Uigurische Sicherheitskräfte patrouillieren in der Nähe der Id-Kah-Moschee in der westchinesischen Region Xinjiang (Archivbild).
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Uigurische Sicherheitskräfte patrouillieren in der Nähe der Id-Kah-Moschee in der westchinesischen Region Xinjiang (Archivbild).

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UN: Mögliche "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" in Xinjiang

Die Vereinten Nationen haben "schwere Menschenrechtsverletzungen" in der chinesischen Region Xinjiang angeprangert. Ein neuer UN-Bericht gibt eine Einschätzung zur Lage der muslimischen Minderheit der Uiguren ab. China weist Vorwürfe als Lüge zurück.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Vormittag am .

Der Bericht der Vereinten Nationen wurde seit Monaten mit Spannung erwartet: In der chinesischen Region Xinjiang sind nach Einschätzung des UN-Menschenrechtsbüros womöglich "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen worden. Zu diesem Schluss kommt die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet.

UN-Bericht spricht von Folter in Xinjiang

Sie veröffentlichte das Dokument am Mittwochabend um kurz vor Mitternacht - und damit wenige Minuten vor dem Ende ihrer Amtszeit. Die Beschreibungen von Menschen, die in sogenannten Berufsbildungseinrichtungen festgehalten wurden, hätten Muster von Folter oder anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung aufgezeigt, heißt es darin.

In der Nordwestregion gibt es schon lange Spannungen zwischen den herrschenden Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten. Seit blutigen Unruhen 2009 und Terroranschlägen greifen die Sicherheitskräfte hart durch. Uiguren beklagen kulturelle und religiöse Unterdrückung, während Peking uigurischen Gruppen Extremismus und Separatismus vorwirft. Nach Angaben von Menschenrechtlern sind Hunderttausende Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten in Umerziehungslager gesteckt worden. Vor einigen Wochen hatten geleakte Fotos der "Xinjiang Police Files" die brutale Unterdrückung von Uiguren gezeigt.

  • Zum Artikel: Fotos enthüllen Grauen in chinesischen Internierungslagern

China weist Vorwürfe scharf zurück

"Das Ausmaß der willkürlichen und diskriminierenden Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen (...) könnte internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darstellen", heißt es in dem 48-seitigen Bericht. Den Menschen seien von 2017 bis 2019 und möglicherweise darüber hinaus fundamentale Rechte vorenthalten worden.

China hatte sämtliche ähnlich lautende Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen bereits in der Vergangenheit als Lügen zurückgewiesen - als "Lüge des Jahrhunderts". Außerdem stemmte sich das Land gegen eine Veröffentlichung des Menschenrechtsberichts: Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums nannte den Report am Mittwoch eine "Farce", "die von den USA und einer kleinen Zahl westlicher Mächte inszeniert wurde". Die Regierung in Peking spricht von Ausbildungszentren und Maßnahmen im Kampf gegen Terrorismus und Separatismus.

Einweisung als "Form des Freiheitsentzugs"

Laut UN-Bericht ist es in den Anstalten "zu willkürlichen Inhaftierungen in großem Umfang" gekommen. Die Einweisung sei "eine Form des Freiheitsentzugs" gewesen. Es habe glaubhafte Berichte über Vergewaltigungen gegeben, aber das Ausmaß sei nicht festzustellen gewesen. "Das pauschale Leugnen aller Anschuldigungen durch die Regierung sowie (...) Angriffe auf diejenigen, die über ihre Erfahrungen berichtet haben, haben die Demütigung und das Leid der Überlebenden noch verstärkt", heißt es in dem Bericht.

Bis zu eine Million inhaftierte Uiguren?

Die genaue Zahl der Betroffenen sei nicht zu ermitteln gewesen. Das Büro zitiert Quellen, die von bis zu einer Million Inhaftierten sprechen. Die Menschen, mit denen das Büro sprach, hätten berichtet, dass sie von Bewaffneten bewacht wurden und sie die Einrichtungen entgegen chinesischer Darstellung nicht nach freiem Willen verlassen konnten. Sie hätten keinen oder kaum Kontakt zu ihrer Familie gehabt und seien vor Gesprächen gezwungen worden, sich positiv zu äußern. Die chinesischen Definitionen von Terrorismus und Extremismus seien vage, moniert das UN-Menschenrechtsbüro.

Die internationale Staatengemeinschaft müsse sich "dringend" mit der Menschenrechtslage in Xinjiang befassen. Der Vorwurf des Genozids, wie ihn unter anderem die USA erheben, wird in dem Bericht nicht erhoben.

  • Zum Artikel: "Xinjiang Police Files: Europäische Diplomaten in China überwacht"

Kritik an UN-Hochkommissarin für Menschenrechte

Der Bericht sollte schon im vergangenen Jahr veröffentlicht werden. Bachelet zögerte aber, weil sie mit China monatelang darüber verhandelte, ins Land reisen zu können. Sie habe immer auf Dialog gesetzt, teilte sie am Mittwochabend mit. "Dialog (...) bedeutet nicht, dass ich etwas dulde, übersehe oder die Augen verschließe", sagte Bachelet. "Und es schließt nicht aus, seine Meinung zu sagen."

Die Reise kam im Mai 2022 zustande. Sie reiste auch nach Xinjiang, doch hielt sie sich zum Ende des Besuchs mit Kritik an Pekings Vorgehen in der Region stark zurück. Das brachte Bachelet selbst Kritik ein, unter anderem von der Bundesregierung. Bachelet war seit 2018 im Amt. Sie stand unter immensem Druck, wie sie vergangene Woche berichtete. Sie bewarb sich nicht um eine zweite Amtszeit. Einen Nachfolger hat UN-Generalsekretär António Guterres noch nicht benannt.

Menschenrechtsorganisationen begrüßen Veröffentlichung

Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Veröffentlichung des Berichts. Der Bericht lege die "massiven Grundrechtsverletzungen durch China" offen, erklärte Sophie Richardson von Human Rights Watch. Amnesty International forderte vom UN-Menschenrechtsrat die Einrichtung eines unabhängigen internationalen Mechanismus, um zu Verbrechen in Xinjiang zu ermitteln.

Mit Material von dpa und AFP.

Michelle Bachelet
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Zehn Minuten vor Ende ihrer Amtszeit hat UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet einen brisanten Bericht veröffentlicht.

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