documenta: Generaldirektorin Schormann legt Amt nieder
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documenta: Generaldirektorin Schormann legt Amt nieder

Die Generaldirektorin der documenta fifteen, Sabine Schormann, legt ihr Amt nieder. Man habe sich einvernehmlich geeinigt, ihren Dienstvertrag aufzulösen, teilte der Aufsichtsrat mit. Schormann zog damit die Konsequenz aus dem Antisemitismus-Eklat.

Vor dem Hintergrund des Streits um antisemitische Motive auf der documenta in Kassel wird die Generaldirektorin Sabine Schormann abberufen. Nach einer Krisensitzung des documenta-Aufsichtsrats am Freitagabend teilten der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) und Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) am Samstag mit, man habe einvernehmlich mit Schormann beschlossen, ihren Geschäftsführervertrag kurzfristig aufzulösen. Es werde zunächst eine Interimsnachfolge angestrebt.

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Antisemitisches Kunstwerk sorgt für Empörung

Ein Werk mit antisemitischer Bildsprache war nach einer Welle der Empörung nur wenige Tage nach dem Beginn der Weltkunstausstellung abgebaut worden. Schon Monate zuvor hatte es Antisemitismus-Vorwürfe gegen das kuratierende Künstlerkollektiv Ruangrupa aus Indonesien gegeben.

Der Aufsichtsrat distanzierte sich deutlich von dem Werk. "Die Präsentation des Banners 'People‘s Justice' des Künstlerkollektivs Taring Padi mit seiner antisemitischen Bildsprache war eine klare Grenzüberschreitung und der documenta wurde damit ein erheblicher Schaden zugefügt." Der Vorfall müsse zeitnah aufgeklärt werden.

Vorwurf der Untätigkeit gegen Sabine Schormann

In den vergangenen Wochen waren immer wieder Rücktrittsforderungen gegen die 60-Jährige erhoben worden. Ihr wurde unter anderem Untätigkeit bei der Aufarbeitung des Skandals vorgeworfen.

Zuletzt hatte sich der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, als Berater der documenta zurückgezogen. Er hatte eigentlich Teil einer Expertenkommission sein sollen, die die verbliebenen Werke der documenta auf weitere antisemitische Inhalte prüfen sollte. Schormann habe ihren Ansagen aber keine Taten folgen lassen, kritisierte er. In der Folge erklärte mit Hito Steyerl eine der international wichtigsten Künstlerinnen, ihre Werke von der documenta abzuziehen.

Erst 2018 als documenta-Generaldirektorin nach Kassel gewechselt

Schormann war im Herbst 2018 als Generaldirektorin nach Kassel gewechselt. Im Jahr zuvor war die gemeinnützige documenta GmbH wegen eines Millionendefizits bei der documenta 14 im Jahr 2017 in die Schlagzeilen geraten. Die damalige Geschäftsführerin, die Kunsthistorikerin Annette Kulenkampf, hatte daraufhin ihr Amt niedergelegt. Übergangsweise hatte zunächst der Musikmanager Wolfgang Orthmayr die Geschäfte geführt.

Vor ihrem Wechsel zur documenta war Schormann in Doppelfunktion Direktorin der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der VGH-Stiftung gewesen. Zu den Aufgaben der 60-Jährigen in Kassel gehörte unter anderem die Vorbereitung und Organisation der documenta fifteen. Die gebürtige Bad Homburgerin ist Germanistin und Kulturmanagerin. In den 1980er-Jahren studierte sie Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Mainz. 1992 wurde sie zu einem Thema über Bettina von Arnim promoviert.

Kulturstaatsministerin Roth begrüßt Abberufung

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, haben die Abberufung der documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann begrüßt. "Es ist richtig und notwendig, dass nun die Aufarbeitung erfolgen kann, wie es zur Ausstellung antisemitischer Bildsprache kommen konnte, sowie die nötigen Konsequenzen für die Kunstausstellung zu ziehen", sagte Roth der "Frankfurter Rundschau".

Die Kulturstaatsministerin begrüßte zudem, dass die beiden Gesellschafter - die Stadt Kassel und das Land Hessen – sich bei der Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals von einer fachwissenschaftlichen Begleitung beraten sowie Strukturen und Verantwortlichkeiten bei der documenta überprüfen lassen wollen. "Das sind erste wichtige Schritte in Richtung einer notwendigen Neuaufstellung dieses so wichtigen Fixpunktes für die zeitgenössische Kunst weltweit", erklärte Roth nach Angaben der Zeitung.

Antisemitismus-Beauftragter Klein: "Rücktritt war überfällig"

Klein sagte der "Bild am Sonntag" laut Vorabmeldung: "Nach dem verheerenden Umgang mit den Antisemitismusvorwürfen bei der documenta und dem vollständigen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit war der Rücktritt von Frau Schormann überfällig." Nun komme es darauf an, die notwendigen strukturellen Konsequenzen zu ziehen. "Antisemitismus darf in keiner Form im Kulturleben akzeptiert werden, gleichgültig woher die Kulturschaffenden kommen", erklärte Klein.

Der kulturpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Helge Lindh, bezeichnete in der "Welt am Sonntag" die Auflösung ihres Dienstvertrages als "überfälligen Befreiungsschlag aus einem Teufelskreis von Missmanagement und Misskommunikation".

Linda Teuteberg, innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion zuständig für jüdisches Leben, hält die Abberufung für überfällig. "Der Antisemitismus-Skandal der Documenta ist einer mit Ansage und weist über die Kunstschau hinaus: Israelbezogener Antisemitismus ist wie jede Erscheinungsform des Antisemitismus inakzeptabel, Verharmlosungen unter Verweis auf den 'globalen Süden' ebenso", sagte sie der Zeitung.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger forderte: "Nun muss es zur Prüfung der Kunstwerke kommen." Erhard Grundl, kulturpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte: "Frau Schormann gibt den Weg frei, endlich konstruktiv die Debatte darüber führen zu können, wie es zur Ausstellung antisemitischer Bilder auf der Documenta fifteen kommen konnte. Diese Debatte ist überfällig und sie ist entscheidend, gerade weil wir die Documenta als eine der wichtigsten Kunstausstellungen der Welt erhalten müssen."

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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