Wie findet man die richtige Altersvorsorge?
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Ein sorgenfreier Ruhestand - dafür muss die Altersvorsorge gut geplant werden.

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Rente, ETFs & Co: Wann und wie vorsorgen fürs Alter?

Umfragen zeigen: Rund die Hälfte der Deutschen treibt die Sorge um, im Ruhestand ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Ein Patentrezept, um im Alter finanziell abgesichert zu sein, gibt es nicht. Aber einige grundlegende Empfehlungen.

Über dieses Thema berichtet: Das Verbrauchermagazin am .

Wer über seine finanzielle Absicherung im Ruhestand nachdenkt, müsse sich erst einmal zwei ganz simple Fragen stellen, sagt Georg Plötz. Er ist Altersvorsorgeberater bei der Verbraucherzentrale Bayern. Frage eins: Wie viel Geld kann ich heute beiseite legen? Frage zwei: Wie viel Geld will ich später haben?

Schon bei Frage eins kämen viele Menschen ins Schleudern, sagt Plötz. Regelmäßig kommen Leute zu ihm in die Beratung, die nicht abschätzen können, ob sie tatsächlich genug Spielraum haben, um jeden Monat eine nennenswerte Summe für private Altersvorsorge zurückzulegen. Er höre immer wieder Sätze wie diesen: "Ich habe etwas abgeschlossen, und nach einem halben Jahr merke ich, dass mir gar nichts mehr zum Leben bleibt."

Ruhe bewahren, Überblick verschaffen

Der Berater der Verbraucherzentrale warnt, bei vielen Aussagen und Empfehlungen, die aus der privaten Finanz- und Versicherungswirtschaft zum Thema Altersvorsorge zu hören sind, gehe es nicht so sehr um die Interessen der Kunden. Sondern vor allem um die Interessen der Anbieter: "Da wird viel mit Angst gearbeitet."

Weil Angst aber auch beim Thema Altersvorsorge ein schlechter Ratgeber sei, ist seine Empfehlung: Erst einmal einen Kassensturz machen und eine Auflistung erstellen, welche monatlichen Ausgaben und Einnahmen man hat. Das klinge banal, falle aber vielen Menschen ziemlich schwer, sagt Plötz.

Angebote rechnen sich oft nicht

Der Berater hat selbst 14 Jahre in der Bankbranche gearbeitet, bevor er zur Verbraucherzentrale Bayern gegangen ist. Er spricht deshalb aus eigener Erfahrung, wenn er sagt, dass es bestimmte simple Marketing-Tricks gebe, auf die man nicht hereinfallen sollte: "Die Leute denken immer, auf einer Geldanlage fürs Alter muss Altersvorsorge oder Rentenversicherung stehen, und wenn das draufsteht, passt es auch." Doch über die meisten Verträge für private Rentenversicherungen, die heute angeboten werden, fällt er ein ernüchterndes Urteil: "Da müssen Sie hundert Jahre alt werden, damit Sie mehr rauskriegen, als Sie eingezahlt haben."

Auch staatlich geförderte Vorsorge, etwa über Riester-Verträge, halte oft nicht das, was die Menschen sich davon versprechen: "Das lohnt sich in der Regel nur, wenn sie mindestens zwei jüngere Kinder haben und die staatliche Förderung entsprechend hoch ist."

Gesetzliche Rente: Viele Irrtümer

Auch Thomas Büttner, der bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd Versicherte berät, macht immer wieder die Erfahrung: Viele Menschen wissen nur sehr ungefähr, was sie im Ruhestand zur Verfügung haben werden – und ob es ihnen genügen wird. Die DRV verschickt zwar regelmäßig eine Renteninformation, aus der hervorgeht, welche Ansprüche die Versicherten erworben haben, und was sie aus der gesetzlichen Rente unter verschiedenen Szenarien als monatlichen Zahlbetrag erwarten können. Doch die Zeit, sich damit gründlich zu befassen, nehmen sich bei weitem nicht alle.

