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Szenenausschnitt aus "Junk"

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Kapitalismus auf der Bühne: "Junk" im Münchner Residenztheater

Der Mensch als Schuldner hat sich und seine Zukunft verkauft. Weil er das, wovon er glaubt, dass er es morgen verdient haben wird, heute schon ausgibt. Weil er alles ins Jetzt holt. In das Jetzt des Kredits und des Konsums. Von Stephanie Metzger

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Den „Gründungsmythos“ zum amerikanischen Finanzkapitalismus und zum Menschen als Schuldner will Autor Ayad Akthar in „Junk“ auf die Bühne bringen. Eine Tragödie jenseits der Möglichkeiten des Tragischen, denn die einst fühlenden Helden haben in „Junk“ ihre Rolle abgegeben an den Homo Oeconomicus, den Wirtschafter und Rechner. Weshalb das Stück vielleicht auch nur vordergründig mit den Versatzstücken der tragischen Gattung spielt. Und weshalb in der bedrohlich zirkulierenden Rotunde, die Tina Lanik auf die Drehbühne des Residenztheaters bauen ließ, vor allem eines abläuft: ein perfektes well made play. So funktional und rational wie seine Figuren. Konsequent also, aber auch sehr konventionell.

Faszination von Schrottanleihen

Der New Yorker Investmentbanker Robert Merkin schafft aus nichts alles. Ein Visionär und vom latenten Antisemitismus der Branche Gekränkter. Er verdient Mitte der 80er Jahre sein Geld mit feindlichen Übernahmen krankender Unternehmen, finanziert mit Krediten, die er mit dem zu erwartenden Vermögen des zu kaufenden Unternehmens tilgen will. Mit Junk also, mit Schrottanleihen. Im Fokus seines neuen Deals: Everson Steel, ein Traditionsunternehmen, dessen Chef bei Oliver Nägele ein überfordert weinerlicher Nostalgiker ist, der noch an die Verantwortung glaubt gegenüber Produkt, Belegschaft und Nation. Aber gerade deshalb im Räderwerk der Spekulanten zerrieben wird. Beide haben Berater und Mitstreiter – weniger in Zahl die Mitstreiterinnen – die altmodisch loyal sind oder zeitgemäß illoyal, die zur Skrupellosigkeit auffordern oder einfach nur ihre Haut retten wollen. Gerade wenn sie von der dritten Instanz im dramatischen Konstrukt unter Druck gesetzt werden: Der Staatsanwalt Addesso will Merkin dran kriegen und zollt am Ende wie alle andere dem Geld- und Machtsystem seinen Tribut. Ein kollektiver Kampf in der Arena des Marktes oder ein ewiges Ritual in der Kathedrale der Gläubiger. Selbst am Schluss mutiert die Konstruktion nicht zum Gefängnis, in dem Merkin zwei Jahre absitzen muss. Das System läuft weiter, Kerker samt Wärter werden zum Nukleus eines neuen Kreditkonzeptrs für den kleinen Mann und seinen Traum vom Eigenheim.

Kollektiver Kampf in der Arena des Geldes

Vom Makro - zum Mikrosystem, mit Folgen, die wir kennen. Eine raffinierte Schlusspointe in diesem Wirtschaftskrimi, dem Tina Lanik inszenatorisch wenig hinzufügt. Und den man genauso bereits im Kino oder Fernsehen gesehen zu haben glaubt. Den einen mag das unterhalten, trotz des Tempos der Informationsvergabe vielleicht sogar aufklären über das Geschäft mit den monetären Fiktionen. Aber anderen wird das nicht reichen.