Schrifstellerin Donna Leon
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Wird sie bald aus Bildern retuschiert? Schriftstellerin Donna Leon.

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Donna Leon zu Eingriffen in Klassiker: "Das nennt man Zensur"

Die Bestseller-Autorin Donna Leon warnt vor Veränderungen der Literatur-Klassiker. In Bezug auf rassistische Begriffe in Büchern sagte sie in einem aktuellen Interview: "Wir können nicht ändern, was die Menschen gefühlt und gesagt haben."

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Die Bestseller-Autorin Donna Leon (80) sieht eine neue Zeit der Zensur gekommen. Angesprochen darauf, welche Bücher sie in ihrer Kindheit vorgelesen bekommen habe, erzählte sie in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom norwegischen Märchen "Drei Böcke Brausewind", in dem ein gruseliger Troll drei Böcke vom Überqueren einer Brücke abhält. Sie habe sich als Kind vor diesem Troll gefürchtet. "Heute wäre sowas verboten", meinte Leon. "Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt." Das Märchen "Drei Böcke Brausewind" ist nach wie vor frei erhältlich.

Vergleiche mit dem kommunistischen Russland

Leon allerdings wittert eine Ära der Schreibverbote: "Das gefällt mir ganz und gar nicht. Das nennt man Zensur", fuhr die Schriftstellerin fort. Die Praxis, in Literatur-Klassikern wie "Pippi Langstrumpf" rassistische Sprache durch neue Begriffe zu ersetzen, verglich Donna Leon mit der Geschichtsklitterung der Sowjets: "Im Namen von Werten und Moral redigieren die Leute die Vergangenheit um - genauso, wie es die Kommunisten in Russland gemacht haben", sagte die 80-Jährige: "Wer eben noch am Tag des Sieges mitmarschierte, wurde im nächsten Jahr schon wieder aus dem Foto retuschiert."

Die Diskussion um "Pippi Langstrumpf" ist allerdings schon ein paar Jahre her: Der Oetinger Verlag hatte mit Einverständnis von Astrid Lindgrens Erben im Jahr 2009 einen rassistischen Begriff aus "Pippi Langstrumpf" durch ein anderes Wort ersetzt. Donna Leon plädiert hingegen dafür, die Sprache der Vergangenheit als Teil der Geschichte anzuerkennen: "Wir können nicht ändern, was die Menschen gefühlt und gesagt haben", sagte sie, "Viele von uns würden sicher auch gern die Grausamkeiten vergessen machen, die sie selbst gesagt haben. Aber es ist eben geschehen." Andere Stimmen weisen hier auf das rassistische Erbe unserer Sprache hin und plädieren für eine aktive Auseinandersetzung mit selbigem.

Protestbriefe wegen toter Hunde

Debatten über das Für und Wider einer Überarbeitung von Literatur gibt es in regelmäßigen Abständen, zuletzt kam es im März zu Diskussionen um "James Bond"-Romane, in deren Jubiläums-Ausgaben ebenfalls rassistische Begriffe ersetzt worden waren. Einige Verlage beschäftigen mittlerweile sogenannte Sensitivity-Reader, die Literatur auf problematische Begriffe und Rassismen durchleuchten sollen. Auch dazu gibt es Zensur-Vorwürfe, andere sehen im Sensitivity-Reading nicht mehr als eine zeitgemäße Erweiterung des Lektorats.

Gegen ihre eigenen Bücher sei noch nie ein Proteststurm entbrannt, sagte Leon - mit einer Ausnahme: Nachdem sie in einem ihrer Krimis einen Hund habe sterben lassen, hätten Leser Protestbriefe geschrieben: "Wahrscheinlich habe ich in meinen Krimis an die 50 Menschen sterben lassen. Das stört keinen. Aber bei einem Golden Retriever hört der Spaß auf."

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