Es gebe auch viele Irrtümer rund um die gesetzliche Rente, die sich hartnäckig halten. So sei immer wieder der Satz zu hören "die Renten sinken", obwohl ein Absinken der Renten-Zahlbeträge gesetzlich ausgeschlossen ist. Abgesunken ist in den vergangenen Jahren das sogenannte Renten-Niveau. Es gibt das rechnerische Verhältnis der durchschnittlichen Renten zu den durchschnittlichen Löhnen von Arbeitnehmern wieder. Doch die Rentenzahlbeträge sind in den vergangenen Jahren gestiegen, zum Teil spürbar.

Zwar bleiben die Rentenanpassungen immer wieder unter der Teuerungsrate zurück, sodass die Kaufkraft von Rentnerinnen und Rentnern sinkt. Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung sind die Altersbezüge langfristig aber schneller gestiegen als die Preise: Zwischen 2000 und 2020 sind nach Daten der DRV die Verbraucherpreise um 32,4 Prozent gestiegen. Die sogenannte Brutto-Standardrente hat in den westdeutschen Bundesländern im gleichen Zeitraum um 37,6 Prozent zugelegt.

Unabhängige Beratung suchen

Die Deutsche Rentenversicherung bietet allen Versicherten an, gemeinsam mit Profis sowohl die Ansprüche aus den gesetzlichen Rentenkassen als auch andere Formen der Altersvorsorge durchzugehen. Konkrete Empfehlungen für eine private Altersvorsorge darf die DRV nicht geben, aber sie kann Hilfestellung bei einer Bilanz leisten, sagt Berater Thomas Büttner. Die Wartezeit für einen Termin betrage zwar meist einige Monate. Aber die Zeit könne man nutzen, um sich auf das Gespräch zur Rentenberatung vorzubereiten.

Bei solchen Terminen werden Versicherten oftmals erst richtig bewusst, welche Rolle es bei der gesetzlichen Rente spielt, wie lange und mit welchem Gehalt man einzahlt:

"Da sitzen immer wieder Leute und sagen, ich habe doch 30, 40 Jahre gearbeitet, und dann kommt da so wenig raus." Thomas Büttner, Deutsche Rentenversicherung

Rentenmitteilungen zeigen oft Lücken

Wenn Büttner einige beispielhafte Versicherungsverläufe aufzeigt, wird deutlich: Wer direkt nach der Schule eine Lehre in einer Branche mit hohem Lohnniveau gemacht hat – wie etwa in der Autoindustrie – und in Vollzeit bis zum gesetzlichen Rentenalter durcharbeitet, der ist möglicherweise spürbar besser abgesichert als jemand, der nach einem Universitätsstudium recht gut verdient, aber spät ins Erwerbsleben eintritt, und vielleicht einen kurvigen Weg durch die Arbeitswelt zurücklegt.

Echte Problemfälle sind nach Einschätzung des Beraters oft Mütter, die längere Phasen in Teilzeit arbeiten oder wegen der Kinderbetreuung jahrelang ganz aussetzen, und vielleicht einige Zeit arbeitslos sind. Solche Einschnitte mindern Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung mitunter beträchtlich. Auch Menschen, die es längere Zeit als Selbständige probieren, sei oft nicht bewusst, wie sehr sie ihre Ansprüche aus der gesetzlichen Rente dadurch schmälern, sagt Büttner. Deswegen lautet der ganz grundsätzliche Rat der Rentenkassen: Die Versicherten sollten nie vergessen, dass jede Entscheidung darüber, ob und wie viel sie arbeiten, direkt auf die Rentenansprüche durchschlägt.

Lücken freiwillig stopfen

Allerdings lassen sich Lücken und Dellen in der Erwerbsbiographie mitunter durch freiwillige Beiträge ausgleichen. Gegebenenfalls lassen sich dadurch Steuervorteile erzielen. Hierzu gebe die Beratung der DRV Auskunft, sagt Thomas Büttner – auch wenn die konkrete Konstellation mitunter von einem Steuerberater begutachtet werden sollte.

Auch die Verbraucherzentralen bieten eine Altersvorsorge-Beratung an. Anders als bei der DRV ist sie allerdings kostenpflichtig. Die Gebühr von 40 Euro pro halbe Stunde könne aber durchaus eine gute Investition sein, findet Georg Plötz von der VZ Bayern.

Neben einer Bilanz, welchen finanziellen Spielraum die Ratsuchenden haben, und was sie finanziell erreichen wollen, geben die Verbraucherzentralen auch grundsätzliche Empfehlungen ab, die sich je nach Lebensphase unterscheiden.

