Ein Zahn mit einer quecksilberhaltigen Amalgan-Füllung
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Amalgam für Zahnfüllungen enthält Quecksilber. Die EU-Kommission wird es voraussichtlich 2025 verbieten. Was spricht für Amalgam, was dagegen?

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Amalgam für Zahnfüllungen: Was dafür und was dagegen spricht

Jahrzehntelang wurde gestritten, ob Amalgam für Zahnfüllungen genutzt werden soll. Ab Januar 2025 ist die Quecksilber-Legierung nun voraussichtlich verboten. Doch was sind die Vorteile von Amalgam und warum ist es eine Gefahr für die Gesundheit?

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Im Juli 2023 hat die EU-Kommission beschlossen: Ab dem 1. Januar 2025 ist der Einsatz von Zahn-Amalgam in der Europäischen Union nicht mehr erlaubt. So steht es in der überarbeiteten Quecksilberverordnung, der noch das Europäische Parlament und der Europäische Rat zustimmen müssen. Damit endet ein langer Streit um Amalgam und seine Vor- und Nachteile.

Amalgam seit gut 200 Jahren im Einsatz

Klar ist: Quecksilber ist hochgradig giftig für Menschen. Das Schwermetall kommt natürlicherweise in unterschiedlichen chemischen Formen vor. Auch in einer flüssigen Variante, die, vermischt mit anderen Metallen, zu Amalgam wird. Dieses Metallgemisch nutzen Zahnärzte und Zahnärztinnen seit gut 200 Jahren erfolgreich, um durch Karies entstandene Löcher in den Zähnen zu schließen.

Aber das ist seit einigen Jahren umstritten: "Hauptsächlich spricht dagegen, dass Amalgam zu 50 Prozent aus Quecksilber besteht und Quecksilber einer der giftigsten Stoffe weltweit ist. Es stellt nicht nur für die Patienten, sondern auch für Zahnärzte und besonders auch die Zahnarzthelferinnen, aber auch für die Umwelt ein Risiko dar. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass es verboten wird", erklärt Florian Schulze von der IG Umwelt-Zahnmedizin, einer Verbraucherschutzorganisation, die sich den Kampf gegen Amalgam auf die Fahnen geschrieben hat.

Giftigkeit von Amalgam ist schwer nachweisbar

Quecksilber ist schon in relativ geringen Mengen tödlich. Erschwerend kommt hinzu: Wird es aufgenommen, beispielsweise durch den Verzehr von Fisch, reichert es sich im Körper an und schädigt ihn. Dieser Umstand ist nicht strittig.

Anders beim Amalgam: Hier gehen die Meinungen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen darauf zurückzuführen sind, massiv auseinander. Manche halten Amalgam für unschädlich, andere berichten von Nierenschäden, Konzentrationsstörungen, Migräne oder Leberschäden. Dafür aber gebe es keine wissenschaftlichen Belege, sagt Prof. Thomas Beikler von der Universitäts-Zahnklinik in Hamburg. Es existierten einfach keine Daten, die das eindeutig belegen können: "Natürlich wissen wir, dass Quecksilber akut vergiftend sein kann. Wenn Sie große Mengen Quecksilber aufnehmen, ist das nicht besonders glücklich, denn dann haben Sie akute Vergiftungserscheinungen."

Aber dass Amalgamfüllungen über Jahrzehnte einen Menschen chronisch schädigen, sei schwierig nachzuweisen: "Das bedeutet die jahrzehntelange Beobachtung eines Menschen. Und dann darauf zurückzuschließen, dass es genau dieser Schadstoff war, ist extrem schwierig. Das ist die große Problematik, die wir dabei haben."

Quecksilber reichert sich in der Umwelt an

Insgesamt 40 Tonnen Quecksilber werden EU-weit geschätzt allein jedes Jahr für Zahnfüllungen verbraucht. Diese Menge müsse drastisch reduziert werden, um zu verhindern, dass sich immer mehr Quecksilber in der Umwelt anreichert und damit auch in unserer Nahrungskette. Deshalb gibt es den Vorstoß der EU-Kommission, die Herstellung, den Export und die Verwendung von Quecksilber zu verbieten.

Ob der Verbrauch von Quecksilber in der EU tatsächlich noch so hoch ist, ist allerdings nicht ganz klar, erklärt Florian Schulze: "Die Zahlen sind etwas umstritten. Die 40 Tonnen, die angegeben werden, sind Zahlen, die auf Schätzungen beruhen. Es gab Untersuchungen von 2012, in denen man erforscht hat, wie viel Amalgam noch verwendet wird. In Ländern wie Frankreich oder Polen rund 40 Prozent. Aber mittlerweile glaubt man, dass es zurückgegangen ist."

Giftige Dämpfe während der Zahnbehandlung

Viele Länder wie zum Beispiel Polen haben in den vergangenen Jahren Amalgamfüllungen verboten. Auch in Deutschland füllen Zahnärzte die Löcher immer seltener mit Amalgam, nämlich nur noch in rund 5 Prozent aller Fälle. Trotzdem begrüßt auch Thomas Beikler von der Universitäts-Zahnklinik in Hamburg den Vorstoß der EU-Kommission: "Was gegen den Einsatz von Amalgam spricht, ist die Quecksilberbelastung. Diese Belastung entsteht allerdings beim Patienten zum Zeitpunkt des Setzens, also das heißt das Legen der Füllung, respektive beim Entfernen der Füllung. Denn dabei entstehen Quecksilberdämpfe, das ist problematisch."

Dass die Dämpfe gesundheitsgefährdend sind, ist mittlerweile erwiesen. Sie wirken toxisch auf das zentrale Nervensystem und die Nieren. Auch deshalb ist es bereits seit 2018 in der EU verboten, Kinder unter 15 Jahren oder schwangere und stillende Frauen mit Amalgam zu behandeln.

Amalgam: zwar praktisch, aber ästhetisch out

Trotzdem hat das silberfarbene Metall auch treue Fans: Denn Amalgam ist relativ einfach zu bearbeiten, kostet wenig und ist sehr robust. Außerdem war es jahrzehntelang das einzige Füllmaterial, das die Krankenkassen komplett bezahlten. Das hat sich inzwischen geändert, so wie auch die Akzeptanz in der Bevölkerung, sagt Thomas Beikler: "Dazu kommt natürlich, dass in der heutigen Zeit eine Fokussierung auf Äußerlichkeiten zu bemerken ist. Und da muss man sagen, dass sich die Akzeptanz bei den Patienten im Laufe der letzten Jahrzehnte so entwickelt hat, dass es gar nicht mehr angenommen wird."

Denn Füllungen wollen die meisten Menschen mittlerweile weder in Silber noch in Gold haben, sondern in der Zahnfarbe. Auch das sei eine gute Grundlage für das Verbot von Amalgam, meint er, zumal es mittlerweile günstige Ersatzstoffe gibt, die die Lücken genauso gut füllen können wie das umstrittene Amalgam.

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