Jörg Schönborn und Patrizia Mayerhauser aus Augsburg vor "ihrem" Baugrundstück.
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Jörg Schönborn und Patrizia Mayerhauser aus Augsburg vor "ihrem" Baugrundstück.

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Hohe Kosten, geringe Förderung: Genossenschaften beklagen Druck

Um gegen den Wohnungsmangel vorzugehen, könnten Genossenschaften eigentlich helfen. Aber sie werden nicht anders behandelt als freie Bauträger. Ein Beispiel aus Augsburg zeigt: Ohne besondere Förderung stehen viele Bauvorhaben auf der Kippe.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es gibt zu wenig Wohnraum und der, den man neu schaffen könnte, ist richtig teuer. Der Ausweg aus diesem Dilemma könnte heißen: Genossenschaften. Das haben sich auch Jörg Schönborn und Patrizia Mayerhauser aus Augsburg gedacht. Eigentlich haben die beiden beruflich nichts mit Architektur zu tun, aber das Thema 'bezahlbarer Wohnraum' betrifft sie persönlich: Sie wollen im Alter nicht allein leben, aber auf jeden Fall in Stadtnähe und ohne Auto.

  • Zum Artikel: "Knappes Bauland in Bayern: "Die ziehen ins Haus ihrer Eltern"

Hohe Kosten, geringe Förderung: Für viele Bauprojekte das Aus

Daher haben sie sich für das Abenteuer Wohnungsbau-Genossenschaft entschieden und engagieren sich seit Jahren in der WoGenAu. In einem Vergabeverfahren haben die beiden sich beworben und ein großes Wohnprojekt für ungefähr 100 Personen eingereicht.

"Wir könnten an und für sich loslegen", so Mayerhauser. "Wenn es nach uns ginge: Wir haben genug Interessenten da." Nur: die Stadt Augsburg will die dafür notwendige Fläche nicht unter dem Marktpreis verkaufen. Zusammen mit den erhöhten Kosten für Bau und Zinsen wird das für die Genossenschaft zu teuer. Das Projekt stand schon kurz vor dem Abbruch.

Interessenverband fordert mehr gezielter Förderung

"Dafür, dass Genossenschaften so ein Bindeglied sind zwischen Eigentum und Miete – und sie dem Kapitalmarkt Wohnungen und Boden auf lange Zeit entziehen – wäre mehr Förderung schon passend", findet Mayerhauser und meint damit vor allem die finanziellen Fördermöglichkeiten durch Bund und Länder.

Denn Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen in Bayern versuchen in der Regel, die Mieten von den Marktpreisen zu entkoppeln und möglichst niedrig zu halten. Mit einem durchschnittlichen Quadratmeter-Preis von 6,75 € liegen sie rund 50 Prozent unter den marktüblichen Konditionen.

Dieses Modell auszubauen, das hat sich der Verband bayerischer Wohnungs-Unternehmen zum Ziel gesetzt. Hier sind mehr als 350 Genossenschaften und über 100 kommunale Wohnungsunternehmen organisiert, die insgesamt mehr als eine halbe Million Wohnungen im Freistaat besitzen und verwalten.

Verband rechnet mit weniger Neubauten im aktuellen Jahr

Im vergangenen Jahr konnten sie mehr als 5.000 Einheiten neu bauen. Aber für 2023 rechnet der Verband mit leicht rückläufigen Zahlen. Ein Problem mit sozialer Sprengkraft, denn laut der Wohnungswirtschaft Bayern fehlen derzeit 200.000 bezahlbare Wohnungen in Bayern.

Und auch hier zeigt sich: Der Wille zum Bauen ist da. Aber an allen Ecken und Enden hapert es an Geld und Möglichkeiten. Die größte Herausforderung beim Neubau beispielsweise sei die Umsetzung des Gebäude-Energiegesetzes, so Verbandspräsident Hans Maier.

Denn viele der Genossenschafts-Immobilien müssten in den kommenden Jahren aufwändig energetisch saniert und mit neuen Heizsystemen ausgestattet werden. Aber: "Wir können die Klimaneutralität nur schaffen, wenn wir einen Teil unserer günstigen Wohnungen verkaufen", so Maier. Denn nur dann hätten die Genossenschaften genügend liquide Mittel, um die anderen Wohnungsbestände zu sanieren.

Genossenschaften müssten verkaufen, um energetische Sanierungen bezahlen zu können

Diesen Schritt zu gehen, wäre politisch kaum zu vertreten. Denn der zurzeit noch zu vergleichsweise günstigen Mieten angebotene Wohnraum würde so an den freien Mietwohnungsmarkt verloren gehen, warnt der Verband. Um so einen Abverkauf zu verhindern oder zu minimieren, müsste zumindest das Bauen günstiger werden, fordert die Wohnungswirtschaft Bayern. Sie plädiert daher für weniger strenge Regulierungen, etwa bei der Dichte von Decken. Und der Freistaat könnte Genossenschaften wie der WoGenAu mit vergünstigten Bauflächen helfen.

Und noch etwas mahnt der Verband an: Hohe Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen und bezahlbare Mieten seien schwer vereinbar. Eine ausreichende Förderung für die Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften dürfe deshalb nicht vergessen werden. Sonst müssten künftig auch sozial orientierte Wohnungsunternehmen erheblich die Mieten erhöhen.

Bernreiter: "Wir tun, was wir können"

Dabei fördert Bayern den sozialen Wohnungsbau heuer schon mit einer Milliarde Euro. "Wir tun hier wirklich, was wir tun können", erwidert daher auch der bayerische Bauminister Christian Bernreiter (CSU). "Wir wissen, wir brauchen 700.000 Wohnungen in Deutschland, drum müssen wir eigentlich alles dafür tun, dass die Bauwirtschaft am Laufen gehalten wird."

Für Jörg Schönborn und Patrizia Mayerhauser von der Augsburger Genossenschaft WoGenAu sind diese großen politischen Debatten unbefriedigend. "Schon jetzt sind uns im Vergleich zur Anfangskalkulation die veranschlagten Kosten um 40 Prozent davongelaufen", erklärt Schönborn. Aber die Zeit drängt: Bis zum Ende des Jahres muss das Geld für das Grundstück auf dem Tisch liegen, sonst ist die Reservierung weg.

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