Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen
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Frances Haugen hat sich in einem Fernseh-Interview als Quelle für die Facebook Files zu erkennen gegeben

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Facebook-Whistleblowerin outet sich - und erhebt neue Vorwürfe

Im September veröffentlichte das Wall Street Journal gleich reihenweise neue Facebook-Skandale. Nun hat sich die Quelle im US-Fernsehen geoutet. Zentraler Vorwurf der ehemaligen Mitarbeiterin: Facebook verdient Geld mit Wut und Hass.

Im September veröffentlichte das Wall Street Journal nach und nach die so genannten “Facebook Files”, die Missstände beim größten sozialen Netzwerk der Welt anprangerten: So habe Facebook etwa sogenannten VIP-Accounts erlaubt, die Facebook-Regeln für Belästigung zu brechen. Außerdem tue das Unternehmen nicht genug gegen Kriminalität in Entwicklungsländern, die über die Facebook-App abgewickelt werde.

  • Zum Artikel: Facebook-Whistleblowerin - Scharfe Kontrolle von Netzwerk nötig

Instagram kann psychische Probleme verschlimmern

Besonders große Aufmerksamkeit bekam der Artikel, in dem es um den Umgang Facebooks mit dem Einfluss seiner Tochter Instagram auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen ging. Zwar wisse Facebook seit langem, dass die Nutzung von Instagram bei einem von drei Mädchen psychische Probleme verschlimmere, spiele das jedoch herunter. Facebook widersprach der Wall Street-Journal-Berichterstattung zwar, trotzdem legte der Konzern seine Pläne auf Eis, eine Instagram-App speziell für Kinder zu entwickeln.

  • Zum Artikel: Interne Dokumente enthüllen Facebooks Pläne für junge Kinder

Ex-Mitarbeiterin: Wachstum hat bei Facebook Vorrang vor Sicherheit

Bislang war nicht klar, wer die Quelle für diese Enthüllungen war. Teilweise stammen sie von einer ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin, die sich am Sonntag in einem Interview mit der US-Fernsehshow "60 Minutes" zu erkennen gab: Frances Haugen, eine Datenwissenschaftlerin, die von 2019 bis 2021 in Facebooks Abteilung für "civic integrity" (gesellschaftliche Integrität) arbeitete. Diese Abteilung war unter anderem für die Eindämmung von Desinformation bei Wahlen zuständig.

Nach der Präsidentschaftswahl 2020 wurde die "Civic Integrity"-Abteilung aufgelöst und die Sicherheitssysteme die dazu dienten, Fehlinformationen einzudämmen, wurden wieder abgeschaltet, "um dem Wachstum Vorrang vor der Sicherheit zu geben. Und das kommt mir wirklich wie ein Verrat an der Demokratie vor", sagte Haugen in dem TV-Interview.

Haugen: Facebook-Algorithmus setzt auf Wut

Facebook habe mit Interessenskonflikten zu kämpfen, "zwischen dem was für die Öffentlichkeit gut ist und was für Facebook gut ist." Der Konzern habe sich "immer wieder dafür entschieden, seine eigenen Interessen zu optimieren" – also beispielsweise mehr Geld zu verdienen.

Die 37-jährige Haugen beschuldigt Facebook, den Algorithmus für seinen News Feed im Jahr 2018 auf Wut zugespitzt zu haben. Je mehr Menschen auf Facebook Inhalten, die sie wütend machten, ausgesetzt seien, desto mehr würden sie damit interagieren und so länger auf der Plattform bleiben.

"Facebook verursacht Gewalt in der Welt"

Würde Facebook den Algorithmus ändern, würde der Konzern Geld verlieren, so Haugen. Sie glaubt, dass Facebook das Potential hat, der Gesellschaft massiv zu schaden.

"Diese Version von Facebook zerreißt unsere Gesellschaft und verursacht Gewalt in der Welt." Frances Haugen.

Nur 3-5 Prozent von Hass-Inhalten werden bekämpft

Ihre Vorwürfe belegt sie mit internen Dokumenten: Während ihrer Zeit bei Facebook habe sie Zehntausende Seiten interner Facebook-Forschungsergebnisse kopiert, darunter eine Studie aus diesem Jahr, in der Facebook schätzt, nur drei bis fünf Prozent des Hasses und etwa 0,6 von Gewalt-Inhalten zu bekämpfen.

Unter diesen Dokumenten ist auch die eingangs erwähnte Studie, die belegt, dass die Facebook-Tochter Instagram jungen Mädchen schadet, sie beispielsweise depressiv machen kann und Essstörungen fördert. Und dass der Konzern diese Erkenntnisse bewusst zurückgehalten habe.

Stattdessen habe Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress betont, dass soziale Medien positive Auswirkungen auf die mentale Gesundheit von Menschen hätten, so Haugen in dem Fernsehinterview.

Haugen beantragt Schutz als Whistleblowerin

Facebook hatte auf die Vorwürfe Haugens mit einem Statement reagiert und unter anderem betont, dass das Netzwerk versuche, eine Balance zwischen dem Recht von Milliarden Menschen auf freie Meinungsäußerung und einer sicheren Umgebung für die Nutzer zu finden.

Frances Haugen soll am Dienstag vor dem US-Kongress aussagen. Sie hat bei US-Behörden offiziell Schutz als Whistleblowerin beantragt, um sich vor einer Klage ihres ehemaligen Arbeitgebers zu schützen.

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