Altersvorsorge durch Schuldentilgung

Neben der Bilanz über Einnahmen und Ausgaben sei eine zweite Bilanz wichtig, sagt Georg Plötz von der VZ Bayern: Wie viel fließt in Kredite? Denn in vielen Fällen sei es sinnvoll, erst einmal alle Darlehen abzuzahlen, bevor Geld in Sparvorhaben geht. Man müsse zwar immer jeden Einzelfall betrachten, sagt Plötz, aber es liege auf der Hand:

"Wenn ich für einen Kredit sechs Prozent Zinsen zahle und für meine Spar-Anlage vier Prozent bekomme, sollte ich erst mal den Kredit tilgen." Georg Plötz, Verbraucherzentrale Bayern

Altersvorsorge mit Versicherungen

Der nächste Schritt sei es, die größten finanziellen Risiken durch entsprechende Versicherungen abzusichern. Verbraucherschützer raten schon seit langem geradezu mantra-artig, dass besonders jüngere Arbeitnehmer sich nach einer leistungsstarken Berufsunfähigkeitsversicherung umsehen sollten. Denn die entsprechenden Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind seit längerem deutlich eingeschränkt. Doch diese Botschaft sei noch nicht so gut angekommen, wie er es sich wüsche, sagt Georg Plötz.

Und vor allem bei jüngeren Familien sei eine Risiko-Lebensversicherung oft sinnvoll, damit genug Geld da ist, falls der Vater oder die Mutter durch einen Schicksalsschlag als finanzielle Säule der Familie wegbricht.

Drei Kriterien für Privatvorsorge

Wer sich auf die Suche nach Altersvorsorgeprodukten macht, solle sich von der Vielzahl der Angebote nicht abschrecken lassen, empfiehlt Plötz. Denn es sei gar nicht so schwer, die Angebote auf drei zentrale Anforderungen zu überprüfen: Transparenz, Kosten und Flexibilität.

Wie auch andere Verbraucherschützer hält der Berater der VZ Bayern Wertpapier-Fonds, also ETFs, in vielen Fällen für eine geeignete Option. Vor allem dann, wenn ein Fonds seine Gelder weltweit investiert und damit die Risiken breit streut, könne er für viele Privatleute eine gute Anlage sein, glaubt Plötz. Wichtig sei es aber, dass der jeweilige Fonds-Anbieter transparent macht, was der Kunde kauft, wenn er einen entsprechenden Vertrag schließt:

"Wenn bei 50 Seiten Kleingedrucktem die wichtige Information auf Seite 45 steht, finde auch ich sie nicht, denn dann höre auch ich auf Seite 20 zu lesen auf." Georg Plötz

Zu dieser Transparenz gehöre auch der zweite wichtige Punkt: Die Kosten, die mit einer Geldanlage verbunden sind. Die einmalig oder auch regelmäßig anfallenden Kosten seien von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich, betont Plötz. Erst dann, wenn Verbraucher wirklich wissen, welcher Anteil des angelegten Geldes durch verschiedene Kostenfaktoren aufgezehrt wird, sollten sie einen Auftrag geben.

Der dritte wichtige Punkt ist nach den Erfahrungen des Altersvorsorgeberaters: Nicht vergessen, dass der Weg in den Ruhestand meist nicht ganz geradlinig ist. Eine Anlage, die für die Altersvorsorge gedacht ist, sollte immer auch genug Flexibilität bieten, um das Geld umzuschichten, weil man es erst einmal doch für einen anderen Zweck braucht.

Alle zwei oder drei Jahre nachjustieren

Viele Menschen würden zwar am liebsten mit einer einzelnen Entscheidung die Weichen für die nächsten Jahrzehnte stellen, doch damit mache man es sich zu leicht, sagt Plötz: "Man muss regelmäßig alle zwei oder drei Jahre schauen, ob es noch passt." Und er fügt einen Satz eines Berater-Kollegen hinzu, der seiner Ansicht nach ebenso simpel wie wahr ist: "Du kannst nicht in eineinhalb Stunden 40 Jahre Altersvorsorge regeln."

Dieser Artikel ist erstmals am 5.11.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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