In der Lobby des Monkswell Manor
Bildrechte: Sebastian C. Hoffmann/Theater an der Rott

Rätselraten: Wer ist der Mörder?

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Publikumsansturm auf Agatha Christies "Mausefalle"

Der britische Krimi-Klassiker begeistert immer noch: Das Theater an der Rott in Eggenfelden muss eine Sondervorstellung ansetzen, um den Zuschauerandrang bewältigen zu können. Werden tatsächlich alle "Augenzeugen" über den Täter schweigen?

Über dieses Thema berichtet: Kulturleben am .

Es ist eine Tradition, wie sie wohl nur in Großbritannien entsteht: Jeder, der Agatha Christies Schauspiel-Krimi "Die Mausefalle" gesehen hat, und das sind allein in London die Zuschauer von rund 29.000 Vorstellungen, soll eisern schweigen über den Namen des Doppelmörders, um nachfolgenden Interessenten nicht die Spannung zu nehmen. Selbstverständlich bewahrt auch die Presse das Geheimnis, zumindest die englische. Und weil die Autorin testamentarisch verfügt hat, dass ihr Stück erst dann am New Yorker Broadway herauskommen darf, wenn es im Londoner West End abgespielt ist, warten die Amerikaner seit 72 Jahren auf die dortige Premiere, denn seit November 1952 schnappt die Mausefalle an der Themse fast ununterbrochen zu: Nur die Corona-Pandemie erzwang eine Pause.

Merry Old England hat viele Fans

Überraschend, dass der Klassiker immer noch das Publikum begeistert, zumindest das niederbayerische: Selten gab es für ein Schauspiel am Theater an der Rott in Eggenfelden so einen Andrang. Intendantin Elke Schwab-Lohr musste sogar eine Zusatzvorstellung ansetzen. Aus Brandschutzgründen kann sie ihr Haus derzeit nur zur Hälfte füllen, die Plätze sind also knapp und wie sich herausgestellt hat, derzeit äußert begehrt. Der Grund liegt auf der Hand: Agatha Christie (1890 - 1976) ist unvergessen und dem altmodischen Charme des Merry Old England erliegen immer noch zahlreiche Krimi-Fans.

Daher orientieren sich Regisseurin Elke Schwab-Lohr und ihr Ausstatter Florian Angerer optisch auch ganz und gar an der frühen Nachkriegszeit, also der Miss-Marple-Ära, als die Kaminfeuer und die Schauergeschichten noch wohlige Wärme ausstrahlten. Monkswell Manor, wo Mollie (Katharina Heißenhuber) und Giles Ralston (Stefan Wunder) gerade ihre Pension eröffnet haben, prunkt mit neugotischen Bögen, knarrenden Holztreppen und Plüschmöbeln. An der Wand das schwarze Wählscheiben-Telefon, dessen Leitung plötzlich unterbrochen wird, so dass das eingeschneite Herrenhaus von der Außenwelt abgeschnitten ist. Draußen rieselt der Schnee, drinnen wird der Tee serviert. Die Küche ist bis auf Weiteres auf Dosenfleisch und Maiskonserven angewiesen, aber England ist ja ohnehin nicht gerade berühmt für seine Gastronomie.

Mit Wärmedecke und Five-o'clock-Darjeeling

Hier also treffen die illustren Gäste in der Lobby aufeinander und widmen sich ihren kleinen und großen Schrulligkeiten, bis der Polizei-Sergeant Trotter eintrifft und unangenehme Fragen stellt. In London nämlich ist eine Frau ermordet worden, und eine Spur führt nach Monkswell Manor. Dort kommt es zu einem weiteren Mord. Und, wie sich herausstellt, fast jeder hier hat Geheimnisse, die ihn zum Verdächtigen machen. Das ist über zweieinhalb Stunden hinweg ausgesprochen unterhaltsam anzuschauen. Mrs. Boyle (Yvonne Köstler), die pensionierte Familienrichterin, macht es sich mit einem Schmöker im Lehnsessel gemütlich, legt die Wärmedecke über den Schoß und schlürft aus einer dekorativen Tasse ihren Five-o'clock-Darjeeling: Genauso fühlt sich auch das Publikum: Tiefenentspannt, neugierig, bereit für eine Prise herbstlicher Gänsehaut.

Offenbar gibt es eine Sehnsucht nach diesem romantisch-unaufgeregten Theater, wie es in Großbritannien bis heute üblich ist. Hierzulande dagegen versuchen die meisten Regisseure ihre Stoffe ja möglichst aktuell zu deuten und zu bebildern, um gesellschaftliche Relevanz zu beweisen. Bei Agatha Christies ist das überflüssig, denn in der "Mausefalle" wird quasi nebenbei ein soziales Problem berührt: Nicht jede Pflegefamilie erweist sich ihren Aufgaben gewachsen und mancher ehemalige Zögling trägt bekanntlich lebenslang an den zugefügten Wunden.

Meisterdetektiv Hercule Poirot ist auch präsent

Alle Mitwirkenden sind mit einer gewissen Lässigkeit dabei, wie es sich für Agatha Christie gehört: Die "Mausefalle" ist nichts für hysterische Selbstdarsteller, sondern für Leute mit Selbstironie, nach dem berühmten englischen Motto aus dem Zweiten Weltkrieg: "Keep calm and carry on." Zum Ensemble gehört Norman Stehr als Major Metcalf, der sich insbesondere für Kellergewölbe begeistert, Eduard Zhukov als verkrachter Möchtegern-Architekt Christopher Wren, der auf keinen Fall erwachsen werden will, und Laura Puscheck als weitgereiste "Ausländerin" Miss Casewell, die recht sportlich unterwegs ist. Bonko Karadjov gibt den geheimnisvollen "Mr. Paravicini", der aussieht wie Inspektor Hercule Poirot und ständig einen anscheinend ganz wichtigen Kosmetikkoffer mit sich herumschleppt. Martin Dreiling kommt als Sergeant auf Skiern in den Landsitz und wedelt ohne Unterlass mit seinem schwarzen Notizbuch. Was da wohl drinsteht?

Bis zum 18. November schnappt die "Mausefalle" in Eggenfelden zu. Wenn alles klappt, ist sie auch bei den nächsten Bayerischen Theatertagen (29. Mai bis 16. Juni 2024) in Ingolstadt zu sehen, so dass auch ein überregionales Publikum in Monkswell Manor einchecken kann. Viel Vergnügen!

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