Test von "Witcher 3" 2019 auf der Gamescom in Koeln  auf der Nintendo Switch Konsole
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"The Witcher 3 - Wild Hunt"

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Wald, Wasser, Wiese: So erscheint Natur in aktuellen Games

Die großen Spielverlage betonen die ökologische Ausrichtung ihrer Games, aber davon ist nicht viel zu merken. Nach allen Regeln der Kunst produziert, spielt Naturzerstörung durch Artensterben, Ressourcenabbau und Klimawandel selten eine Rolle.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Ich stehe auf einem Hügel und lasse den Blick über die atemberaubend schöne Landschaft unter mir streifen, die Wälder, den idyllischen Flusslauf, da hinten dieser interessante Felsengipfel, und durch eine Lücke in den Baumwipfel kann ich eine kleine Ruine sehen. Was es dort wohl gibt? – Diese Beschreibung könnte aus einem der vielen, überwältigenden "Open World"-Games der letzten 15 Jahre stammen, die neben ihrer Story mit sehr weitläufigen Natur-Landschaften locken: Umgebungen mit prägnanten Landmarken und häufig erstaunlich komplex simulierter Fauna und Flora.

Dazu gehören etwa das postapokalyptische Abenteuer "Horizon Forbidden West", der Fantasy-Epos "The Witcher 3" oder das SciFi-Wander-Spiel "Death Stranding". Aber "Open World" ist eine etwas unscharfe Genre-Beschreibung, denn sie bezieht sich nicht auf den Inhalt eines Spiels, sondern auf die Struktur seiner Spielwelt. Das Versprechen: "Wenn Du diesen Berg am Horizont sehen kannst, kannst Du auch dorthin gehen und ihn besteigen."

Nach allen Regeln der Kunst inszeniert

Die Idee der Blickachse und der Weitsicht, habe man zum Beispiel in barocken Schlossgärten oder auch in barocken Jagdrefugien so angelegt, dass da ganz gezielt mit Perspektiven gespielt wurde, sagt Marc Bonner. Der Medienwissenschaftler und Kunsthistoriker hat gerade ein Buch über die Inszenierung von Natur in Games geschrieben. "Mit Prinzipien der Miniaturisierung und mit diesem Prinzip von Raffung und Überdehnung spielen auch die Designer*innen in den 'Open World'-Spielen", sagt er.

Die Spielwelten werden gestaltet nach Prinzipien, die seit Jahrhunderten entwickelt wurden, ausgehend von Barockgärten über die englische Landschaftsarchitektur des 18. Jahrhunderts bis hin zur Strukturierung der US-amerikanischen Nationalparks. Neben überzeichneten Landschaftsmerkmalen und dem Spiel mit Aus- und Einblicken ist dabei vor allem die Vorspiegelung von Natürlichkeit durch Künstlichkeit typisch. Und was könnte künstlicher sein als virtuelle Spielwelten, die eine vor Leben platzende Natur simulieren?

"Natur als ein Material-, Mineral-, und Futterschrank"

"Da geht es darum, die Natur wirklich nur noch als ein Material-, Mineral-, und Futterschrank zu sehen, den man ausräumt für seine eigenen Bedürfnisse", sagt Bonner. Und das sei ein kritischer Moment zu dem es in einigen Game Studies auch schon einige Publikationen gebe: "dass man eben ganz nach diesem christlichen oder auch puritanischen Verständnis von Natur als der von Gott gegebenen Küche ausgeht, aus der man sich dann bedienen kann."

Da die meisten "Open Worlds" zum Genre der Action-Adventure gehören, in denen Gefahr, Herausforderung und Kampf zentral sind, macht es spieltechnisch natürlich Sinn, den eigenen Avatar ständig weiterzuentwickeln und zu stärken. Etwa durch das Jagen von wilden Tieren – die praktischerweise regelmäßig "spawnen", also immer wieder frisch in die Spielwelt gesetzt werden.

Veraltete Mensch-Natur-Dichotomie

Dadurch, so Bonner werde eine ganz veraltete Mensch-Natur-Dichotomie inszeniert – zum Wohle der Aufbesserung oder zum Wohle der Bedürfnisse des Avatars bzw. der Spielerin. Nur sehr selten thematisieren diese großen, teuren, auf den Massenmarkt zielenden Spiele Umweltzerstörung und Artensterben.

Eine Ausnahme ist das Western-Spiel "Read Dead Redemption 2". Dort könne man etwa ein Holzfällerlager finden, wo man eben miterleben kann – über die Spielstunden hinweg– , dass ein Fichtenwald abgeholzt wird und der immer weiter zurücktritt, "bis das ganz kahl geschlagen ist und solche skulpturalen Felsnadeln als einziges übrig bleiben".

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