Die Grünen seien scheinheilig in ihrem Protest gegen die Rodung des Hambacher Forsts bei Köln. Dieser Vorwurf trifft die Partei auch in Bayern rund um die Landtagswahlen. Denn sie hätte in NRW der Abholzung zugestimmt. Das heißt es auch immer wieder in Kommentaren auf der BR24-Facebook-Seite. Sogar im Parteien-Wahlkampf kam der Angriff auf die Grünen: Der CSU-Kreisverband Roth legte über ein Foto der Grünen zum Protest im Hambacher Forst eine Sprechblase, in der sie eine frühere Genehmigung der Rodung durch die Grünen behaupteten.
Wir prüfen das.
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Der Wald, um den es geht, hat nach Angaben des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine 12.000 Jahre lange Geschichte. Dort stünden jahrhundertealte Buchen und Eichen, es kommen streng geschützte Arten vor - wie die Bechsteinfledermaus, der Springfrosch und die Haselmaus. Der Hambacher Forst liegt im Südosten des Braunkohle-Tagebaus Hambach zwischen Aachen und Köln. Schon lange steht er für den Widerstand gegen den Braunkohle-Abbau.
Vor Beginn der Kohleförderung war der Wald 4.100 Hektar groß, inzwischen sind laut dem Unternehmen RWE, dem Besitzer des Waldes, 3.900 Hektar für den Tagebau gerodet. Im Herbst wollte der Energiekonzern mehr als die Hälfte des übrig gebliebenen Waldes fällen, um weiter Kohle abbauen zu können. Doch ein Gerichtsbeschluss stoppte das Vorhaben Anfang Oktober, vorerst.
Gegen die Abholzung gibt es seit langem Proteste. Rodungsgegner besetzten den Forst in Baumhäusern. Viele Tausend Menschen demonstrierten dort für den Kohleausstieg. Die Veranstalter einer großen Demonstration Anfang Oktober sprachen von 50.000 Teilnehmern, die Polizei gab 25.000 bis 30.000 Teilnehmer an.
Wann hatten die Grünen etwas zu sagen?
Die Grünen weisen den Vorwurf zurück, sie hätten der Rodung zugestimmt.
Die Wahrheit liegt dazwischen.
Die Genehmigungen wurden nämlich erteilt, als die Grünen sich noch nicht einmal gegründet hatten. Und als sie dann Teil der Regierung wurden, setzten sie als kleiner Koalitionspartner ihre Position nicht durch.
Der Tagebau Hambach begann 1978, auf Basis von Braunkohleplanungen und Entscheidungen aus dem Jahr 1974. Damals gab es die Partei Bündnis 90/Die Grünen noch nicht. In den 1970ern verkauften Gemeinden den Hambacher Wald an RWE.
Eine Landesregierung hätte somit nur gesetzlich verhindern - nicht aber beschließen - können, dass gerodet wird. Denn der Wald gehörte ja RWE. Genehmigt jedoch waren die Rodungen waren mit den Leitentscheidungen aus den Jahren 1987 und 1991 im Grundsatz schon - noch ohne Regierungsbeteiligung der Grünen.
Die Grünen als Koalitionspartner in NRW
In Nordrhein-Westfalen regierten die Grünen von 2010 und 2017 mit, in einer Koalition mit der SPD unter Hannelore Kraft. Und 2016 verhinderten die Grünen - als Teil der Regierung - dann tatsächlich nicht, dass im Hambacher Forst gerodet wird. Damals verabschiedeten sie gemeinsam mit der SPD die aktuell gültige Leitentscheidung, darin trugen sie die Entscheidung mit, dass der Braunkohlen-Abbau weiterhin erforderlich sei - und damit die Abbaugrenzen in Hambach unverändert blieben.
"Die Zukunft der Energieversorgung im Allgemeinen und der (Braun)Kohleverstromung im Speziellen war während der gesamten Regierungszeit ein Punkt inhaltlicher Auseinandersetzung zwischen SPD und Grünen", schrieb eine Sprecherin der NRW-Grünen dem Bayerischen Rundfunk. Als kleiner Koalitionspartner habe sich die Partei nicht in jedem Punkt durchsetzen können.
Die Sprecherin der NRW-Grünen schrieb weiter:
"Die Behauptung, Rot-Grün habe 2014 bei der Entscheidung zur Verkleinerung oder 2016 bei der Leitentscheidung Entscheidungen zum Hambacher Wald gefällt, ist eine infame Unterstellung der Braunkohlebefürworter. Die Genehmigungen wurden weit vorher getroffen. Dass wir angesichts der politischen Konstellation keine Ansatzpunkte gefunden haben, um die uralten Genehmigungen zu verändern, macht sie aber nicht zu unseren Entscheidungen."
Die Grünen hätten dafür erreicht, dass es keine neuen Tagebaue und eine Verkleinerung eines Tagebaus gab. Das habe mindestens 1.400 Menschen vor der Umsiedlung bewahrt und den Kohleabbau reduziert.
Anfang Oktober forderte NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur, die Landesregierung müsse nun eine neue Leitentscheidung zur Verkleinerung des Braunkohletagebaus vorbereiten.