Immer häufiger tragen Menschen auf der Straße oder beim Einkaufen dünne Einmalhandschuhe, um sich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen.
- Dieser Artikel stammt aus 2020. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier
"Medizinische Handschuhe sind eine hygienische Sauerei"
Auf Twitter wandte sich Marc Hanefeld, Allgemeinmediziner aus Bremervörde, in deutlichen Worten gegen den Einsatz solcher Handschuhe im Alltag:
Dieser Tweet erhielt mehrere Tausend Retweets und Likes. Der #Faktenfuchs klärt über die hygienischen Aspekte bei der Verwendung von Einmalhandschuhen auf.
Viren verbreiten sich zwar in erster Linie über eine Tröpfcheninfektion, dennoch ist auch eine sogenannte Schmierinfektion denkbar, wenn auch eher unwahrscheinlich. Wenn eine infizierte Person niest oder hustet, können die Coronaviren beispielsweise auf Obst, Gemüse oder den Griff eines Einkaufswagens gelangen und dort eine Zeit lang überleben.
Fasst eine andere Person diese Dinge kurz danach an, gelangen die Viren auf ihre Hände. Wenn sich diese Person dann mit der Hand ins Gesicht fasst, können die Erreger an die Schleimhäute der Nase, des Mundes oder des Auges gelangen, was theoretisch zu einer Infektion mit dem Coronavirus führen könnte.
Verwendung von Einmalhandschuhen in der Medizin
Einmalhandschuhe gibt es sowohl aus Naturlatex als auch aus synthetischem Latex wie zum Beispiel Nitril. Sie werden auch als medizinische Handschuhe bezeichnet, weil Ärzte und Pflegepersonal solche Handschuhe verwenden.
Prinzipiell sind medizinische Handschuhe zum Eigenschutz da. Hygieniker empfehlen das Tragen solcher Handschuhe immer dann, wenn ein Kontakt mit Blut, Sekreten oder kontaminierten Gegenständen wahrscheinlich ist. Die medizinischen Einmalhandschuhe sollen verhindern, dass Bakterien oder Viren in Kontakt mit der Haut gelangen.
Einmalhandschuhe: Gedacht zum einmaligen Gebrauch
Speziell in Krankenhäusern gibt es die Richtlinie, dass Ärzte oder Pflegefachkräfte nach jedem Patienten den Handschuh ausziehen, entsorgen und sich die Hände desinfizieren. Wie der Name schon sagt, sind die Handschuhe für einen einmaligen Gebrauch gedacht.
Auch neue Handschuhe können Löcher haben
Aber selbst bei sachgemäßem Gebrauch liefern medizinische Handschuhe keine hundertprozentige Sicherheit. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass bestimmte Bakterien und Viren auch unbenutzte Latex-Handschuhe durchdringen können.
Darüber hinaus können auch neue Handschuhe kaum sichtbare Löcher haben, durch die Bakterien oder Viren auf die Haut gelangen können. Diese Gefahr steige durch eine mechanische Beanspruchung, sagt Ingo Johnscher, Facharzt für Hygiene vom Klinikum Nürnberg, zu BR24. Heißt: Je länger die Handschuhe im Einsatz sind, desto eher reißen sie ein.
Im "Handschuhsaft" gedeihen Bakterien besonders gut
Wer Einmalhandschuhe unsachgemäß verwendet, setzt sich einem großen Risiko aus. Denn je länger ein Einmalhandschuh im Einsatz ist, desto mehr Keime sammeln sich auf dessen Oberfläche. Während man sich die Hände einfach waschen oder desinfizieren kann, hängt das bei Einmalhandschuhen von ihrem Material ab. Nicht jeder Handschuh verträgt alkoholische Desinfektionsmittel.
Und was passiert im Handschuh? Wenn man im Alltag Gummihandschuhe längere Zeit trägt, beginnen die Hände zu schwitzen. "In diesem ‘Handschuhsaft‘ können sich Bakterien vermehren, aber auch Viren gut halten", so Johnscher. Um so wichtiger sei es, sich nach dem Ausziehen die Hände gut zu waschen oder zu desinfizieren.
"Handschuhe bieten keine größere Sicherheit als eine gut gewaschene oder desinfizierte Hand.“ Ingo Johnscher, Facharzt für Hygiene
Handschuhe vermitteln falsches Sicherheitsgefühl
Der Facharzt für Hygiene hält Einmalhandschuhe für ein zweischneidiges Schwert: "Sie können zwar eine Kontamination der Haut mit Bakterien oder Viren verhindern, das Problem ist aber, dass sie eine Sicherheit vermitteln, die so nicht gegeben ist."
Auch Handschuhe können Keime aufnehmen. Wer sich dann mit dem kontaminierten Handschuh ins Gesicht fasse, könne die Krankheitserreger in die Schleimhäute bringen und sich so mit dem Coronavirus infizieren.
Besser Mundschutz als Handschuhe
Daher empfiehlt Johnscher, zum Schutz vor Infektionen statt Handschuhen lieber einen Mundschutz zu verwenden.
"Ein Mundschutz verhindert, dass man sich an Mund und Nase fasst, weil eben eine Barriere dazwischen ist. Man ist sich dessen bewusster, insofern gibt es auch einen gewissen Eigenschutz." Ingo Johnscher, Hygienearzt
Fazit
Einmalhandschuhe sind prinzipiell geeignet, um den Kontakt von Bakterien und Viren mit der Haut zu verhindern. Allerdings sollte man sie nur einmal verwenden und sie danach sachgerecht entsorgen. Hygieniker raten dazu, sich direkt danach die Hände zu desinfizieren. Bei unsachgemäßer Verwendung schützen Einmalhandschuhe hingegen nicht vor Viren und Bakterien.
Zudem können Einmalhandschuhe ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Wer sich mit einem keimbelasteten Handschuh ins Gesicht fasst, läuft Gefahr, sich zu infizieren. Deswegen ist es ratsamer, statt Handschuhen besser einen Mundschutz zu tragen.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass sich Viren auf schwitzender Haut gut vermehren können. Das gilt nur für Bakterien. Viren müssen eine andere Zelle befallen, um sich vermehren zu können. Viren können sich auf schwitzender Haut aber gut halten.
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