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Symbolbild: Abgase

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Ein Jahr nach dem Diesel-Gipfel: die ungelöste Abgasaffäre

Software-Updates, Umstiegsprämien, eine Expertenkommission – unter anderem auf diese Maßnahmen hatten sich Politik und Autoindustrie auf ihrem "Diesel-Gipfel" geeinigt. Ein Jahr danach fällt die Bilanz durchwachsen aus. Von Arne Meyer-Fünffinger

In diesem Punkt sind sich Union und SPD einig: Flächendeckende Fahrverbote wollen sie vermeiden, der Weg dahin ist aber umstritten.

Bleibt es bei Software-Updates für Diesel-Fahrzeuge oder wird es Hardware-Nachrüstungen geben? Diese Frage

„kann nicht bis in den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt werden" Angela Merkel

sagte Angela Merkel am 20. Juli in Berlin bei ihrer Sommer-Pressekonferenz. Ende September soll Klarheit herrschen, allerdings hat die Sache noch einen Haken: "Wir brauchen eine gemeinsame Haltung der Bundesregierung", stellte die Bundeskanzlerin fest. Und die ist innerhalb der Großen Koalition nach wie vor nicht vorhanden.  

Hardware-Nachrüstungen – Union vs. SPD

Seit Monaten sprechen sich Vertreter der SPD dafür aus, dass die Autokonzerne auf eigene Kosten technische Umrüstungen bei älteren Diesel-Fahrzeugen vornehmen. Die Kunden hätten diese Autos gekauft, "weil sie davon ausgegangen sind, dass das saubere Technik ist. Das war das, was die Hersteller versprochen haben und was sie nicht halten. Und deswegen bin ich dafür, dass wir Hardware-Nachrüstungen möglich machen", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze vor wenigen Tagen.

Ihr Kabinettskollege von der CSU, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, widerspricht dem vehement. Er und sein Haus sehen nach wie vor "rechtliche und technische Risiken", die mit einer solchen Maßnahme verbunden wären. Stattdessen spricht sich Scheuer konsequent dafür aus, auf die von der Autoindustrie auf dem Diesel-Gipfel versprochenen kostenlosen Software-Updates zu setzen. Schließlich habe sich die "Industrie zu einer Reduzierung der Stickoxid-Emission im Mittel um 25%-30% verpflichtet", so das Bundesverkehrsministerium in einer aktuellen Bestandsausnahme.

Bis Ende 2018 5,3 Millionen Software-Updates aufgespielt?

"Ich nehme die Hersteller beim Wort", sagt Bundesverkehrsminister Scheuer. Bis Ende 2018 müssen VW und Co. 5,3 Millionen Diesel-Fahrzeuge mit einem Software-Update ausgestattet haben. Das von der Autoindustrie auf dem Gipfel abgegebene Versprechen steht. Allerdings gab es früh Zweifel, ob die Branche diese Zusage einhalten kann. Längst nicht alle Updates sind vom Kraftfahrtbundesamt geprüft und freigegeben. Stand heute sind 2,9 Millionen Fahrzeuge mit einem Update ausgestattet. Bei der überwiegenden Mehrheit hatte das Kraftfahrtbundesamt aber einen verpflichtenden Rückruf angeordnet, vor allem für Volkswagen.

Bis 1. September müssen Updates fertig sein

Inzwischen hat der CSU-Politiker VW und Co. eine Deadline gesetzt. Bis zum 1. September müssen die Unternehmen die Software-Entwicklung für die Updates abgeschlossen haben. Umweltverbände, allen voran die Deutsche Umwelthilfe, bezweifeln allerdings, ob diese Maßnahme ausreicht. Die DUH kritisiert zudem, dass die Bundesregierung der Autoindustrie nach dem Diesel-Skandal keine finanziellen Sanktionen aufgebrummt hat. "5.000 Euro pro Betrugsdiesel sind rechtlich möglich", sagt die Umwelthilfe.

Bislang hat sich vor allem das Bundesverkehrsministerium vehement gegen eine solche Maßnahme, die alleine Volkswagen Milliarden kosten würde, gewehrt. Dabei weiß das Ressort, dass es rechtlich tatsächlich die Möglichkeit hätte, Bußgelder zu verhängen. Das haben Recherchen des BR gezeigt. In den USA hat Volkswagen Milliarden-Strafzahlungen akzeptiert.

Nach dem Diesel-Gipfel weitere Rückrufe

Daimler-Chef Dieter Zetsche und BMW-Boss Harald Krüger – auf dem Diesel-Gipfel vor einem Jahr taten sie noch so, als wären sie nur als Randfiguren dabei. Inzwischen hat das Thema beide Konzerne erreicht. Daimler schon mit voller Wucht. Nachdem das Kraftfahrtbundesamt Ende Mai den Rückruf von fast 5.000 Diesel-Modellen des Kleintransporters "Vito" wegen seiner Meinung nach vorhandener unzulässiger Abschalteinrichtungen veröffentlicht hatte, ließ Bundesverkehrsminister Scheuer Zetsche zwei Mal in Berlin antanzen. Am Ende musste sich der Konzern zum Rückruf von 774.000 Fahrzeugen in Europa bereit erklären, davon 238.000 in Europa.

Ermittlungen wegen Abgasmanipulation

Die Staatsanwaltschaft München I hat am 27. Februar ein "Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachtes des Betruges in ca. 11.400 Fällen eingeleitet", so die Behörde in einer Pressemitteilung. Bei den beiden BMW-Diesel-Fahrzeugmodelltypen 750xd und M550xd sind nach Auffassung der Behörde "unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden". BMW weist den Vorwurf der Abgasmanipulation zurück. "Die Motorsteuerung der betroffenen Fahrzeuge ist irrtümlicherweise mit einer dafür nicht geeigneten Software programmiert", so ein Unternehmenssprecher. Ende Mai veröffentlichte das Kraftfahrtbundesamt einen Rückruf. Der Grund: "Falsche Software manipuliert die Abgasreinigung". Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in diesem Fall dauern an. In jüngster Zeit kamen weitere Rückrufe von Audi- und Porsche-Modellen hinzu.

Auch Opel ist erneut in den Fokus der Behörden geraten. Das zeigt: Auch ein Jahr nach dem Diesel-Gipfel ist ein Schlusspunkt bei diesem Thema nicht in Sicht.