Der palästinensische Regisseur Basel Adra (l) und der israelische Regisseur Yuval Abraham (r) bei der Preisverleihung der Berlinale.
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Der palästinensische Regisseur Basel Adra (l) und der israelische Regisseur Yuval Abraham (r) bei der Preisverleihung der Berlinale.

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Berlinale-Eklat: Wie sich Kontroversen auffangen lassen

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber der Berlinale verhallen nicht. Politiker machen der Festivalleitung Vorwürfe. Doch lassen sich solche Vorfälle überhaupt verhindern? Daniel Sponsel vom Münchner DOK.fest hat Ideen – warnt aber vor Selbstzensur.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

"Es gibt viele Menschen, die Macht haben in diesem Raum, Ministerinnen und Minister, Menschen, deren Stimme gehört wird. Und wir müssen aufrufen zu einem Waffenstillstand und zu einer politischen Lösung und zum Ende der Besatzung." Das sagte der israelische Regisseur Yuval Abraham während seiner Dankesrede für den Dokumentarfilmpreis auf der Preisverleihung der Berlinale am Samstagabend.

Ein applaudierendes Publikum, Glückwünsche seitens der Moderation und keine Intervention durch die Leitung. Die Preisverleihung geht vorüber, die Berlinale ist vorbei, und die Vorwürfe sind in der Welt: Das Festival habe antisemitischen Ausfällen eine Bühne gegeben.

Daniel Sponsel: Vorbereitet sein

Es hätte nicht so weit kommen müssen, so Daniel Sponsel, der Leiter des Münchner Dokfests, der sich seit Jahren auf solchen Szenarien gefasst macht: "Man hat natürlich Handlungsspielräume und in dem konkreten Fall muss man sehr gut vorbereitet sein. Das kam jetzt nicht unerwartet. Zum Zweiten muss man dann in der Moderation in der Lage sein, ganz stark zu intervenieren. Man muss klar vonseiten des Veranstalters, der Veranstalterin signalisieren, dass gewisse rote Linien nicht überschritten werden dürfen, dass das an diesem Punkt beendet wird. Und da muss man natürlich extrem durchsetzungsstark sein als Moderation bzw. Veranstalter."

Kontroversen einordnen, nicht verbieten

Nicht nur das. Eine Dankesrede zu unterbinden, den emotionalen Höhepunkt jahrelanger Dreharbeit richtig einzuschätzen, die Grenzen zu bestimmen und im richtigen Moment zu ziehen, das erfordert auch ein enormes Gespür für sensible Themen. Dass das immer gegeben ist, darauf kann man sich nicht verlassen, so Sponsel.

Das Dokfest bereitet sich nun mit noch größerer Akribie als sonst vor. Kontroverse Statements zu verbieten, wäre für eine offene Debatte allerdings nicht förderlich. Denn über freien Meinungsaustausch würden sich Kulturveranstaltungen schließlich definieren, so Sponsel. Aber man könne der vielseitigen politischen Instrumentalisierung vorbeugen, indem man das Thema einordnet, beispielsweise in einer Gesprächsreihe.

"Wenn wir uns für Filme entscheiden, von denen wir Kontroversen erwarten, kann man dem insoweit vorgreifen, dass man die Kontroversen antizipiert," so Sponsel, "nicht nur in dem, was man tun würde, wenn so etwas passiert. Sondern, indem man sie als Chronik einer angekündigten Kontroverse etabliert. Dann nimmt man schon etwas den Wind aus den Segeln. Dann kann man sich zumindest nicht vorwerfen lassen, man sei da naiv hineingegangen. Das ist so ein Vorgehen, das wir gerade erarbeiten – und natürlich die ganzen Kommunikationsketten in so einem Fall. Entscheidend ist das Tempo, in dem man reagiert."

Im schlimmsten Fall Selbstzensur

Das sollte aber bestenfalls gar nicht eintreten. Und deswegen schaut das Dokfest schon im Vorhinein ganz genau auf die Programmauswahl, so Sponsel. Einen Film wie "No Other Land", dessen Regisseur bei der Berlinale von "Apartheid" sprach, sollte man schon zeigen können.

"Natürlich sind wir jetzt in dem Dilemma vorher abzuwägen, was an Kontroverse lasse ich zu, was erwarte ich, welche Filme zeige ich und welche nicht? Das ist bedauerlich, dass wir diese Erwägungen als Erkenntnis aus dem Vorgefallenen nun noch mehr ziehen müssen, mit der Frage: Was verträgt das Festival und was vielleicht nicht? Im worst case würde das für viele Kulturveranstaltungen zu einer Art Selbstzensur führen."

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