Ein Rollator steht im Raum einer Seniorin.
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Das deutsche Pflegesystem steht in der Kritik - wie kann es verbessert werden?

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Pflege in Not: So kann die Reform des Pflegesystems gelingen

Pflege in Not: So kann die Reform des Pflegesystems gelingen

Mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland benötigen professionelle Pflege. Doch das Pflegesystem in Deutschland steht in der Kritik. Wie es verbessert werden kann, darüber haben sich zwei Expertinnen Gedanken gemacht.

Die gute Nachricht zuerst: Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Pflegekräfte in Deutschland innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 18 Prozent gestiegen. Die schlechte ist allerdings nicht schwer herauszufinden: Das reicht noch lange nicht. Ende 2020 waren es nicht mal 490.000 Beschäftigte in der Pflege - angesichts der ständig steigende Zahl Pflegebedürftiger ist das zu wenig.

Arbeitsbedingungen müssen besser werden

Deshalb wird nach Ansätzen gesucht, wie der Pflegeberuf attraktiver gemacht werden könnte. Ein zentraler Ansatz sind die Arbeitsbedingungen. Denn auf Krankenhausstationen, in Altenpflegeheimen und auch bei den ambulanten Pflegediensten ist die Arbeitsbelastung hoch.

Krankheit, Altern und Sterben müssen wieder diskutiert werden

Unter den ständigen Überstunden, Krankenzeiten und der Unterversorgung leide vor allem das pflegerische Handwerk, beklagt Monja Schünemann. Sie ist schon länger aus der Pflege ausgestiegen und hat gerade das Buch "Der Pflege-Tsunami" veröffentlicht, in dem sie sich der Frage annähert, wie es zu dem vielerorts beklagten Pflege-Notstand kommen konnte.

Ihre These: Die Themen Krankheit, Altern und Sterben sind dermaßen außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung, dass der Pflegeberuf gleich mit in dieses Abseits gerutscht ist. So komme es, dass professionelle Versorgung erst dann wichtig werde, wenn jemand auf Pflege angewiesen ist.

Pflege ist viel mehr als Händchenhalten

Dadurch, so drückt Schünemann es etwas flapsig aus, würden viele Menschen meinen, Pflege sei irgendetwas zwischen Händchenhalten und Kaffee bringen. Und so weit davon entfernt sei die Tätigkeit inzwischen auch nicht mehr. Viel zu oft komme immer nur "waschen, füttern, trockenlegen" dabei herum, so beschreibt es die ehemalige Pflegerin Monja Schünemann gegenüber BR24.

Wenn aber mehr Menschen wüssten, dass Pflege sämtliche Lebensbereiche von Kommunikation über Wundheilung bis hin zur Sterbebegleitung erfasst, dann wäre Schünemanns Meinung nach auch der Respekt in der Gesellschaft gegenüber Pflegekräften größer. Das wäre einer der zentralsten Punkte, um wieder mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen.

Schünemanns Idealvorstellung ist ein standortbasiertes Pflegesystem, ähnlich dem britischen National Health System NHS. Jeder Mensch bekäme eine Art lebenslange Pflegeperson an die Seite gestellt , die sich um Vorsorge, Versorgung im Krankheitsfall und Nachsorge kümmern kann, und die nur dann an einen Arzt verweisen muss, wenn es wirklich notwendig ist.

Schünemann: "Kein Pflegesystem so kaputt wie das Deutsche"

Vorbilder dafür finden sich überall auf der Welt, so Schünemann. Denn, so sagt sie es, kein Land auf der Welt sei in der Pflege so desaströs aufgestellt wie Deutschland. In Italien beispielsweise gebe es so gut wie nie Übergriffe auf Pflegepersonal – während das in deutschen Einrichtungen fast schon zur Tagesordnung gehöre. Und in den USA sei es die Chief Nursing Officer Dr. Debbie Hatmaker gewesen, die in den Corona-Hochzeiten in ihrer Rolle als nationale Oberschwester die pandemische Entwicklung öffentlichkeitswirksam erklärt habe – keine Elfenbeinturm-Wissenschaftler.

Aufgaben auf mehr Schultern verteilen

"Die Gesellschaft ist viel zu schlecht darüber informiert, was Pflege eigentlich ist." Das sagt auch Astrid Imre. Sie leitet den ambulanten Pflegedienst in München-Schwabing. Ihr 14-köpfiges Team ist für über 100 Seniorinnen und Senioren zuständig, die sich im Alltag unterstützen lassen, um möglichst lange und möglichst selbstständig zu leben. Denn das ist es, was Pflege eigentlich kann.

Imres Ansatz, um Pflege in Deutschland zu verbessern, ist weniger langfristig angesetzt als Schünemanns, setzt aber auch bei der Aufklärung an. Auch sie und ihr Team sind regelmäßig überlastet und mit falschen Vorstellungen vom Pflegeberuf konfrontiert. Was ihnen helfen würde: eine bessere Arbeitsteilung.

Pflegende sollen Gesundheitszustand überwachen - nicht einkaufen gehen

Denn bei ihren ambulanten Besuchen soll Imre oft mehrere Rollen gleichzeitig erfüllen: Einkaufshilfe, Putzkraft, Ansprechpartnerin gegen die Einsamkeit – und quasi nebenbei soll sie noch verhindern, dass der körperliche Gesundheitszustand sich verschlechtert. Dabei muss es andersherum sein, sagt Imre.

Pflege könne nur dann gut funktionieren, wenn die Seniorinnen und Senioren sich ein gutes soziales Netz erschaffen, in dem einander geholfen wird – damit für sie als Pflegerin der körperliche Zustand im Mittelpunkt stehen kann. Denn letztlich können Nachbarschaft, Familie, medizinisches Personal und Pflegekräfte mit guter Kommunikation viel besser helfen als eine überforderte Pflegekraft allein.

Um der Wissenslücke zum Thema Pflegen entgegenzuwirken, empfiehlt Astrid Imre jedem Menschen – und insbesondere Politikerinnen und Politikern – mal eine Woche bei ihr mitzufahren oder bei den Kolleginnen und Kollegen im Altenpflegeheim oder im Krankenhaus zu helfen. Sie ist sicher: "Man kann den Beruf nur verstehen, wenn man mal an der Basis ist."

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