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Katholische und evangelische Kirche - bald nur noch zur Hälfte vorhanden?

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Dramatische Mitgliederprognose: Kirchen reagieren gelassen

Eine Studie des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge zeigt: Bis zum Jahr 2060 wird sich die Zahl der Kirchenmitglieder halbieren. Auftraggeber der Studie: die beiden großen Kirchen. Die haben mit diesen ernüchternden Zahlen gerechnet.

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Es sei fünf vor zwölf, die Kirchen müssten jetzt handeln, sagt Andreas Barner, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Soll heißen: Noch ist es nicht zu spät, um gegenzusteuern.

"Wenn wir das Austrittsverhalten beeinflussen wollen, müssen wir jetzt aktiv werden. Wenn wir das jetzt verschlafen, kommen die Kirchen, auf jeden Fall die Evangelische Kirche, in ein ganz schwieriges Fahrwasser. Deshalb heute die Zeit nutzen, um morgen vorbereitet zu sein." Andreas Barner, Rat der EKD

Das Bild, das das Freiburger Forschungszentrum Generationenverträge von der Zukunft zeichnet, ist düster: Bis zum Jahr 2060 werden evangelische und katholische Kirche etwa die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren. Trotzdem warnt Peter Beer, Generalvikar im Erzbistum München-Freising, vor Alarmismus. Die Zahlen seien nicht vom Himmel gefallen.

Die Kirchen werden schrumpfen - sie wissen es längst

Tatsächlich gehen die Mitgliederzahlen konstant zurück: Jahr für Jahr verlassen zigtausende Menschen die Kirchen. Allein in Bayern gab es im Jahr 2017 368.000 Kirchenaustritte. Das entspricht der Einwohnerzahl einer Großstadt. Diesen Negativtrend müssen die Kirchen stoppen, wenn sie überleben wollen.

"Gerade in der jetzigen Zeit, wenn sie an die unterschiedlichen Skandale denken, müssen wir vor allem daran denken, dass wir glaubwürdig sind. Wenn wir also nicht glaubwürdig sind, können wir auch nicht Glauben verkündigen, für Glauben einstehen. Das ist ja unsere Hauptaufgabe." Peter Beer, Generalvikar Erzbistum München und Freising

Nach Missbrauchsskandalen und Finanzaffären hat das Image der Kirchen enorm gelitten. Zu schaffen macht ihnen neben dieser Vertrauenskrise ein gesellschaftlicher Trend: die Säkularisierung. Viele Menschen wollen sich nicht mehr an eine religiöse Institution binden, geschweige denn dafür Kirchensteuer bezahlen.

Bayern weniger säkular als der Rest Deutschlands

In Bayern ist die Kirchenbindung immer noch deutlich höher als im Rest des Landes, weshalb der Rückgang im Freistaat nicht ganz so stark ausfällt wie im Bundesdurchschnitt. In der Projektion des Forschungszentrums Generationenverträge wird die evangelische Landeskirche bis 2060 etwa 44 Prozent ihrer Mitglieder verlieren, also weniger als die Hälfte. Die katholischen Bistümer melden ähnliche Szenarien. Für Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist die Studie ein Weckruf: Kirche müsse wieder attraktiv werden.

"Wir müssen als Kirche ausstrahlen, wovon wir sprechen. Wenn wir von der Liebe Gottes sprechen, dann sollen die Menschen diese Liebe auch spüren. Wir müssen einladend sein in unseren Gottesdiensten, aber auch in der Art, wie wir Menschen grundsätzlich begegnen." Heinrich Bedford-Strohm EKD-Ratsvorsitzender

Weniger Kirchenmitglieder bedeutet auch weniger Finanzmittel, die den Kirchen künftig zur Verfügung stehen. Die Freiburger Studie wird den Bischöfen dabei helfen, die Gemeinden auf unpopuläre Maßnahmen vorzubereiten: Die Kirchen werden Angebote streichen müssen und weiter Gemeinden zusammenlegen. Und sie werden sich nicht mehr alle Gebäude leisten können.

Das Bild spricht Bände: Die Zukunft der Kirchen sieht aus wie eine Urne

Peter Beer, der Generalvikar des Erzbistums München-Freising bestätigt: "Der Erhalt eines Kirchengebäudes - gerade eines historischen Gebäudes - kann sehr, sehr teuer werden. Und wir müssen uns bei geringer werdenden Mitteln die Frage stellen: Worin wollen wir investieren: In Steine oder in Menschen?"

Demografische Statistiken erklären sich am Besten in Bildern. Zum Beispiel im Bild der Bevölkerungspyramide. Das traurige Bild, das das Forschungszentrum Generationenverträge von der Kirche im Jahr 2060 zeichnet, gleicht am ehesten einer Urne: den Sockel bilden wenige Junge, nur oben, bei den über 70-Jährigen wird das Gefäß breiter - für die Kirchen ein mehr als deutliches Warnsignal.

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