Mehrfarbige Glasschalen von Cornelius Réer
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Zum Herstellen von Glas ist enorm viel Energie nötig. Angesichts der Kostenexplosion hat sich Cornelius Réer was einfallen lassen.

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Energiekosten: Glaskünstler Cornelius Réer erfindet neue Technik

Die hohen Energiekosten machen auch der Glasindustrie stark zu schaffen. Der Nürnberger Glaskünstler Cornelius Réer hat eine neue, energiesparende Technik erfunden - und damit prompt den Bayerischen Staatspreis 2023 gewonnen. Ein Porträt.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Große, aufwändig geformte Vasen mit mehreren farbigen Glasschichten übereinander. Trinkbecher mit buntem Rand und Griffmulden für die Finger, die Dellen werden einfach ins noch warme weiche Glas gedrückt. Oder die Serie "Inside-Out", ein Ensemble von verschiedenfarbigen Schalen und Vasen, die man so in- und übereinander stecken kann, dass sie eine Skulptur ergeben – und wenn man mal eine Schüssel braucht, nimmt man sie einfach auseinander.

Energiepreis ist "der blanke Horror"

100 verschiedene Einzelstücke hat Cornelius Réer im Angebot, oder besser: hatte. Denn einige der besonders aufwändigen Stücke fliegen aus dem Programm. Der Grund liegt in der Luft. Mollig warm ist es in der Werkstatt, und das liegt an den Öfen, die der Glasmacher für seine Arbeit braucht, jawohl: Öfen, Mehrzahl, leider. "Es gibt einen neuen Energiepreis, der der blanke Horror ist, man kann es nicht anders sagen, ich habe eine Verfünffachung meiner Gaskosten, ich habe eine gigantische Stromnachzahlung vom letzten Jahr", sagt Cornelius Réer.

Ganz ohne Öfen geht’s aber nicht: In einer Art Mini-Pizzaofen werden die Pfeifenspitzen warmgehalten, ein anderer dient zum langsamen Abkühlen der heißen Stücke. Überließe man die einfach der Raumtemperatur, würden sie zerspringen. Und dann ist da noch der Glasschmelzofen, das eigentliche Sorgenkind: "Das ist ein Ofen, in dem das Rohmaterial geschmolzen wird,", sagt Réer. "Wenn der einmal wirklich oben auf Temperatur ist, läuft der über Monate durch, das ist nicht wie bei der Keramik, wo man mal hoch und mal runtergeht, sondern der muss dann einfach kontinuierlich zwischen 950 und 1.200 Grad laufen."

Réers Lösung ist der Kälteschock

Man kann die Preise seiner Produkte erhöhen, man kann versuchen, schneller zu arbeiten, aber eigentlich ist doch klar: Die Energiekosten müssen runter. Natürlich bei gleichbleibend hohem künstlerischen Anspruch! Réers Lösung lautet Kälteschock. Statt das Glas in eine Holzform zu blasen, es dabei kontinuierlich zu drehen und ihm im noch gar nicht erwähnten Ofen Nummer 4 noch einen feinen geschmolzenen Rand zu verpassen, arbeitet er dafür mit einer Metallform. "Man geht mit einer heißen Glasblase rein, bläst den Körper sehr fest an die dann kalte Stahlform und auf der Oberfläche runzelt sich vor lauter Kälteschock das Glas zusammen und gibt so eine wellige Oberfläche", sagt Réer. Das sei spannend, weil damit die flüssige Materialbeschaffenheit des Glases, die man im kalten Zustand nicht im Vordergrund habe, wieder auf die Oberfläche trete.

Spannend ist nicht nur die wellige Oberfläche, die wie vom Wind gekräuseltes Wasser aussieht und sich auch in der Hand gut anfühlt, spannend ist auch, dass Cornelius Réer dank der aufklappbaren Metallformen jetzt asymmetrisch arbeiten kann: Jetzt kann Réer zum Beispiel auf ovaler Grundfläche arbeiten, kann einzelne Teile gegenläufig verdrehen oder wie bei den Stapelbechern "Pool" den oberen Teil an einer Seite ein bisschen überstehen lassen.

"Quick and dirty"

Zu den komplexen Formen gesellen sich helle Farben, lichtgrün, hellblau, zartgelb und ergeben ein gänzlich neues, zeitgemäßes Produkt: "Ich sage ja zu dieser Technik quick and dirty… es kommt nicht so ganz drauf an, dass es so superästhetisch und perfekt rüberkommt das Material. Da die wellige Oberfläche vieles verzeiht, hat Cornelius Réer weniger Ausschuss, auch das spart letztlich Energie. Für einige große Vasen in Kälteschock-Technik hat Réer im Frühjahr direkt den Bayerischen Staatspreis gewonnen. Gerade ist er dabei, eine Karaffe mit einem kleinen Knick zu machen und streift sich ein Paar knallrote Handschuhe über.

Mit der Glasmacher-Pfeife nimmt er das flüssige Glas auf, stellt sich auf ein kleines Podest, führt die Pfeife in die Öffnung der Metallform am Boden vor sich und bläst, so dass sich die Glasblase an die Innenwände der Form legt. Dann öffnet seine Mitarbeiterin die Form und die Karaffe kommt in den Abkühlofen. Mit dem Kontakt zum Ofen war's das für dieses Stück dann, allerdings erfordert die Technik sehr viel Schleifarbeit. Das macht ein bisschen weniger Spaß, verursacht aber deutlich weniger Energiekosten. Ziel ist es, den Schmelzofen statt der ursprünglichen neun Monate jetzt nur noch fünf Monate laufen zu lassen.

"Meine Motivation mir das Ganze hier anzutun, also diese Hitze, diese Belastung, all diese Dinge irgendwie, ist zu entwickeln, neue Dinge zu machen, lieber entwickle ich etwas, als dass ich alte Serien nochmal und nochmal und nochmal produziere. Gleichzeitig weiß ich ganz genau, ist das die beste Handwerkspflege, die man machen kann" sagt der Künstler.

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