Bildrechte: Jochen Quast/Theater Regensburg

Shanty-Chor

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Ohne Mädchen vom Hausboot: "Fliegender Holländer" in Regensburg

Halb Satire, halb Gruselmärchen: Der "Fliegende Holländer" wurde von Heinrich Heine erfunden, von Richard Wagner vertont - in Regensburg gibt es von beiden etwas: Ironie und Leidenschaft, mit Hai und Hausboot. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Mag ja sein, dass viele davon träumen, aber so richtig aufregend ist ja weder ein Containerschiff, noch ein Hausboot: Kein Wunder, dass sich die schwärmerische Senta etwas mehr Abenteuer herbei sehnt. Ihr Vater Daland schippert als geschäftstüchtiger Kapitän auf der Kommandobrücke eines Riesenfrachters über die Ozeane, ihr Liebhaber Erik geht angeln und würde gern auf dem Wasser wohnen, mit Sonnenschirm und Veranda. Senta dagegen schaut sehnsüchtig hinaus auf die sturmumtoste See und wartet auf den sagenumwobenen "Fliegenden Holländer", der am Theater Regensburg allerdings auch nicht gerade wie ein fluchbeladener, romantischer Held aussieht: Grauer Anzug, schwarzer Regenmantel und ein Ruderboot am Schlepptau.

Heine wollte sich an "Prüden rächen"

Regisseur Uwe Schwarz inszenierte Wagners Seestück also mit viel Ironie, streckenweise sogar mit Klamauk - was der "Fliegende Holländer" aber ganz gut verträgt, schließlich wollte sich Heinrich Heine, der die Figur erfunden hat, damit nach eigener Aussage an den "Prüden rächen": "Es ist eine gute Geschichte, köstlich wie eingemachte Ananas oder wie frischer Kaviar, oder wie Trüffel in Burgunder", so Heine, und sie erzählt, wie "Männer im günstigsten Fall durch die Weiber zu Grunde gehn". Durchaus Stoff für eine heitere Satire also, erst Richard Wagner machte daraus eine Schauergeschichte, weil er eine in der Tat gruselige, nämlich stürmische Seefahrt mitgemacht hatte. Erfreulich, dass Regisseur Uwe Schwarz  gewissermaßen beide Lesarten inszenierte, den lustigen, anti-spießbürgerlichen "Holländer" von Heinrich Heine und den tragischen von Wagner, aber diese Mischung irritierte einige Zuschauer. Es gab am Ende einige zaghafte Proteste gegen die Inszenierung.

Haifisch und Shanty-Chor

Bühnenbildnerin Dorit Lievenbrück hatte das Geschehen in den Laderaum eines modernen Frachters verlagert: Rostige Stahlgestelle rahmten die Spielfläche ein. Natürlich gab es keine "Spinnstube", wo die braven Frauen ihrem Handwerk nachgehen, sondern stattdessen eine Beauty-Salon, in dem sich die Ladys langweilen. Im Hafen hängt ein Plastik-Hai in der Luft, darunter schunkelt ein Shantychor und macht Schleichwerbung für ein sehr norddeutsches Bier. Herrlich kunterbunt, dieser Abend, und trotzdem keine Persiflage: Senta und ihr "Fliegender Holländer" bleiben anrührend, bewegend, durchaus authentisch, aber eben nicht spießig und sentimental, und auch nicht überfrachtet mit irgendwelchen meist unfreiwillig komischen politischen Anspielungen. Diese Wagner-Oper eignet sich für optische Aktualisierungen am wenigsten, wie sich nicht zuletzt in Bayreuth herausgestellt hat.

Südsee-Schönheit im Bast-Rock

Musikalisch blieben in Regensburg ein paar Wünsche offen. Die Philharmoniker mussten sich bei der Ouvertüre wohl erst "warm" spielen, wurden unter der Leitung von Judith Kubitz dann aber souveräner. Der polnische Bariton Adam Kruzel in der Titelrolle bewies viel Kondition, beeindruckte mit seiner Stimmgewalt und seinem sensiblen Rollenporträt, artikulierte aber etwas gaumig. Elisabeth Teige war eine rundum überzeugende und im schwarzen Anzug mit Krawatte sehr maskuline Senta, die ihre Ballade vom Holländer erfreulich schnörkellos und selbstbewusst absolvierte. Ein Kerl von einer Frau! Jongmin Yoon überzeugte als Daland, Angelo Pollak als Steuermann, der von einer Südsee-Schönheit träumte, die auch tatsächlich ihre Hüften und den Bastrock schwenkte. Tenor Deniz Yilmaz hatte als Erik nicht seinen besten Tag erwischt und kämpfte bisweilen mit seiner heiseren Stimme. Heinrich Heine hätte der Abend sicher gefallen, schließlich wusste er: Selbst goldene Container machen nicht glücklich, allenfalls seekrank.

Wieder am 26. und 30. September.