Papst Benedikt XVI. bei einer Generalaudienz 2012.
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Papst Benedikt XVI. bei einer Generalaudienz 2012.

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Tragischer Held? Neue Doku diskutiert Scheitern Benedikts XVI.

Joseph Ratzinger steht im Zentrum von "Verteidiger des Glaubens". Der auf dem DOK.fest in München gezeigte Film erzählt, wie er als Papst Benedikt XVI. sein Leben für den Schutz der Kirche einsetzte – und sie dabei in ihre größte Krise führte.

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Noch bis Sonntag läuft das DOK.fest in München. Zu sehen ist unter vielen anderen Filmen der Dokumentarfilm "Verteidiger des Glaubens". Er erzählt von einem Mann, der sein Leben dafür einsetzte, die Kirche – die ihm Heimat und Familie war – zu bewahren und sie dabei in ihre größte Krise führte: Joseph Ratzinger, der deutsche Papst Benedikt XVI.

Scheitern als Papst in 90 Minuten

Es sind die Bilder des umjubelten neuen Papstes, Benedikts XVI., die Filmemacher Christoph Röhl zu Beginn zeigt: die Euphorie eines historischen Moments, mit der er Fallhöhe aufbaut, für seinen tragischen Helden, Joseph Ratzinger. Denn in den folgenden 90 Minuten können die Zuschauer ihm dabei zusehen, wie Joseph Ratzinger als Theologe, Glaubenspräfekt und schließlich als Papst scheitert, bei seiner Mission den absolut wahren Glauben zu verteidigen gegen die von ihm so negativ bewertete moderne Welt.

Christoph Röhl erklärt die Tragödie seines Helden wie folgt: "Hier war ein Mann, der dachte, eine starke, autoritär geführte Kirche aufbauen zu müssen, um gegen den Teufel, gegen die Feinde letzten Endes angehen zu müssen. Für mich persönlich ist er eher Macbeth, der sehenden Auges Schuld auf sich geladen hat, als Ödipus, der blind war."

These: Ratzinger hat System des Machtmissbrauchs stabilisiert

Josef Ratzinger, der oft so scheu und wirklichkeitsfern wirkende Theologenpapst, so die These des Films, habe ein System stabilisiert, das den Machtmissbrauch und die sexuelle Gewalt in katholischen Einrichtungen stillschweigend duldete und somit möglich machte. Das zeigt Christoph Röhl am Beispiel der Missbrauchsfälle in Irland und anhand des Skandals um den Orden der Legionäre Christi. Dessen Gründer, der mexikanische Priester Marcial Maciel, hat sich selbst an Kindern vergangenen. Informationen darüber lagen Josef Ratzinger laut Film spätestens seit 1997 vor.

Der Theologe Wolfgang Beinert sowie andere Ratzinger-Kenner und Weggefährten stützen die Aussagen des Films mit ihren Statements. Alles in allem erzählt Filmemacher Christoph Röhl damit nichts Neues. Aber in seiner analytischen Schärfe entwickelt der Film eine ungeheure Wucht. Auch weil immer klar ist: Es geht um mehr als nur um einen Bub aus Bayern, der die Kirche in seiner Kindheit als eine heilige und heile Welt erlebte und schließlich Papst wurde: Josef Ratzinger steht in Röhls Film beispielhaft für einen bestimmten Typ des Klerikers, der das Ansehen der Kirche über das Leid der Opfer stellt.

Doris Wagner: "Er hat in Kauf genommen, dass Menschen leiden"

So sieht es auch die Theologin Doris Wagner, die als Betroffene im Film zu Wort kommt. Als junge Ordensschwester wurde sie von einem Priester sexuell missbraucht. Bei einer Podiumsdiskussion nach der Filmpremiere im Rahmen des Münchner Dok.fests sagte sie: "Er hat aus Überzeugung heraus, weil er wirklich gemeint hat, er muss die absolute Wahrheit schützen, in Kauf genommen, dass Menschen leiden."

Die Botschaft am Ende des Films ist klar: Mit Benedikt ist nicht nur ein Papst, sondern eine ganze Ära gescheitert. Seine Kirche als monarchistisch-autoritäres Gebilde ist am Ende – zumindest in den Augen vieler Gläubiger. Die letzten Bilder des Films zeigen aufbegehrende Katholiken in Irland, die gegen den Willen ihrer Kirche für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe protestieren.