Eröffnung der Woche für das Leben am 22.04.2023 im Dom von Osnabrück
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Eröffnung der Woche für das Leben am 22.04.2023 im Dom von Osnabrück

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Woche für das Leben: Bruch zwischen Katholiken und Protestanten

Mit der jährlichen Aktion "Woche für das Leben" treten die beiden großen Kirchen seit 1994 für den Lebensschutz ein. Jetzt steigt die evangelische Kirche aus dem Projekt aus. Die katholische Kirche kann dies "nicht nachvollziehen".

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Dieser Artikel wurde am 29. Juni aktualisiert, nachdem die EKD ihren Ausstieg offiziell bestätigt hat.

Noch im April stellten die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland die "existenziellen Krisen der jungen Generation" in den Mittelpunkt ihrer "Woche für das Leben". Jetzt scheint eines der ältesten gemeinsamen Projekte der beiden großen Kirchen selbst in einer Krise zu stecken.

Bischofskonferenz bestätigt Ausstieg der Protestanten

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz bestätigte am Montag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), sie sei schriftlich von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) darüber informiert worden, dass diese aus dem ökumenischen Projekt aussteigen wolle. Zuerst hatte der Bremer "Weserkurier" darüber berichtet. Demnach hat der Rat der EKD in der vergangenen Woche in Berlin den Ausstieg beschlossen.

Die EKD hielt sich zunächst bedeckt und teilte am Montag auf Anfrage von BR24 nur mit, dass man derzeit in Gesprächen über die weitere Gestaltung der Themenwoche sei. "Dazu stehen wir im Austausch mit unseren katholischen Partnern." Am Mittwoch dann die Bestätigung: Die EKD ziehe sich aus der ökumenischen Lebensschutz-Initiative zurück.

Die EKD werde sich ab dem kommenden Jahr in anderen Formaten für die Themen des Lebensschutzes einsetzen, sagte ein EKD-Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch. Die ökumenische Initiative wird demnach 2024 letztmals mit Beteiligung der EKD stattfinden.

Grund dafür sei, dass die öffentliche Wirkung der "Woche für das Leben" in den vergangenen Jahren "nur noch sehr partiell und regional unterschiedlich" gegeben gewesen sei. Die Themen des Lebensschutzes blieben gesellschaftlich für die evangelische Kirche von höchster Bedeutung, betonte der Sprecher.

"Woche für das Leben" seit 1994 ökumenisch

1991 hatten die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die bundesweite Aktionswoche ins Leben gerufen, 1994 hatte sich die EKD angeschlossen. Ziel ist es, gemeinsam für den Schutz menschlichen Lebens in all seinen Phasen einzutreten. Dabei ging es bisher aber nicht nur um Themen wie Abtreibung und Sterbehilfe. In diesem Jahr etwa beschäftigte sich die Aktionswoche unter dem Motto "Generation Z(ukunft). Sinnsuche zwischen Angst und Perspektive" um die Sorgen junger Menschen vor Krisen wie Krieg, Klimawandel und Corona-Pandemie.

Die Deutsche Bischofskonferenz bedauere den Ausstieg der EKD, sagte Sprecher Matthias Kopp der KNA: "Wir sind traurig, dass eine der ältesten ökumenischen Initiativen in Deutschland, die sich seit fast 30 Jahren als wichtiger Beitrag zur Bewusstseinsbildung für den Wert und die Würde des menschlichen Lebens einsetzt, für die EKD keine Relevanz mehr hat."

Die aktuellen Themen lägen auf dem Tisch - von der Suizidprävention über die Frage von Demenz bis hin zu einem würdevollen Sterben im Alter: "Wir können nicht nachvollziehen, dass die EKD dieses gemeinsame Projekt, bei dem wir als Kirchen mit einer Stimme in der Öffentlichkeit aufgetreten sind, verlässt."

Wo die Ansichten bei Sterbehilfe und Abtreibung auseinandergehen

Nicht bei allen Themen zu Fragen am Lebensanfang und Lebensende vertreten die beiden Kirchen eine gemeinsame Position. So einigten sich die Protestanten beispielsweise im Mai 2022 nach langer Diskussion darauf, dass assistierter Suizid in Ausnahmefällen in den Häusern der evangelischen Diakonie möglich ist. Damit schließt sie die Form der Sterbehilfe anders als die katholische Caritas nicht komplett aus.

Auch bei der Frage der Abtreibung nimmt die evangelische Kirche differenziertere Positionen ein und erlaubt in einigen Fällen den Schwangerschaftsabbruch. Die katholische Kirche lehnt generell die Abtreibung ab und betrachtet sie als moralisch falsch, da sie das menschliche Leben von der Empfängnis an schützt.

Des Weiteren lehnt die katholische Kirche die Verwendung von künstlichen Verhütungsmitteln ab und unterstützt stattdessen natürliche Familienplanungsmethoden. Auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) lehnt sie ab, da dabei im Rahmen der künstlichen Befruchtung Embryonen untersucht und möglicherweise ausgewählt oder verworfen werden. Die evangelische Kirche hat zu beiden Themen keine einheitliche Haltung und lässt ihren Mitgliedern die persönliche Entscheidungsfreiheit in diesen Fragen.

Katholische Bischöfe wollen im September beraten

Die katholischen Bischöfe, sagt deren Sprecher, wollten bei ihrer nächsten Vollversammlung im September in Wiesbaden über den Fortbestand der "Woche für das Leben" beraten. Diese werde dann möglicherweise nicht mehr ökumenisch stattfinden.

Mit Informationen von KNA und epd

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