Der erste Entwurf der ecoro GmbH aus Würzburg: Der Güterverkehr läuft unter der Fahrbahn in Betonsegmenten über vollautomatisierte E-Shuttles.
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Das Würzburger Startup ecoro arbeitet an der Straße der Zukunft.

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Revolutionär: Würzburger Start-up plant Autobahn der Zukunft

Die ecoro GmbH plant die Revolution auf Autobahnen: Das Würzburger Start-up will den Güterverkehr zukünftig unterirdisch laufen lassen - vollautomatisiert - und so bis zu 70 Prozent der Lkw einsparen. Eine Teststrecke in Saudi-Arabien ist in Planung.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Die regionale Wirtschaft fragt sich jedes Jahr: Was ist der nächste große Wurf, der aus Würzburg kommt? Eine Idee, die zündet und möglicherweise die Welt verändert. Eine solche Idee wurde am vergangenen Montagabend vorgestellt – beim Würzburger Start-up-Preis. Gewonnen hat die ecoro GmbH zwar nicht, das Jungunternehmen wurde nur dritter. Vielleicht war die Idee des Start-ups zu revolutionär für Mainfranken - denn das Würzburger Team plant nichts weniger als eine Revolution im Güterverkehr: die Autobahn der Zukunft.

Idee kam bei Arbeit an Hyperloop

Die Idee für das Konzept hatte ecoro-Gründer und Geschäftsführer Daniel Daum. Der 36-Jährige hat drei Jahre in Japan bei einem Entwicklungsprojekt für den von Elon Musk initiierten Hyperloop mitgearbeitet: eine oberirdische Magnetschwebebahn, die in einem Vakuumtunnel Geschwindigkeiten von über 1.000 Kilometer pro Stunde erreichen soll. Ein Kilometer einer Hyperloop-Strecke würde aktuell rund 120 Millionen Euro kosten, rechnet Daniel Daum vor.

"Hyperloop ist phänomal, aber viel zu groß, viel zu komplex und viel zu teuer." Was ihn eher interessiert habe als Menschen innerhalb von einer Stunde von Berlin nach Paris reisen zu lassen, sei vielmehr die Möglichkeit gewesen, Güter in einem geschlossenen System zu transportieren - weg von der Straße. "Aber es musste einfacher gehen. So ist ecoro entstanden."

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ecoro-Gründer Daniel Daum

Güter sollen unter der Fahrbahn automatisch verkehren

Das Konzept von ecoro ist folgendes: Beim Autobahnbau wird die Fahrbahn nicht auf ein Schotterbett gesetzt, sondern auf Betontunnelsegmente. So entstehen zwei Ebenen: Die obere für den Personenverkehr, die untere für den Güterverkehr. Dieser soll vollautomatisch ablaufen - über kleine, selbstgesteuerte Elektro-Shuttles. Jedes Shuttle soll Platz für zwei Paletten und eine Nutzlast von zweieinhalb Tonnen bieten. Die Shuttles bewegen sich mit 40 bis 60 Stundenkilometern auf zwei Fahrbahnen. Sollte ein Shuttle wegen eines technischen Fehlers liegen bleiben, würden die anderen automatisch die Fahrbahn wechseln. "So kann es nie zu einem Stau kommen", meint der Gründer.

"Kein Fahrermangel, sondern 24-Stunden-Transport"

Zu dem Güter-Konzept gehören zudem vollautomatisierte Logistikterminals für das Be- und Entladen. Hier könnten laut Daum innerhalb einer Stunde Güter in der Größenordnung von 20 vollgeladenen Lkw automatisch umgeschlagen werden. "Wir bieten Hub-to-Hub-Transport. Wir verbinden einen Seehafen oder einen Flughafen mit der Industrie, Fabriken und Warenhäusern, die heute schon entlang der Autobahn gebaut sind." Daum geht davon aus, dass sich dadurch die Logistikpreise, die man vom Lkw kenne, halbieren lassen. "Wir brauchen keine Kaffeepausen, wir kennen keinen Fahrermangel, wir können 24 Stunden am Tag fahren."

"Haltbarkeit mindestens 80 Jahre"

300 Meter Straße könnten laut Daum mit den Betonsegmenten täglich realisiert werden. Steigungen und Brücken seien dabei kein Problem. Wenn der Bund etwa 800 Kilometer der am meisten befahrenen Autobahnen umbauen würde, könnten langfristig bis zu 70 Prozent aller Lkw von der Straße geholt werden, so die Prognose des ecoro-Gründers.

