Zugreisende gehen an Zügen der Deutschen Bahn im Münchner Hauptbahnhof vorbei.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel

Zugreisende gehen an Zügen der Deutschen Bahn im Münchner Hauptbahnhof vorbei.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Vorerst keine Streiks: Schlichtung bei der Bahn hat begonnen

In geheimer Klausur soll jetzt der Tarifstreit bei der Bahn geklärt werden. An einem unbekannten Ort hat die Schlichtung begonnen. Zwei Wochen sind dafür eingeplant. Es geht dabei vor allem um drei Knackpunkte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bei der Bahn hat das Schlichtungsverfahren mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) begonnen. Als Schlichter sind Heide Pfarr (SPD) und Thomas de Maizière (CDU) im Einsatz. Bis Ende Juli soll verhandelt werden. Dann sollen die Mitglieder der EVG über das Verhandlungsergebnis abstimmen. Bis Ende August sind damit Streiks ausgeschlossen.

Wo sie zusammensitzen ist nicht bekannt. Und auch über das, was da irgendwo hinter verschlossenen Türen zwischen den beiden Schlichtern und je fünf Vertretern von Bahn und Gewerkschaft besprochen wird, soll nichts an die Öffentlichkeit dringen. In Ruhe will man versuchen, einen Schlichterspruch zu finden. Dem müssen dann die Gremien bei der Bahn und die Mitglieder der Gewerkschaft absegnen.

Bis Ende August keine Streiks zu erwarten

Fahrgäste können erst einmal aufatmen. Während der Schlichtung gilt Friedenspflicht. Die soll bis 31. Juli laufen. Danach nimmt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft ihre unterbrochene Urabstimmung wieder auf. Stimmen die Mitglieder mit über 75 Prozent für einen Streik, dann ist der Schlichterspruch abgelehnt. Ende August ist mit einem Ergebnis zu rechnen. Bis dahin will die Gewerkschaft nicht streiken.

In den meisten Bundesländern sind die Ferien dann schon vorüber – in Bayern allerdings nicht. Sollte der Schlichterspruch von den EVG-Mitgliedern also nicht angenommen werden, müssten sich Last-Minute-Ferienreisende oder Rückkehrer eine Alternative überlegen. Doch noch ist auch die Gewerkschaft verhalten optimistisch, den Tarifkonflikt mit Hilfe der Schlichter lösen zu können – heißt es auf Nachfrage aus dem Vorstand.

Schlichter müssen vor allem drei Sachverhalte klären

Sie saßen oft am Verhandlungstisch beieinander. Doch in mehr als 100 Stunden Verhandlung und trotz zweier Warnstreiks gelang kein Kompromiss. Trotzdem müssen die beiden Schlichter nicht bei Null anfangen. Im Streit um Eingruppierungen – also wie welcher Beschäftigte bei einer konkreten Tätigkeit bezahlt werden muss – liegt bereits ein Papier auf dem Tisch, das sowohl Gewerkschaft als auch die Bahn annehmen würden. Bleibt der Streit in drei Punkten:

  • 650 Euro, mindestens aber 12 Prozent mehr Lohn fordert die EVG. Die weiß natürlich, dass sie das nicht so bekommen wird. Tarifergebnisse sind immer Kompromisse. 400 Euro in zwei Schritten bot die Bahn zuletzt – das ist aber weniger als die 420 Euro, die die EVG jetzt mit privaten Betreibern ausgehandelt hat. Bei der Deutschen Bahn wird die EVG sich damit aber kaum begnügen. Denn in der Pandemie hatten die Beschäftigten sich mit nur einer kleinen Erhöhung zufriedengegeben, um Arbeitsplätze zu sichern. Einen Teil davon wollen sie jetzt als Nachschlag.
  • Die Laufzeit beträgt im Angebot der Bahn 27 Monate – also weit mehr als die zwölf Monate, die die Gewerkschaft fordert. Sollen es im Tarifvertrag mehr sein, dann müsste die Bahn in puncto Lohnprozente drauflegen.
  • Ab Dezember ist die Bahn bisher bereit, die Einkommen der Beschäftigten in einem ersten Schritt anzuheben. Das ist der Gewerkschaft angesichts der weiter steigenden Preise zu spät. Die ebenfalls angebotene Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro in zwei Schritten reicht ihr nicht. Diese Einmalzahlung hebt die Verdienste, wie der Name schon sagt, nicht auf Dauer – so die Kritik der EVG.

Schlichtung als Erfolgsmodell

Ob eine Schlichtung gelingt, hängt auch sehr von der Person des Schlichters ab, hier von Heide Pfarr und Thomas de Maiziere. Beide kennen sich aus in der Tarifwelt. Der CDU-Politiker war selber als Innenminister damit betraut. Die SPD-Politikerin war unter anderem Direktorin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Allerdings ist das Konstrukt Deutsche Bahn schwer zu durchschauen. Von Vorteil ist, dass die Schlichtung vom Arbeitgeber und der Gewerkschaft gewollt und nicht zwangsweise vorgeschrieben ist. Und zwei Schlichter bringen den Vorteil mit sich, dass keine Seite sich zu wenig vertreten fühlt. Die Schlichtung kann aber auch scheitern. Bei der Bahn war das 2020 zuletzt der Fall.

GDL als Gewerkschafts-Konkurrent im Hintergrund

Ein Ergebnis mit der EVG bringt noch kein Ergebnis für alle Beschäftigten. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) tritt seit Jahren in Konkurrenz zur EVG an und organisiert schon lange nicht mehr nur die Lokführer. Sie verhandelt erst im Herbst mit der Bahn – hat aber mitten in der jetzigen Tarifrunde schon einmal gesagt, was aus ihrer Sicht angesagt ist: 555 Euro Einkommensplus und eine 35- statt einer 38-Stunden-Woche – so eine der Forderungen.

Das ist mehr als die EVG gefordert hatte. Ob die GDL das auch am Ende umsetzen kann, muss sie erst noch beweisen. Die Bahn dürfte kein Interesse daran haben, bei den Beschäftigten zu differenzieren. Aber eines hat die GDL zum Leidwesen viele Fahrgäste schon mehrfach bewiesen: dass sie durchaus gewillt ist zu streiken. Das wäre dann ab Oktober möglich.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!