Rentner sieht in eine leere Geldbörse, dahinter eine trockene Scheibe Brot (gestelltes Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / Ulrich Baumgarten

Rentner sieht in eine leere Geldbörse, dahinter eine trockene Scheibe Brot (gestelltes Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Ungleiche Vermögen: Ärmere Menschen stark von Rente abhängig

Sollte es zu Rentenkürzungen kommen, sei die ärmere Hälfte der Bevölkerung davon sehr stark betroffen, so das "Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung" (DIW) in einer Studie zur Vermögensverteilung in Deutschland.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wie sieht es aus bei der Vermögensverteilung in Deutschland? Es kommt darauf an, ob man die Ansprüche auf gesetzliche Rentenzahlungen bei der Vermögensmessung mit berücksichtigt oder nicht, so das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Wenn man beim Berechnen des Gesamtvermögens die späteren Rentenansprüche mit dazu zählt, sieht es vor allem für ärmere Menschen besser aus. Bei Wohlhabenden ist die Auswirkung nicht so deutlich sichtbar. Das ist logisch und trotzdem ist interessant, was es in Zahlen ausgedrückt bedeutet.

DIW: Rente ist für viele Menschen wichtiger Vermögensteil

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat es ausgerechnet und festgestellt, dass die ärmere Hälfte der Bevölkerung zu 70 Prozent auf ihre Rente angewiesen ist. Die aktuellen Rentenansprüche in Höhe von 7,5 Billionen Euro seien zwar viel Geld, sie stünden bei jedem zweiten Menschen aber für einen Großteil seines Gesamtvermögens. Ohne Rente gerechnet besitzt die Hälfte der Menschen in Deutschland nur 2,0 Prozent des Vermögens, mit Rente sind es immerhin 9,2 Prozent.

Auch Mittelschicht mit Rente bessergestellt

Entsprechend verschieben sich die Anteile der vermögenderen Menschen. Nicht nur die untere Hälfte, auch die Mittelschicht profitiert stark von den gesetzlichen Rentenbeiträgen. Bei der Oberschicht bleiben die Vermögensverhältnisse mit und ohne Rente ausgewogener, wobei hier ein höherer Immobilienbesitz mit reinspielt. Und bei dem einen Prozent der reichsten Menschen sinkt der Anteil am Gesamtvermögen nach den DIW-Berechnungen von 30 auf etwa 20 Prozent, weil diese häufig keine zusätzliche Rentenversorgung hätten.

Ungewöhnliche Messmethode: Sind Rentenansprüche Vermögen?

Es ist aber umstritten, ob man Ansprüche auf spätere Renten zu anderen Vermögenswerten, die jederzeit verfügbar sind, wie etwa Geld oder Aktien, einfach dazuzählen darf.

Die meisten anderen Vermögens-Statistiken tun das jedenfalls in der Regel nicht. Bei einigen Banken ist es sogar üblich, die selbstgenutzte Immobilie beim Kernvermögen nicht zu berücksichtigen, was eine weitere Verschärfung wäre. Die Bundesbank wiederum konzentriert sich allein auf das Geldvermögen ohne Immobilien, was sehr stark eingeschränkt ist. Ein Grund mag sein, dass es nicht einfach ist, über den Immobilienbesitz eine gesicherte Bewertung zu bekommen. Kontostände, Depotauszüge oder Rückkaufswerte von Kapitallebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen sind für die Bundesbank dagegen relativ einfach zu ermitteln.

Kritik: Rentenansprüchen fehlt Verfügbarkeit

Zentraler Punkt für übliche Vermögensaufstellungen, die anders rechnen als die DIW-Studie, ist die Verfügbarkeit. Über Vermögen sollte man selbstbestimmt verfügen können. Notfalls geschieht das mit Verlust oder mit Abstrichen bei der Rendite, etwa in ungünstigen Marktlagen, aber ein Verkauf sollte grundsätzlich schon möglich sein. Persönlich erworbene Rentenansprüche lassen sich dagegen genauso wenig weiterverkaufen wie ein Beschäftigungsanspruch beim Arbeitgeber.

Auch bei der eigenen und selbst genutzten Immobilie kann man den Vermögenswert bezogen auf die Verfügbarkeit zumindest in Zweifel ziehen. Es ist ja so, dass die Eigentümer ohne ihre Wohnung nicht auf der Straße sitzen wollen und deshalb bei einer Verwertung etwas anderes kaufen oder mieten müssen. Hochwertige Einfamilienhäuser spiegeln dabei meist den sonstigen Lebensstandard des Eigentümers wider, der sich bei einem Umzug in eine einfachere Wohnung dann eben verschlechtern würde.

