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US-Wahl: Das steckt hinter den Trump-Klagen gegen die Auszählung

Während Biden auf dem Weg ist, die Präsidentschaftswahlen für sich zu entscheiden, klagt das Trump-Lager gegen die Auszählungen in mehreren Staaten. Wo und gegen was geklagt wird, und wie die Erfolgschancen aussehen. Eine Analyse.

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Die Zerreißprobe hatte sich angebahnt: Präsident Donald Trump hatte über Monate angedeutet, dass er eine mögliche Wahlniederlage nicht anerkennen würde. Dabei schoss er sich vor allem auf die Briefwahl ein – als "größten Betrug in der Geschichte unseres Landes" bezeichnete er das Corona-bedingt massenhafte Abstimmen per Brief, für das die Demokraten vorab die Werbetrommel gerührt hatten.

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Noch in der Wahlnacht gab Trump ein Statement ab. Das sei Betrug an der amerikanischen Öffentlichkeit, wetterte Trump da, er wolle den Supreme Court einschalten. Präsident Trump sprach davon, dass er die Wahl schon gewonnen habe. Dabei lag noch kein Ergebnis vor und die Wahlzettel wurden – und werden auch 36 Stunden später immer noch – ausgezählt. Die Politikwissenschaftlerin Joyce Mushaben kritisiert: "Typisch Trump. Er hält sich nicht an die Gesetze, nicht an die Verfassung. Es ist äußerst besorgniserregend. Er unterminiert das Vertrauen in die demokratischen Organisationen."

Noch chaotischer als die Wahl 2016?

Die emeritierte Professorin der Georgetown Universität Mushaben empfindet die Wahl als "noch chaotischer als 2016." Sie gibt zu bedenken: "Wir hatten im Jahr 2000 schon einen ähnlichen Fall. Mit Bush gegen Al Gore." Mushaben ist sich sicher, die Spaltung im Land werde noch lange andauern. "Trumps Demokratieverständnis ist wirklich besorgniserregend."

Klagen gegen Auszählung in vier Staaten

Das Trump-Lager hat nun in vier Staaten geklagt. Entweder soll die Auszählung gestoppt werden oder es soll besseren Zugang für republikanische Wahlbeobachter geben. Es geht dabei um die vier Battleground States Pennsylvania, Michigan, Georgia und Nevada. Die Klagen, die Auszählungen zu stoppen, wurden in erster Instanz bereits abgelehnt. Das Trump-Lager kündigte aber bereits weitere rechtliche Schritte an.

Die Klagen in Pennsylvania

Es war bereits vorab klar, dass es in Pennsylvania dauern würde, bis die Wahlzettel aus vorzeitiger Stimmenabgabe und Briefwahl ausgezählt sein würden, da diese dort dem Gesetz nach erst am Wahltag geöffnet werden dürfen. Einen Vorstoß, diese Stimmen früher zu bearbeiten, blockten die Republikaner im Parlament von Pennsylvania ab. Und so dauert die Auszählung dort an - und der Staat gerät in den Fokus der politischen Debatte.

Eric Trump, der Sohn des Präsidenten, warf den Demokraten Wahlbetrug vor. "Die Demokraten wissen, dass sie die Präsidentschaftswahl nur durch Betrügereien im US-Bundesstaat Pennsylvania gewinnen können", erklärte der Präsidentensohn. Auch Trump-Anwalt Rudy Giuliani erklärte auf einer Presskonferenz in Philadelphia, dass die Demokraten versuchen würden, die Wahl zu stehlen. Für die Vorwürfe gibt es keinerlei Belege. Der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, reagierte umgehend und verteidigte dem demokratischen Prozess: "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um sicherzustellen, dass jede Stimme ausgezählt wird."

Politischer Kampf um Deadlines für Briefwahl-Stimmen

In Pennsylvania dürfen Briefwahl-Stimmen noch drei Tage nach der Wahl ankommen und mitgezählt werden, wenn sie einen Poststempel vom Wahltag haben. Diese Regelung landete vor der Wahl vor dem Supreme Court – dort gab es ein 4:4-Unentschieden bei den Richter-Stimmen, weswegen sie nicht gekippt wurde. Nun klagen die Republikaner in Pennsylvania erneut gegen die Regelung und fragten den Supreme Court an, sich dieser Klage anzuschließen. Auch, weil sich drei der konservativen Richter offen dafür zeigten, das Thema nach der Wahl noch mal aufzugreifen. Zudem ist inzwischen mit Amy Coney Barrett eine weitere konservative Richterin beim Höchsten Gericht.

Ob der Supreme Court die Klage aufgreift, ist gegenwärtig offen. Auch ist unklar, wie hoch die Zahl der Stimmen sein wird, die bis Freitag noch in den Wahllokalen eintrifft und ob diese den Wahlausgang in dem Staat beeinflussen werden. Vorsorglich wurden die Stimmen, die am 3. November nach 17 Uhr Ortszeit eingetroffen sind, separat gesammelt, wie Offizielle mitgeteilt haben.

