Zach Condon von der Band Beirut
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"Hadsel" von Beirut: Das neue Album der Indie-Band ist ideal für graue Herbsttage

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"Hadsel" und die Kirchenorgel: Neuer Indie-Pop von Beirut

Beirut, die fast ein Dutzend Personen umfassende Orchester-Band um Zach Condon, benennt ihre Alben gern nach Orten, die sie inspirierten. Ihr neues Album heißt "Hadsel", ein norwegischer Ort, wo Condon die Pumporgel für sich entdeckte.

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Hadsel also. Gut 8.000 Einwohner, Nord-Norwegen. Viel Schnee, Wind und Dunkelheit. Und so ohne weiteres lässt sich jetzt gar nicht ergoogeln, ob Hadsel jetzt der Orts- oder Inselname ist oder so eine Art Landkreis. Macht nix.

Die entscheidende Info ist ohnehin: Es gibt eine Dorfkirche in Hadsel mit einer Pumporgel, ein Druckwindharmonium aus dem 19. Jahrhundert. Anfang 2020 verbringt Zach Condon alias Beirut sehr viel Zeit mit dem Hadsel-Harmonium. Condon hatte kofferweise Instrumente nach Hadsel mitgebracht – und auch einen Haufen Probleme.

Musikeremit inmitten von Schnee, Sturm, Dunkelheit

Da sind die Schuldgefühle seiner Band gegenüber, weil er die Welttournee 2019 abrupt abrechen muss: Stimme im Eimer und Nervenzusammenbruch. All die psychischen Probleme aus seiner Jugend waren wieder hochgekommen. Zu groß die Erschöpfung nach 17 Jahren permanenten Tourens und zu laut die Stimmen im Kopf des hypersensiblen Condon bis hin zum Realitätsverlust. Und jetzt: Hardcore- Realität in arktischer Umgebung. Leben als Musikeremit inmitten von Schnee, Sturm, Dunkelheit und dem Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Musik machen zu können, die so ist wie Hadsel.

"Die Orgel steht für mich für die Feuerstelle in der warmen Hütte, und das Schlagzeug und die Beats geben die verschiedenen Wetterzustände wieder inklusive der Hurricane-artigen Stürme", erzählt Zach Condon. Das wurde zur täglichen Routine. Seine tragbare Bandmaschine zur Kirchenorgel tragen, aufnehmen und in den dunklen, verschneiten Nächten das Songmaterial mit Trompetensounds, modularen Synthesizern und einer Reihe rätselhaft klingender Instrumente zu Songs formen mit Songtiteln, die wie die Kapitel eines Tagebuchs klingen: 18. Januar, Arctic Forest, Island Life.

Mit psychischen Problemen leben lernen

Und noch etwas hat Beirut gemacht: Freundschaften geschlossen, neue Bekannte in Hadsel getroffen – und die Nachbarn fingen an, ihm Kekse und Fische zum Braten vorbeizubringen. Und jetzt? Happy end nach dem Motto: Angeknackster Musiker nimmt in nordischer Einsamkeit ein Album auf und kommt geheilt von der Arktis zurück?

"Ich mach' eine Platte und jetzt bin ich wieder gesund, das klingt zwar nett, aber so funktioniert das nicht", sagt Condon. Keine Therapie, kein Medikament der Welt können einen endgültig heilen und befreien von psychischen Problemen. Er habe gelernt, mit ihnen zu leben, sie zu akzeptieren, sagt der 37-Jährige. Und der begeisterte Rezensent von Beiruts neuem Album gesteht: "Ich habe auch gelernt, mit meiner Sucht zu leben, der Sucht nach diesem sehnsüchtigen Trompeten- und Melancholie-Walzer-Sound von Beirut." Vor allem beim Stück namens "Süddeutsches Ton-Bild-Studio", da, wo die Orgel anfängt zu schweben.

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