Ein Regionalzug hält am Berliner Hauptbahnhof.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Christoph Soeder

Mit harten Forderungen zieht die Gewerkschaft der Lokomotivführer in die Verhandlungen mit der Bahn.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Bahn-Streik droht: Das sind die Forderungen der Gewerkschaft GDL

Droht Bahnkunden bald schon wieder ein Warnstreik auf der Schiene? Ab heute verhandelt die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) mit dem Konzern über einen Tarifvertrag. Der Vorsitzende Weselsky zeigt sich streik-, aber auch kompromissbereit.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bei der ersten Tarifverhandlungsrunde zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführer-Gewerkschaft GDL hat die Bahn ein Angebot vorgelegt: Die Offerte beinhaltet eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten, wie der Konzern mitteilte. Das entspreche im Volumen dem Tarifabschluss des öffentlichen Diensts des Bundes. Zudem hat die Bahn eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro in Aussicht gestellt.

"Mit einem derartigen Angebot gleich in der ersten Runde sind wir einen großen Schritt auf die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer zugegangen", teilte Personalvorstand Martin Seiler am Mittwoch mit. "Jetzt zeigt sich, ob die GDL wirklich an ernsthaften Verhandlungen interessiert ist."

Im Video: Erneuter Tarifkonflikt bei der Bahn

Bahn-Streik droht: Das sind die Forderungen der Gewerkschaft GDL
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2023
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Bahn-Streik droht: Das sind die Forderungen der Gewerkschaft GDL

Bahn-Angebot geht nicht auf Arbeitszeit-Reduzierung ein

Auf eine Kernforderung der Gewerkschaft geht die Bahn in ihrem Angebot allerdings nicht ein: Die GDL will eine Arbeitszeit-Reduzierung von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich.

Im Vorfeld der Verhandlungen hatte sich der GDL-Vorsitzende, Claus Weselsky, streik-, aber gleichzeitig auch kompromissbereit gezeigt. Im Interview mit der Bayern 2 Radiowelt am Mittwochmorgen sagte Weselsky: "Wir sind immer kompromissbereit. Es hat es noch nie gegeben, dass unsere Forderungen eins zu eins bedient worden sind."

Die bisherigen Andeutungen der Bahn lassen aber darauf schließen, dass ein Kompromiss nicht ohne weiteres zustande käme, so Weselsky: "Die Zeichen, die Seitens des Arbeitgebers gekommen sind, stehen eben so, dass wir mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit in Arbeitskämpfe gehen müssen." Wenn aber ein verhandlungsfähiges Angebot käme, "brauchen wir nicht in den Streik zu gehen".

Für wen verhandelt die GDL?

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist die kleinere Gewerkschaft im Bahnkonzern – aber durchaus stark genug, um etwas durchzusetzen. Das hat die GDL schon in etlichen Tarifrunden mit teils tagelangen Streiks bewiesen.

Dabei organisiert sie nicht mehr – wie ihr Name vermuten lässt – nur die Lokführer. Sie verhandelt auch für das restliche Zugpersonal, für Verwaltungskräfte und neu auch für Beschäftigte der Infrastruktur, also im Netzbetrieb. Damit tritt sie in Konkurrenz an zur deutlich mitgliederstärkeren Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG), einer der Einzelgewerkschaften im DGB. Die GDL ist dagegen eine Organisation im Beamtenbund. Aber anders als im öffentlichen Dienst, wo Beamtenbund und Verdi gemeinsam antreten, streiten EVG und GDL nicht Seit an Seit in den Tarifrunden.

Was fordert die GDL?

"Fünf für Fünf". Mit diesem Motto startete die Gewerkschaft in die Tarifrunde, und zwar schon Anfang Juni, als die Konkurrenzgewerkschaft EVG sich noch am Verhandlungstisch mit der Bahn auseinandersetzte. Die GDL wartete mit fünf zentralen Forderungen für fünf Beschäftigtengruppen auf:

  • Anhebung der Entgelte für alle um 555 Euro – entsprechend auch ein Plus für Auszubildende
  • Absenkung der Arbeitszeit von jetzt 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich
  • Eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro
  • Fünf Prozent Arbeitgeberanteil für die betriebliche Altersvorsorge
  • Eine Fünf-Schichten-Woche für Beschäftigte im Schichtdienst.

Insgesamt legte die Gewerkschaft einen Katalog mit 35 Forderungen auf den Tisch - und eine Überraschung: Sie gründet eine genossenschaftliche Entleihfirma für Lokführer, um diese zu besseren Konditionen am Markt anzubieten.

Was sagt die Bahn dazu?

"Völlig überzogen". So wies Martin Seiler, Personalvorstand der Deutsche Bahn AG (DB), die Forderungen der Gewerkschaft gleich zurück. Sie hätten ein Volumen von über 50 Prozent. Um die Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen, müssten 10.000 zusätzliche Mitarbeitende eingestellt werden.

Seiler und GDL-Chef Claus Weselsky kennen sich nur allzu gut aus harten Tarifrunden zuvor. Auch außerhalb der Verhandlungsräume fallen da deutliche Worte – was die meist schwierigen Gespräche nicht einfacher macht.

Seiler wollte diesmal gleich Dampf aus dem Kessel nehmen. Er machte der GDL Ende Oktober ein Angebot: Erst einmal in Ruhe in einer Art Schlichtungsgespräch miteinander reden – ohne Streiks, dafür aber eine vorgezogene Prämie für die Beschäftigten von 1.500 Euro. Weselsky wies das Angebot gleich zurück. Verhandelt werde ab 9. November. Beide werfen sich nun gegenseitig vor, einer vorgezogenen Tarifrunde im Wege gestanden zu haben. Die Bahn will beim ersten Treffen aber gleich ein Angebot präsentieren.

Welche Rolle spielt der Abschluss mit der EVG?

Erst einmal keine. Jede Gewerkschaft, die stark genug ist, kann für sich fordern und verhandeln. Aber sicher haben beide Seiten das im Blick, was Deutsche Bahn und EVG abgeschlossen haben: Ein Plus in zwei Schritten um monatlich 410 Euro für die Beschäftigten – macht laut EVG im Schnitt 14 Prozent aus. Zudem wurde im Oktober eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2.850 Euro ausbezahlt. Die Laufzeit dieses Tarifvertrages beträgt 25 Monate. In Konkurrenz zur EVG wird die GDL versuchen, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Die Bahn wird versuchen, genau das zu verhindern. Dabei wird im Konzern das sogenannte Tarifeinheitsgesetz angewandt. Demnach gilt in Konkurrenz der Tarifvertrag der stärkeren Gewerkschaft im Betrieb. Laut Bahn hat die GDL in 18 von rund 90 Betrieben, wo beide Gewerkschaften antreten, die Mehrheit.

Was kommt auf Bahnkunden zu?

Claus Weselsky droht schon einmal mit Aktionen auf der Schiene. Wie die ausfallen werden, macht der GDL-Chef vom Verhalten der Bahn beim ersten Treffen abhängig. Die Gewerkschaft könnte mit kürzeren Warnstreiks starten und den Druck dann erhöhen. Sie könnte aber ihre Mitglieder auch gleich zur Urabstimmung für einen unbefristeten Streik aufrufen. Die durchzuführen dürfte mindestens 14 Tage dauern – aber Aktionen währenddessen sind nicht verboten.

Und da die GDL auch zu Streiks in den Betrieben aufrufen darf, für die ihr Tarifvertrag laut Tarifeinheitsgesetz nicht zum Zuge kommt, müssen sich Bahnkunden wohl auf einiges gefasst machen.

Mit Informationen von dpa

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!