Eine junge Frau liegt im Bett, der Hund an ihrer Seite.
Bildrechte: © Sputnik Oy / Pandora Film, Foto: Malla Hukkane

Ansa (Alma Pöysti) und ihr Hund

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Nostalgie-Kino: "Fallende Blätter" von Aki Kaurismäki

Niemand steht so sehr für feinsinnig-nostalgisches Herbstkino wie der finnische Regisseur Aki Kaurismäki. Außenseiter sind seine Protagonisten, Abgehängte, für die es aber immer einen Funken Hoffnung gibt. Jetzt beweist sich der Regisseur erneut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Es dauert nur wenige Momente, schon ist man mittendrin im wundersam-drolligen Universum von Aki Kaurismäki, in dem Männer in ihr Bierglas starren und dem Schaum beim Verschwinden zusehen. "Fallende Blätter", die neue Tragikomödie des finnischen Autorenfilmers, ist einmal mehr ein Panoptikum chronisch wortkarger und lakonischer Charaktere.

Holappa, ein schlaksiger Bauarbeiter mit tiefen Augenringen und ohne Perspektiven, ist der traurigste von ihnen. Er ist Anfang 40, Alkoholiker, Single und sein Leben gleicht dem zusammengeklebten Scherbenhaufen, der als Spiegel im Spind seines Zimmers hängt.

Eine kleine Liebe: Holappa und Ansa

Weil Aki Kaurismäki seine Figuren zwar stolpern, stürzen, aber auch wieder aufstehen lässt, leuchtet auch für Holappa ein Licht am Ende des Karaoke-Bar-Flurs. Zu den Klängen einer live geschmetterten Schubert-Serenade verguckt er sich in die Supermarkt-Angestellte Ansa.

Auch sie ist von einer Aura der Einsamkeit umgeben. Über allerlei Umwege klappt ein erstes Kino-Date, er bekommt ihre Nummer, verliert den Zettel, aber nicht die Hoffnung.

Tragikomödie made in Helsinki

Während Ansa Tag für Tag auf einen Anruf wartet, wartet Holappa Abend für Abend vor dem Kino, darauf spekulierend, dass auch seine namenlose Angebetete ihn dort suchen könnte. Und tatsächlich geht die Rechnung auf.

Auf Happy End programmiert ist die zärtlich-schräge Liebesgeschichte deswegen aber noch lange nicht. Schließlich ist "Fallende Blätter" eine Tragikomödie made in Helsinki, Hollywood-Regeln sind Kaurismäki ein Graus.

Video: Trailer von "Fallende Blätter"

Seine Vorbilder heißen Godard, Visconti oder Robert Bresson, Poster ihrer Werke schmücken im Film die Kino- und Kneipenwände. Auch der poetische Realismus des Franzosen Marcel Carné und die surrealen Welten von Luis Buñuel haben Aufbau und Dramaturgie von "Fallende Blätter" beeinflusst: Die Menschen leben und arbeiten in dunklen und engen Räumen, wirken wie Gefangene auf der Bühne des Lebens.

Hommage an das kleine Glück

Den größten Einfluss jedoch habe das britische Liebesdrama "Brief Encounters" von David Lean gehabt, erklärte Kaurismäki im Mai nach der Premiere in Cannes. Auch eine kleine Liebesgeschichte kann große Gefühle transportieren – das hat Lean mit seinem Schwarz-Weiß-Klassiker gezeigt und das beweist Kaurismäki nun auf seine ganz eigene Weise.

"Fallende Blätter" ist einer der schönsten und melancholischsten Filme des Jahres. Eine Hommage an das Glück der kleinen Dinge, an die Liebe und den Glauben daran, an das Kino als Realitätsflucht-Räumlichkeit, die zum Staunen einlädt. Bevor Ansa und Holappa bereit sind, an Träume fernab der Leinwand zu glauben, müssen sie noch jede Menge Höhen und Tiefen durchleben.

Am Ende aber verlassen sie ihre Höhlen der Einsamkeit und realisieren, dass Helsinki mehr zu bieten hat als dunkle Gassen und trostlose Absturzkneipen. Ein gemeinsamer Spaziergang durch eine Parkanlage ist das Versprechen einer herbstlich erleuchtenden Zukunft.

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