Wirecard-Logo auf einem Bürogebäude
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Wirecard-Prozess: Das Schweigen des Marsalek-Verteidigers

Im Wirecard-Prozess hat das Landgericht München heute den Verteidiger des flüchtigen Ex-Vorstands Marsalek als Zeugen vorgeladen. Der Anwalt schwieg zwar, eine wichtige Erkenntnis hat sein sehr kurzer Auftritt trotzdem gebracht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Rechtsanwalt Frank Eckstein sitzt nur wenige Minuten auf dem Zeugenstuhl im Verhandlungssaal des Landgerichts München. Zur Sache äußert sich der Verteidiger von Jan Marsalek im Wirecard-Prozess nicht. Er beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Und trotz dieses extrem kurzen Auftritts gibt es eine wichtige Erkenntnis: Der Jurist steht offensichtlich weiterhin mit dem seit Juni 2020 untergetauchten Ex-Wirecard-Vorstand in Kontakt.

Anfang Juli dieses Jahres hatte sich Marsalek in einem über seinen Rechtsanwalt an das Gericht übermittelten achtseitigen Schreiben in den laufenden Prozess eingeschaltet und unter anderem wesentlichen Teilen der Anklage widersprochen. So sei die "Grundthese der Staatsanwaltschaft, dass es sich bei dem sogenannten Third Party Acquiring (TPA) Geschäft um eine reine Fiktion gehandelt hat", falsch, so Marsalek damals.

Marsalek-Anwalt muss sich mit seinem Mandanten abstimmen

Dieses Schreiben will Richter Markus Födisch verlesen, sagt er dann zu dem vor ihm sitzenden Frank Eckstein. Vorher fragt er ihn, ob Marsalek ihm dafür die Freigabe erteilt habe. Der in einem blauen Anzug gekleidete Verteidiger verneint das, und er ergänzt: "Da muss ich mit meinem Mandanten Rücksprache halten." Diese Rücksprache sicherte er bis Weihnachten zu. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Kammer Eckstein in Kürze erneut vorladen wird.

Der ehemalige Wirecard-Vorstand wird in Moskau vermutet. Dorthin hatte sich Marsalek während des Zusammenbruchs des Aschheimer Zahlungsdienstleisters von einem Kleinflughafen nahe Wien über Weißrussland abgesetzt. Wenige Tage später, am 25. Juni 2020, meldete Wirecard Insolvenz an. 1,9 Milliarden Euro, die für Wirecard auf einem Treuhandkonto verwahrt werden sollten, waren nicht auffindbar.

Wirecard-Prozess läuft seit einem Jahr

Fast auf den Tag genau seit einem Jahr läuft am Landgericht München der Prozess um einen der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik. Angeklagt sind der frühere Vorstandschef Markus Braun, der ehemalige Chef-Buchhalter Stephan von Erffa sowie Wirecards Ex-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus. Die Staatsanwaltschaft München I wirft ihnen unter anderem Marktmanipulation und bandenmäßigen Betrug vor. Bellenhaus gilt als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft und sitzt, wie auch Braun, seit über drei Jahren in Untersuchungshaft.

Dreh- und Angelpunkt des Skandals und des Prozesses ist weiterhin die Frage, ob es das Wirecard-Geschäft mit seinen ausländischen Drittpartnern Al Alam, Payeasy und Senjo tatsächlich gegeben hat. In einer heute verlesenen Stellungnahme betonte Bellenhaus abermals, dieses Geschäft sei frei erfunden gewesen. Von dieser These sind auch die Staatsanwaltschaft und der Wirecard-Insolvenzverwalter überzeugt.

Braun-Verteidiger greift Staatsanwaltschaft abermals scharf an

Braun-Verteidiger Alfred Dierlamm legte dem Gericht einen weiteren umfangreichen Beweisantrag vor, um zu belegen, dass eine Bande um Bellenhaus und Jan Marsalek Wirecard zustehende Gelder aus echtem Drittpartnergeschäft in ausländische Briefkastenfirmen umgeleitet habe. Wie zuvor schon mehrfach geschehen, griff Dierlamm die Staatsanwaltschaft dabei erneut scharf an.

So habe sie in einer kürzlichen Stellungnahme zu einem weiteren Beweisantrag der Braun-Verteidigung "praktisch ausnahmslos Sachverhalte verfälscht oder verdreht". Dass sich Markus Braun, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet, als Opfer "stilisiere", sei eine "unwürdige und polemische Verdrehung der Tatsachen". "Herr Dr. Braun hat sich zu keiner Zeit als Opfer stilisiert, sondern macht von seinem Recht Gebrauch, sich gegen die unbegründeten Anklagevorwürfe zu verteidigen", so Dierlamm weiter.

Der Wirecard-Prozess geht am morgigen Donnerstag mit der Vernehmung der nächsten Zeugen weiter. Mit einem Urteil in diesem bisher beispiellosen Verfahren ist nicht vor Mitte/Ende 2024 zu rechnen.

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