Eine Szene aus der Serie "The Good Mothers": Lea Garofalo hält ihre Tochter Denise Cosco im Arm.
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Keine gewöhnliche Mafia-Serie: "The Good Mothers"

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Keine gewöhnliche Mafia-Serie: "The Good Mothers"

Sie brachten die berüchtigten 'Ndrangheta-Clans ins Wanken: Basierend auf der wahren Geschichte dreier Frauen ist eine italienisch-britische Serie auf der Berlinale mit dem ersten Series-Award ausgezeichnet worden - ein emotionales, spannendes Drama.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"The Good Mothers" ist ein Mafia-Drama. Aber vom weltweiten, organisierten Verbrechen, dem Ausmaß und den gesellschaftlichen Schäden der Waffen- und Drogengeschäfte, von Erpressung, Mord, Korruption und Geldwäsche, davon handelt diese Serie nicht. Sie konzentriert sich auf einen Teil der Mafia, der oft vernachlässigt und unterschätzt wird – von den Mafiosi genauso, wie von der Polizei und den Medien. Genau deshalb hat dieses Element die Macht, das gesamte System ins Wanken zu bringen: Die Frauen.

Die ehrgeizige Staatsanwältin Anna Colace will mit Hilfe der Frauen die berüchtigten kalabrischen 'Ndrangheta-Clans unterwandern. Doch davon erfahren wir erst am Ende der ersten Folge. Denn obwohl sie auf einem wahren Kriminalfall aus dem Jahr 2010 basiert, ist "The Good Mothers" keine Krimiserie. Stattdessen begleiten wir drei junge Frauen aus den Reihen der 'Ndrangheta. Giuseppina Pesce, Tochter eines lokalen Clan-Bosses, ihre Freundin Concetta Cacciola und die 17-Jährige Denise Cosco. Sie ist im Zeugenschutzprogramm aufgewachsen, weil ihre Mutter die Familie verraten hatte. Nach vielen Jahren kehren beide zu Beginn der Serie zu ihrem Vater zurück. Die Freude über die Familienzusammenführung ist kurz. Schon wenige Tage später verschwindet ihre Mutter spurlos und Denise soll sich den Regeln der Clans unterwerfen: Sie wird kontrolliert, überwacht, isoliert.

Ein System der Unglücklichen

Die Welt der Frauen ist sehr, sehr klein. Und so ist es auch der Erzählkosmos dieser Serie. Die Frauen sind fast immer in Innenräumen zu sehen, in den Wohnungen ihrer Großfamilien, in Küchen und Schlafzimmern, die Kamera verstärkt das Gefühl von Enge und Ausweglosigkeit mit vielen Nahaufnahmen. Außerhalb werden sie auf Schritt und Tritt beobachtet, ob auf dem Weg zur Schule der Kinder oder zum Supermarkt. Handys sind verboten, Freundschaften und Kontakte nach außen ebenso. Es ist eine Welt, in der Männer erbarmungslos sind und Frauen unterwürfig sein sollen - aber in der niemand wirklich glücklich ist. Giuseppina und Concetta wagen sich in eine Affäre – und setzen damit ihr Leben aufs Spiel.

Die jungen Frauen sehnen sich nach Liebe, einer Familie ohne Angst und einem selbstbestimmten Leben, für sich und vor allem für ihre Kinder. Diese Hoffnung auf Normalität weiß die Staatsanwältin Anna Colace zu nutzen. Sie sieht die Frauen nicht nur als Opfer, sondern auch als Komplizinnen ihrer Ehemänner, Söhne, Brüder und Väter: Giuseppina Pesce, Anfang 30 und Mutter dreier Kinder, erledigt Botengänge für die Kokainschmuggler und ist Zeugin bei geheimen Absprachen. Genau das macht sie für die Ermittlerin zu einer wichtigen Zeugin – doch die Loyalität der Frauen zu ihren Familien zu brechen, erfordert Härte – und viel Geduld. Auch für die Zuschauenden.

Gewalt wird nicht gezeigt

Die ersten beiden Folgen von "The Good Mothers" sind fast schon quälend langsam erzählt. So überträgt sich die Leidensfähigkeit der Frauen – die immerzu gefangen sind, einerseits in ihren Familien, später in Polizeihaft und dann im Zeugenschutz. Gewalt bestimmt das Leben aller Clan-Mitglieder. In Gangster-Filmen werden diese Exzesse oft verklärt – aber einen Einblick in die von Kontrollsucht und Paranoia geprägten Beziehungen bieten sie nicht. Der britische Regisseur Julian Jarrold (u.a. "The Crown") und seine italienische Kollegin Elisa Amoruso wollten sich mit "The Good Mothers" von diesem bekannten, oft verherrlichenden Mafia-Narrativ abgrenzen, erzählte Jarrold auf der Berlinale: "Die Serie bietet eine neue Perspektive auf das Thema. Die Gewalt findet off-screen statt, oder wir sehen nur die Konsequenzen davon. Als Regisseur wollte ich das Publikum durch die Augen der Charaktere blicken lassen, so dass es die archaischen Familienstrukturen wirklich verstehen kann."

Das gelingt "The Good Mothers" in den sechs einstündigen Episoden eindrücklich. Die Serie weist einen neuen Weg für True Crime Erzählungen auf, indem sie die Opfer und Geschädigten in den Mittelpunkt rückt, Empathie und Respekt für sie einfordert. Die Spannung, die klassische True-Crime-Stories in der Täterjagd und den Herausforderungen der Ermittelnden finden, fehlt in "The Good Mothers" trotzdem nicht. Sie ist in der Gefühlswelt der Protagonistinnen angelegt – und ihrem Kampf für Freiheit und Recht.

"The Good Mothers" ist beim Streamingdienst Disney+ abrufbar.

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