Neben der Klage wegen der Deadline für eingetroffene Briefwahl-Stimmen hat das Trump-Lager eine zweite Klage eingereicht. Die verlangt einen Stopp der Auszählung aufgrund von mangelnder Transparenz. In der Klageschrift wird demokratischen Offiziellen vorgeworfen, den Prozess der Auszählung vor republikanischen Wahlbeobachtern zu "verstecken".

In Pennsylvania geht es um 20 Stimmen im Wahlleute-Gremium.

Die Klage in Georgia

Noch steht in Georgia kein Endergebnis fest. Doch auch in dem Südstaat klagt das Trump-Lager und will erreichen, dass Stimmen, die nach der Wahl-Deadline eingetroffen sind, separat gesammelt und gesichert werden. Anlass ist, dass ein republikanischer Wahlbeobachter gesehen haben will, wie 53 zu spät eingetroffene Wahlzettel "illegal auf dem Stapel der pünktlich abgegebenen Stimmen" landeten.

In Georgia geht es um 16 Stimmen im Wahlleute-Gremium.

Die Klage in Michigan

Joe Biden ist in Michigan bereits als Sieger ausgerufen worden. Nun fordert das Trump-Team in einer Klage, Wahlzettel zu überprüfen, die "geöffnet und gezählt wurden, während wir keinen bedeutenden Zugang hatten". Auch hier geht es also darum, dass es für republikanische Wahlbeobachter angeblich nicht ausreichend Zugang zu den Auszählungen gegeben habe. Zudem sollen bis dahin keine weiteren Stimmen mehr ausgezählt werden.

In Michigan geht es ebenfalls um 16 Stimmen im Wahlleute-Gremium.

Was viele im demokratischen Lager besonders kritisieren: Das Trump-Lage fordert in den Staaten einen Stopp oder eine Überprüfung der Auszählung, in denen Trump (Stand 5.11., 14.15 Uhr MEZ) knapp vorne liegt (Pennsylvania und Georgia) oder lange vorne lag (Michigan). In Nevada und Arizona, in denen Trump zurückliegt und aufholt, betonen sie die Wichtigkeit, dass jede Stimme gezählt werden müsse.

Die Klage in Nevada

Auch in Nevada klagen die Republikaner. Hier geht es um einen bestimmten Fall in Clark County. In dem Bezirk beanstandet das Trump-Lager eine Maschine, die die Unterschriften auf den Briefwahl-Zetteln mit denen in der behördlichen Datenbank hinterlegten abgleicht. Die Klage reichten die Republikaner aber bereits am Montag ein.

Im ganzen Staat soll zudem ebenfalls die Auszählung der Briefwahl-Stimmen gestoppt werden. Trump hat angekündigt, heute eine Pressekonferenz in Las Vegas um 17.30 Uhr deutscher Zeit abzuhalten. Nach Informationen von Fox News soll dort eine weitere Klage angekündigt werden.

Die Situation in Wisconsin

In Wisconsin gibt es zwar keine Klage des Trump-Lagers, allerdings gibt es in dem Staat per Gesetz die Möglichkeit, eine Neuauszählung zu beantragen, wenn der Stimmen-Unterschied der Kandidaten bei unter einem Prozentpunkt liegt. Das will das Trump-Lager nun tun. Der Stimmen-Unterschied liegt nach gegenwärtigen Angaben bei etwas mehr als 20.000 pro Biden. Scott Walker, ehemaliger republikanischer Gouverneur des Staates, geht bei dieser Differenz nicht davon aus, dass sich an dem Ergebnis etwas ändern wird. Die Kosten für die Neuauszählung muss derjenige tragen, der sie beantragt.

2016 gewann Trump den Staat - damals gab es ebenfalls ein knappes Ergebnis, der Republikaner entschied Wisconsin mit rund 23.000 Stimmen Vorsprung für sich. Jill Stein, Kandidatin der Grünen, beantragte anschließend eine Neuauszählung. Bei dieser wurde das Ergebnis um lediglich 131 Stimmen korrigiert.

Wie stehen die Chancen?

"Ich glaube, das meiste dieses Rechtsstreits ist ein verzweifelter Versuch und wird wahrscheinlich keinen Erfolg haben", erklärte Franita Tolson, Jura-Professorin an der USC Gould School of Law und CNN-Expertin, dem Sender. Ihrer Meinung nach gehe es kurzfristig nur darum, das Narrativ im Kampf um das Weiße Haus zu bestimmen.

Rick Hasen, ebenfalls Jura-Professor und Experte für CNN, erklärte dem Sender ebenfalls, dass er die Klagen mehr als PR-Maßnahme denn als seriöse Streitsache sehe. CNN zitiert Justin Levitt, einen Wahlexperten und Jura-Professor damit, dass die Klagen "lachhaft" seien.

Lediglich die Klage gegen das Auszählen von Stimmen in Pennsylvania, die mit zeitigem Poststempel, aber erst bis zu drei Tage nach der Wahl eintrafen, könnten eine längere juristische Auseinandersetzung nach sich ziehen – vor allem dann, wenn der Stimmen-Unterschied gering und Pennsylvania der entscheidende Staat werden sollte.

Hinweis: Prof. Joyce Mushaben und ARD-Korrespondent Torsten Teichmann sind zum Thema US-Wahl zu hören im BR-Podcast Dossier Politik.

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Politologe Bierling: Trumps Klagen sind nur Show
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