Das würde dazu führen, dass Autobahnen deutlich länger halten würden. "Man spricht davon, dass ein Lkw die Straßen im gleichen Ausmaß schädigt, wie mindestens 50.000 Autos." Deshalb liege die Haltbarkeit einer hoch belasteten Autobahn auch nur bei zehn bis 20 Jahren. Eine Autobahn, die den Güterverkehr mehrheitlich unterirdisch abwickele, hätte dagegen eine Haltbarkeit von bis zu 80 Jahren. Damit würden sich die im Vergleich zu herkömmlichen Autobahnen doppelt so hohen Kosten innerhalb von acht Jahren amortisieren. Daum spricht von etwa 22 Millionen Euro pro Kilometer.

Weniger Schwerlastverkehr, deutlich weniger CO2

Dazu käme noch eine immense CO2-Einsparung, betont Daum. Denn bis 2050 solle sich der Güterverkehr auf der Straße laut Prognose verdoppeln. "Wenn wir uns vorstellen, wir bauen nur eine Strecke in Deutschland, etwa die A7 zwischen Hamburg und Hannover, könnten wir über die 80 Jahre Lebenszeit unserer Straße 240 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das heißt, wir könnten wirklich einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele in Deutschland und Europa leisten." Dass bei der Herstellung der Betonsegmente ebenfalls viel CO2 erzeugt würde, sei unerfreulich. Im Vergleich zum CO2-Ausstoß durch den Güterverkehr per Lkw sei die Menge aber gering. "Bereits im ersten Jahr stoßen die LKW, die auf der neuen Straße fahren, dreimal so viel CO2 aus, als beim Bau der selben Straße entstanden ist." Dennoch "müssen wir besser werden", betont Daum. Mit dem Fraunhofer Institut sei man bereits im Austausch, um einen "besseren CO2-Abdruck für den Zement" zu erreichen.

Global Player mit an Bord

Das Fraunhofer Institut ist nur einer der Partner von ecoro. Man habe ein Konsortium mit verschiedenen Global Playern gegründet. Daniel Daum: "Wenn wir Projekte umsetzen, realisieren wir sie mit diesen Partnern." So ist etwa DB Schenker für das Logistikkonzept und die Beumer-Gruppe für die Logistikterminals zuständig.

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Das von ecoro entwickelte E-Shuttle: Darüber sollen 70 Prozent der Güter automatisiert bewegt werden können.

Der Strom für die Elektro-Shuttles soll entlang der Autobahn produziert werden - etwa über Solarpanele an Lärmschutzwänden oder Sonnendächern über der Fahrbahn. Denkbar sei auch die Einbeziehung von Windenergie. Die hier produzierte Energie würde nur zu einem Viertel von den E-Shuttles verbraucht, der Rest sei "grüne Energie für die Öffentlichkeit." Hier könne man mit den lokalen Energieunternehmen kooperieren, die ihre Leitungen dann unterirdisch in den Betonsegmenten verlegen könnten. Es wären auch noch andere Anwendungen denkbar. Etwa das Laden von Batterien während der Fahrt über Induktionsspulen unter der Fahrbahn. Es gebe noch viele mögliche Win-win-Szenarien, glaubt der Ecoro-Gründer.

"Noch Science Fiction für Deutschland, nicht aber in Saudi-Arabien"

Für Deutschland sei eine Umsetzung "schon noch Science Fiction", gibt Daum zu: "Bundesverkehrsminister Wissing hat unsere Präsentation schon auf dem Tisch." Aber für solche Innovationen fehlten überhaupt die gesetzlichen Grundlagen. Diese zu schaffen, würde mehrere Jahre dauern.

Ein erstes Projekt in Deutschland ist schon angedacht: intralogistisch an einem Flughafen. Und auch in der Ukraine sei man in der Planung. Am aktivsten sei ecoro aber gerade im Mittleren Osten. In Saudi-Arabien würden ja gerade Großprojekte in den Wüstensand gestampft – große Planstädte mit revolutionärer Infrastruktur. Und Ecoro sei da mit dabei. So entstehe gerade in einer der neuen Projektstädte ein großer Hafen. "Dort werden wir im nächsten Jahr eine große Testanlage mit zwölf Fahrzeugen aufbauen und testen." Nach einer Testphase von bis zu zwei Jahren sei der kommerzielle Reifegrad erreicht. "Dann werden wir unser erstes richtiges Projekt errichten: 70 Kilometer Küstenstraße im Nordwesten von Saudi-Arabien. Das ist der Plan für uns für 2026."

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