Dasselbe gilt für viele Guthaben bei Versicherungen oder Pensionskassen, die sich nicht vorzeitig auszahlen lassen, zum Beispiel bei der Rürup-Rente. Es ergibt deshalb durchaus Sinn, spätere Renten - anders als das DIW - nicht als Vermögenswerte gelten zu lassen. Sie geben eigentlich nur darüber Auskunft, wie lange Menschen wie viel arbeiten müssen, um einen bestimmten persönlichen Lebensstandard zu erreichen und zu sichern. Das kann ohne jeden sonstigen Vermögenswert geschehen, wenn zum Beispiel kein Eigentum an Immobilien erworben und nichts gespart wird.

Laufendes Gehalt zählt auch nicht zum Vermögen

Das laufende Gehalt, das man jeden Monat erhält und ausgibt, zählt auch nicht als Vermögenswert. Es wird erst zu Vermögen, wenn man etwas davon spart und es für später aufhebt. Doch das ist bei niedrigen Einkommen häufig nicht der Fall und auch nicht möglich. Die Höhe des Gehalts und das verfügbare Einkommen spielen aber eine wichtige Rolle bei der Kreditvergabe von Banken. Wer hier punkten kann, bekommt leichter einen Kredit zum Beispiel zur Finanzierung einer Immobilie.

Bei sogenannten Leibrenten, die den Versicherten erst später und meist bis zum Lebensende zustehen, kommt noch etwas anderes hinzu: Es ist keineswegs sicher, dass Beitragszahler das Renteneintrittsalter überhaupt erleben und es ist unklar, wie lange sie etwas davon haben werden. Es muss auch nicht sein, dass es eine Witwe oder einen Witwer gibt, dem ein Teil davon zusteht.

Rentensystem beruht auf der Solidargemeinschaft

Die gesetzliche und auch private Rentenversicherungen kalkulieren bei ihren Beiträgen und Leistungen ganz bewusst mit Ausfällen (Stichwort: Sterbetafeln). Sie können daraus errechnen, wie viele Menschen statisch gesehen am Ende gar nichts oder weniger als ihre eingezahlten Beiträge herausbekommen. So funktioniert in der Rentenversicherung die Solidargemeinschaft. Diese Solidargemeinschaft ist aber nicht als Gemeinschaft von angehäuften Vermögen gedacht worden.

Letzter Punkt der Kritiker des DIW-Modells ist der Hinweis auf die nachgelagerte Besteuerung der staatlichen Rentenzahlungen und auch von privaten Pensionskassen. Die sind zwar in der Ansparphase während des Erwerbslebens weitgehend steuerfrei gestellt. In der Auszahlungsphase muss aber Steuer gezahlt werden. Wie groß dabei am Ende ein möglicher Vermögenswert sein wird, lässt sich deshalb nur schwer ermitteln.

DIW-Studie als Argumentationshilfe gegen Rentenkürzungen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kann diese Zusammenhänge schwerlich bestreiten, verfolgt aber mit seiner Studie ein ganz bestimmtes Ziel. Das DIW will darauf aufmerksam machen, dass viele Menschen, vor allem ärmere, im Alter nichts anderes zu erwarten haben als ihre - ohnehin oft sehr geringen - Rentenzahlungen.

Dies geschieht vor dem Hintergrund eines Streits in der Berliner Ampelkoalition: Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Rentenhöhe weitgehend stabil halten will, spricht sich die FDP mit Bundesfinanzminister Christian Lindner für eine Kürzung der Renten aus. Das DIW würde in diesem Zusammenhang wohl eher für Heil als für Lindner Partei ergreifen.

DIW-Studienautor Tim Bönnke sagte dazu, die neuen Ergebnisse bedeuteten nicht, dass die Problematik der ungleich verteilten Vermögen in Deutschland weniger dramatisch sei. "Wenn ich also eine Rentenreform durchführe, dann muss ich mir darüber im Klaren sein, dass sich jede Reduktion der Rente eins zu eins auf diesen impliziten Vermögensanteil auswirkt", bei den vielen Rentenempfängern, die sonst keine Vermögenswerte haben.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!