Verkehrsschild weist auf eine Tempo-30-Zone hin
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Verkehrsschild weist auf eine Tempo-30-Zone hin

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Kommunen wollen selbst über Tempo-30-Zonen entscheiden

Die Bundesregierung will das Straßenverkehrsgesetz überarbeiten. Dadurch soll unter anderem die Anordnung von Tempo 30 einfacher werden. Vielen Städten und Kommunen reicht das allerdings nicht, sie wollen das alleinige Sagen bei Tempo 30.

Über dieses Thema berichtet: Rundschau Magazin am .

Großaitingen und Roden sind seit wenigen Tagen mit dabei, Gochsheim und Oberschleißheim haben sich im August angeschlossen: Die bayerischen Gemeinden sind Teil der Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden".

Ihr Ziel: Kommunen sollen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts anordnen können – und zwar, wo sie es für notwendig halten und ohne weitere Einschränkungen. Bislang ist das nicht ohne weiteres möglich.

"Mehr Mitsprache wäre ganz wichtig"

Johannes Albert ist der Bürgermeister der Gemeinde Roden in Unterfranken. Im BR24-Interview erzählt er, dass schon sein Vorgänger versucht hat, für einen Teil der Hauptstraße Tempo 30 zu erwirken. Ohne Erfolg. "Die Straße macht dort eine S-Kurve, sie ist unübersichtlich und in einem schlechten Zustand. Wenn dort zwei Lkw mit Tempo 50 unterwegs sind, dann wird das auch auf den Gehwegen eng", sagt Albert.

Der CSU-Politiker berichtet, dass das Tempo-30-Ersuchen unter anderem deshalb von der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Landratsamt Main-Spessart, abgelehnt wurde, weil es dort keinen Unfallschwerpunkt gibt. Der Bürgermeister wünscht sich deshalb ganz dringend, dass die Gemeinden mehr Mitspracherecht bei Tempo-30-Entscheidungen bekommen. Dann nämlich dürfte auf einem Teil der Rodener Hauptstraße nur 30 km/h schnell gefahren werden.

Kommunen wollen "zielgerichtet" handeln

Mit dieser Forderung ist Johannes Albert nicht allein. Nach Informationen der Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden" fordern mittlerweile mehr als 900 Städte, Gemeinden und Landkreise, dass sie selbst entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeit angeordnet wird – "zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen".

In vielen Orten in Deutschland und auch in Bayern gilt bereits auf der Mehrzahl der Straßen Tempo 30. Der meiste Verkehr allerdings rollt – so wie in Roden – auf den Hauptstraßen. Und dort gilt Tempo 50. Ausnahmen sind auch auf diesen viel befahrenen Straßen möglich – und zwar, wenn eine Schule, eine Kita, ein Altenheim oder ein Krankenhaus am Straßenrand liegen. Das ist allerdings kein Automatismus. Jedes Tempolimit wird separat geprüft und bewertet.

Mehr Handlungsspielraum für Kommunen geplant

Die Bundesregierung will Städten und Kommunen entgegenkommen und arbeitet an einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes. Ein Beschluss des Kabinetts liegt bereits vor, jetzt wird erstmals der neunseitige Entwurf im Bundestag behandelt.

Die Ampelparteien wollen die Vorgaben im Straßenverkehrsrecht ändern. Künftig sollen neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden. So sollen Busspuren und Radwege leichter eingerichtet werden können – ebenso wie Tempo-30-Regelungen. Laut Bundesverkehrsministerium betrifft das Spielplätze, hochfrequentierte Schulwege und Fußgängerüberwege; außerdem sollen zwei Tempo-30-Strecken verbunden werden dürfen, damit der Verkehr besser fließt.

"Wir wollen erreichen, dass die Kommunen nicht erst warten müssen, bis ein Unfall passiert ist", berichtet der Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar, Obmann im Verkehrsausschuss: "Sie sollen aufgrund ihrer Einschätzung vor Ort entscheiden dürfen und nicht, weil der Gesetzgeber einen Katalog aus Berlin vorgeben hat."

FDP bremst bei flächendeckendem Tempo 30

Wie so häufig in den vergangenen Wochen und Monaten gibt es auch bei diesem Thema in der Ampel höchst unterschiedliche Interessen. Die Grünen wie Stefan Gelbhaar sympathisieren beispielsweise mit den Forderungen der Initiative, deren Mitglieder völlig selbstständig entscheiden wollen über die Geschwindigkeiten in ihren Ortschaften.

Die FDP hat jedoch Vorbehalte. Bereits bei der Verabschiedung durch das Bundeskabinett hatte Verkehrsminister Wissing von den Liberalen erneut darauf hingewiesen, dass es mit der anstehenden Änderung des Straßenverkehrsgesetzes nicht zu einem flächendeckendem Tempo 30 in Städten kommen wird. Es bleibe, so der FDP-Politiker, innerorts bei einer Regelgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern.

"Schritt in die richtige Richtung"

Kritik an den Vorhaben kommt auch von den kommunalen Spitzenverbänden. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Bundesregierung wolle die Ausweisung von Tempo-30-Zonen etwa an Spielplätzen oder Schulwegen vereinfachen: "Das ist gut und richtig. Aber eine grundsätzliche Entscheidung hin zu mehr kommunaler Entscheidungshoheit ist das nicht."

Verbesserungsbedarf sieht auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund, spricht aber zumindest von einem Schritt in die richtige Richtung. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg begrüßt den Vorschlag, Tempo 30 beispielsweise nicht nur direkt vor einer Schule oder einer Kita, sondern auch an der gefährlichen Kreuzung auf dem Weg dorthin einrichten zu können. Viele Kommunen könnten damit den Schilderwald zumindest teilweise etwas lichten.

Verbesserungsbedarf sieht er aber beim Thema Handlungsfreiheit. Wobei er darauf hinweist, dass es ihm nicht um ein generelles Tempo 30 geht, er wolle nur, dass am Ende Städte und Gemeinde selbst entscheiden können, welchen Weg sie beim Tempolimit gehen wollen.

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