Julian Reichelt moderiert im Youtube-Kanal "Achtung Reichelt!"
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Julian Reichelt moderiert im Youtube-Kanal "Achtung Reichelt!"

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Warum gibt es Kritik am Nachrichtenportal "Nius" ?

Der frühere Chefredakteur der "Bild-Zeitung", Julian Reichelt, arbeitet inzwischen für "Nius". Für viele gilt das Online-Angebot als rechtspopulistisch. Zuletzt wurde es stark kritisiert. Was sind die Ziele von "Nius" und wer finanziert es?

Über dieses Thema berichtet: BR24 Medien am .

Vor kurzem sorgte "Nius" für Schlagzeilen. Das Portal hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Plagiate in der Doktorarbeit der stellvertretenden Chefredakteurin der "Süddeutschen Zeitung", Alexandra Föderl-Schmid, entdeckt haben möchte. Daraus machte "Nius" etwas, das die Journalistin Barbara Tóth gegenüber BR24 Medien als regelrechte "Hetz-Kampagne" bezeichnet. Tóth arbeitet für die linksliberale Wiener Wochenzeitung "Falter".

Nach den "Nius"-Publikationen wurde Föderl-Schmid in sozialen Netzwerken massiv persönlich beleidigt. Vor knapp einer Woche galt Alexandra Föderl-Schmid dann als vermisst. Viele machten sich große Sorgen. Etwa 24 Stunden später wurde sie lebend gefunden.

Der Kopf hinter "Nius": Julian Reichelt

Knapp vier Jahre war Julian Reichelt Chefredakteur der "Bild-Zeitung". Ausgelöst durch Vorwürfe, er habe seine Machtstellung missbraucht, wurde er 2021 entlassen. Inzwischen arbeitet Reichelt bei "Nius". Auch wenn er als zentrale Figur hinter dem Portal gilt, war seine genaue Rolle lange unklar. Seit wenigen Tagen wird er im Impressum als einer der geschäftsführenden Direktoren der Betreibergesellschaft genannt.

Reichelt und "die letzte Reihe im Bus"

Was auf "Nius" verbreitet wird, ist in den Augen vieler rechtspopulistisch und tendenziös. So sprach Stefan Niggemeier im Medienportal "Übermedien" kürzlich von "Julian Reichelts Wutportal". Wie Reichelt sich und seine Arbeit selbst sieht, das hat er vor einiger Zeit mit einem Vergleich erklärt. Es sei wie im Bus zu sitzen - und zwar in der letzten Reihe: "In der letzten Reihe saßen immer die, die keinen Respekt vor Autoritäten hatten, aber die trotzdem irgendwie gemocht wurden", so Reichelt. Sein YouTube-Format "Achtung Reichelt!" ist das prominenteste Angebot von "Nius".

"Nius geht es nicht um Wahrhaftigkeit"

Anton Rainer beobachtet "Nius" für das Nachrichtenmagazin "Spiegel". In seinen Augen soll "Achtung Reichelt!" zwar wie eine Nachrichtensendung aussehen, die Arbeitsweise sei aber eine andere: "Für Julian Reichelt ist die Wahrheit ein Material, mit dem er arbeiten kann, die er einbauen kann in seine politischen Reden." Wenn Fakten dazu passen, sei das wunderbar. Wenn sie "so halb" passen, würden sie passend gemacht. Was gar nicht passe, würde weggelassen, so Rainer im NDR-Medienmagazin "ZAPP" .

Lars Wienand sieht das ähnlich. Er arbeitet für das Nachrichtenportal "t-online". "Nius" mische "durchaus sauberen Journalismus mit Artikeln, in denen es nicht um Wahrhaftigkeit geht, sondern in denen Geschichten zurechtgebogen werden, um einseitig Stimmung zu machen". Oft gehe es da gegen die Ampel-Regierung. Besonders die Grünen seien da im Fokus, analysiert Lars Wienand von "t-online".

