Das Team von "Tout c'est bien passé" inkl. Sophie Marceau und Regisseur François Ozon in Cannes
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Das Team von "Tout c'est bien passé" inkl. Sophie Marceau und Regisseur François Ozon in Cannes

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Sterbehilfe und Nonnen-Sex: Erste Höhepunkte aus Cannes

Cannes ist wieder da. Nach einem Jahr Corona-Zwangspause präsentiert sich das Festival stark und starreich – und bietet thematisch neben Existenzfragen und Aktivismus auch wieder einen handfesten Skandal.

Das wichtigste, das glamouröseste Filmfestival ist zurück, nach einem Jahr Corona-Zwangspause. Und die Stars strömen zurück auf den roten Teppich an der Côte d’Azur. Die zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Bei bis zu 30 Grad und stets strahlendem Sonnenschein kommen Jury-Präsident Spike Lee - im knall-lila Anzug mit flamboyanter Sonnenbrille - Altmeisterin Catherine Deneuve, Matt Damon, Maggie Gyllenhaal und Vanessa Paradis genauso ins Schwitzen wie die Festivalbesucher, Autogrammjäger und die Presse.

Egal, das Festival läuft, und die Stars wie die Fans lieben es. Schauspielerin Vanessa Paradies betonte: "Wir strahlen in den elegantesten Kleidern, sind klasse angezogen, lachen. Nirgendwo wird das Kino größer gefeiert als in Cannes." Ähnlich begeistert Regisseur François Ozon: "Wie überwältigend ist es, hier Filme zu erleben! Auf der großen Leinwand. Es gibt nichts Größeres!" Und auch Marion Cotillard freut sich, dass es endlich wieder losgeht: "Das ist der Ort des Kinos, der immense Aufmerksamkeit schafft."

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Marion Cotillard in "Annette" (Filmszene)

Marion Cotillard singt und engagiert sich als Produzentin

Die Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard sorgte zusammen mit Adam Driver (weltbekannt als Star-Wars-Bösewicht Keylo Ren) für die nötige Starpower, um das Festival zu eröffnen. Sie spielen und singen im Musical "Annette". Zur Musik der Synthie-Popband Sparks erzählt der französische Regie-Egozentriker Leos Carax eine Liebesgeschichte zwischen einem zynischen Comedian und einer gefeierten Operndiva. Verstörend, kunstvoll, eigenwillig. Ein mörderisches Liebesspiel, bei dem die Suche nach Anerkennung tödlich endet. Marion Cotillard dazu in der Cannes-Pressekonferenz:

"Ich habe mich selbst immer wieder gefragt: Warum sehnen wir uns so nach Anerkennung? Und warum wollen wir auch von Menschen, die wir wir gar nicht persönlich kennen, geliebt, gehört, bewundert werden? Und egal wie groß der Ruhm und die Anerkennung ist: warum haben wir trotzdem diese Sehnsucht, die immer in uns unerfüllt bleibt?"

"Annette" ist nicht der einzige Film, für den Marion Cotillard nach Cannes gekommen ist. Sie produzierte auch den Dokumentarfilm "Bigger than us", der in Cannes in der neuen Sektion „Cinema for Climate“ gezeigt wurde. Sie nutzt ihre Berühmtheit für ein politisches Anliegen. Cotillard: „In meinem Leben ist die Kunst sehr wichtig. Ich erinnere mich noch gut, als meine Karriere nicht so lief, wie ich mir erhofft hatte. Da traf ich Leute von Greenpeace und überlegte kurz, ob ich die Schauspielerei aufgeben und lieber mit ihnen kämpfen sollte. Aber je länger ich nachdachte, merkte ich, dass das nicht mein Leben war. Ich bin keine Kriegerin. Jetzt habe ich aber einen Weg gefunden, meine Berühmtheit zu nutzen und ein Licht auf diese jungen Leute zu werfen, auf Aktivistinnen wie Melati und Mary."

In "Bigger than us" triffft die Umweltaktivistin Melati weltweit junge Frauen und Männer, die die Missstände in ihren Regionen bekämpfen, bei der Rettung Geflüchteter helfen, um Frauenrechte ringen oder Kinder in Flüchtlingslagern unterrichten. Ein mitreißender Film über die Notwendigkeit des Wandels.

