirte bangten bei der Einführung des Rauchverbots um die bayerische Geselligkeit und befürchteten Einbußen. Laut dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband steigerte die Gastronomie seit 2007 jedoch ihren Umsatz. Während große Restaurants mehr einnahmen, gingen vor allem kleine Kneipen als Verlierer hervor. Viele davon mussten am Ende schließen.

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