Die Erzählung der "verlogenen Elite"

"Nius" verbreitet immer wieder extrem zugespitzte Botschaften oder Falschmeldungen, die in sozialen Medien tausendfach geteilt werden. Dabei nutzt Julian Reichelt eine spezielle Perspektive, beobachtet Anton Rainer. Auf der einen Seite würden die Zuschauer angesprochen werden als "die ehrlichen Arbeiter, das ehrliche Volk" und auf der anderen Seite sei die Rede von einer "verlogenen Elite". Rainer sieht auch dabei Parallelen zwischen Reichelt und Tucker Carlson, dem früheren Moderator des US-Senders Fox News. Beide würden sich als Vertreter des Mittelstandes präsentieren, seien aber in Wahrheit "Vertreter eben dieser Elite, die sie kritisieren". Tucker Carlson sei ein Milliardenerbe und Julian Reichelt habe quasi seine ganze professionelle Karriere von Milliardären gelebt, so Rainer gegenüber "ZAPP".

"Nius"-Investor Frank Gotthardt und seine Motive

Auch hinter "Nius" steht ein milliardenschwerer Gönner. So wird "Nius" seit der Gründung im Jahr 2023 maßgeblich von dem Unternehmer Frank Gotthardt finanziert. Bisher war wenig bekannt über die Ziele und Motive des Mannes, der als Gründer der Compugroup Medical zum Milliardär wurde. Im Podcast "Rund ums Eck" äußerte er sich vor kurzem zum ersten Mal ausführlich. Sein Einstieg bei "Nius" sei "aus staatsbürgerlicher Verantwortung" geschehen. Gotthardt ist der Ansicht, dass die "links zu verortende" Medienlandschaft "eine Ergänzung im konservativen Bereich" bräuchte.

Demnächst auch als Radiosender?

Ferner verrät Gotthardt, dass es Pläne gibt, das Portal bald auch als Radio und "irgendwann auch mal mit Fernsehen" auf den Markt zu bringen. Neben "Achtung Reichelt!" und nachrichtlichen Artikeln hat "Nius" bereits jetzt andere Online-Shows im Angebot. Darunter eine Diskussionssendung oder ein Interview-Format, das der ehemalige "Bild"-Politikchef Ralf Schuler moderiert. Neben Schuler konnte "Nius" mit Kolumnistin Judith Sevinç Basad und Reporter Julius Böhm auch andere frühere Mitarbeitende der "Bild-Zeitung" abwerben.

Nius ist "'Bild' auf Speed"

Ist "Nius" also die "Bild" in klein? Lars Wienand sagt nein. Ihm zufolge schere sich "Nius" deutlich weniger um journalistische Regeln als die "Bild". "'Nius' ist die 'Bild' in noch viel krawalliger, mit einer eigenen politischen Agenda, die auch auf Kosten von Fakten durchgesetzt wird", so Lars Wienand.

Für Benjamin Krämer, Medienwissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist "Nius" die "'Bild' auf Speed" und noch "deutlich strammer rechts". Reichelt selbst sprach Ende Januar in einem Interview in der Schweizer "Weltwoche" von über fünf Millionen Menschen, die monatlich auf den verschiedenen Kanälen "Nius"-Inhalte sehen würden.

Medienanstalt untersucht "Nius"

Wie wirken die Botschaften, die Julian Reichelt und andere von der imaginären letzten Reihe im Bus aussenden? Medienwissenschaftler Krämer glaubt nicht, dass dadurch die Mehrheit der Bevölkerung erreicht wird und deren politische Ansichten verändert werden. Er befürchtet allerdings, dass es "zumindest in einzelnen Segmenten der Bevölkerung zu einer Radikalisierung oder zu einem Einmauern in einem bestimmten politischen Lager" kommen könnte. Das heißt, die gesellschaftliche Spaltung könnte sich weiter verfestigen. Auch deshalb wird "Nius" kritischer gesehen.

Anfang der vergangenen Woche wurde bekannt, dass "Nius" durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) untersucht wird. Zuvor hatte es mehrere Beschwerden gegeben. Dabei geht es, um die Frage, ob "Nius" gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen hat. Dies hat die MABB dem BR bestätigt. Wann dieses Verfahren abgeschlossen ist, steht noch nicht fest.

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