Melati dazu im Interview mit kinokino: "Es geht um die Wirklichkeit und die Gestaltungsmöglichkeiten. Unsere Generation zeichnet aus, dass wir uns von den Herausforderungen nicht entmutigen lassen. Nein, im Gegenteil: wir sehen die Möglichkeit etwas zu anzupacken und vor allem auch das System zu ändern."

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Die Töchter müssen sich um das würdevolle Sterben des Vaters kümmern in "Tout c'est bien passé" - einer der Höhepunkte im Cannes-Wettbewerb.

Sophie Marceau muss ihrem Vater beim Sterben helfen

Immer wieder sind es die existentiellen Fragen, die hier im Kino verhandelt werden. Sophie Marceau wurde von Regisseur François Ozon für das Drama „Tous c’est bien passé“ besetzt. „Alles ist gut gelaufen“: eine Geschichte über den Tod, die Würde und die Sterbehilfe. Schriftstellerin Emmanuele erhält den Anruf: ihr Vater liegt nach einem Schlaganfall im Krankenhaus. Und er bitte sie, ihm dabei zu helfen, sein Leben zu beenden. In der Schweiz ist das möglich, in Frankreich nicht ...

Dazu Regisseur Ozon: "Was mich an dem Stoff interessiert hat, ist, wie grausam es ist, dass sich die Kinder in der Verantwortung wiederfinden, ihrem Vater beim Sterben zu helfen. Darum sollte sich der Staat kümmern und nicht die Kinder. Aber unser französisches Recht ist veraltet. Anders als in der Schweiz oder Belgien."

Ozon erzählt sein Sterbedrama elegant und nah an den Figuren, mischt unaufgeregt tragische und komische Momente. Im Zentrum des Films: Sophie Marceau als Tochter, die als Kind von ihrem Vater gedemütigt wurde und ihn doch über alles liebt. Und die nun schwerwiegende Entscheidungen fällen muss. Sophie Marecau: "Das ist eine Frage, über die nicht gesprochen wird. Über den eigenen Tod denkt man nicht gern nach. Aber er kommt auf uns alle zu. Und es geht nicht ums Danach, was passiert. Es geht ums Jetzt. Was macht man jetzt mit mir?"

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Von Keuschheit keine Spur: Virginie Efira als "Benedetta" (Filmszene)

Wilder Nonnen-Sex im 17-Jahrhundert: Der Skandalfilm "Benedetta"

Zu jedem guten Cannes-Jahrgang gehört auch der Skandalfilm. Für den sorgte diesmal „Basic Instinct“-Regisseur Paul Verhoeven, mit lesbischen Nonnen in "Benedetta". Im Zentrum die junge Benedetta, die als Nonne im Kloster lebt. Sie wird immer von Visionen heimgesucht. Doch dann geschieht der Sündenfall. Benedetta nimmt sich einer jungen Bäuerin an, die auf der Flucht vor ihrem gewaltvollen Vater im Kloster Zuflucht gesucht hat. Zwischen beiden entspinnt sich eine sexuelle Beziehung. Ein Film, der mit provokanten Szenen nicht geizt, und für den sich Regisseur Verhoeven den Vorwurf der Blasphemie anhören musste. Seine Reaktion:

"Mein Film ist doch keine Blasphemie. Wie kann man blasphemisch sein, wenn man sich an das hält, was passiert ist? Die Nonnen haben ja genau in Verhörprotokollen beschrieben, was sie getan haben. Sehr detailliert. Bartholomea hat sogar genau beschrieben, welche Sexualpraktiken sie mit Benedetta im Bett betrieben hat. Daher ist für mich der Vorwurf „Benedetta“ sei blasphemisch, einfach nur dämlich."

Schöne Frauen machen also unerlaubte Dinge. Das Endergebnis: ein echter Verhoeven. Herrlich trashig und zugleich eine schlaue Betrachtung selbstbestimmter weiblicher Sexualität. Auch wenn das Festival wegen zu laxen Umgangs mit Abstandsregeln in der Kritik steht: die Filme in Cannes zeugen auch in diesem Jahr von der ungebrochenen Kraft des Kinos.

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