Der türkische Präsident Erdogan und Bundeskanzler Scholz bei Pressestatements
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Der türkische Präsident Erdogan und Bundeskanzler Scholz bei Pressestatements

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Treffen von Scholz und Erdogan: "Unsere Gespräche sind wichtig"

Ein Staatsbesuch, der auch Schatten wirft: Der türkische Präsident Erdogan ist nach Deutschland gekommen. Ein heikler Termin: Erdogan sympathisiert mit der Hamas, übernimmt aber für die EU in der Migrationsdebatte wichtige Aufgaben.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Erwartungen an den Bundeskanzler waren groß: Wenn er schon den umstrittenen türkischen Präsidenten Erdogan in Berlin empfängt, dann müsse er Klartext sprechen – so die Forderungen aus Politik und Gesellschaft.

Scholz fand klare Worte und betonte bei der gemeinsamen Pressekonferenz erneut das Existenzrecht Israels, das "für uns unumstößlich ist". An Erdogan richtete er die Worte: "Herr Präsident, dass wir zu dem Konflikt sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, ist ja kein Geheimnis."

Zwei-Staaten-Lösung als einzige Gemeinsamkeit

Wenn es um den Krieg im Nahen Osten geht, prallen mit Scholz und Erdogan zwei Sichtweisen aufeinander. Auf der einen Seite Erdogan, der die Hamas in der Vergangenheit als "Befreiungsorganisation" lobte und Israel einen Kriegsverbrecher nannte. Auf der anderen Seite Scholz, der die Sicherheit Israels immer und immer wieder als deutsche Staatsräson betont.

Die Differenzen zwischen beiden wurden nicht nur in den Statements klar, sondern auch im Auftreten der Staatsoberhäupter: Einen Handschlag gab es nicht – Erdogan und Scholz wirkten distanziert, die Stimmung kühl.

Erdogan nutzte die Pressekonferenz, um erneut seine Kritik an dem israelischen Vorgehen im Gazastreifen zu bekräftigen: "Wir sprechen von 13.000 Kindern, Frauen, alte Menschen, die getötet worden sind", alles sei dem Erdboden gleichgemacht worden. Der türkische Präsident forderte bei seinem Besuch einen humanitären Waffenstillstand im Gaza-Krieg. Als gemeinsames Ziel nannten Scholz und Erdogan eine Zwei-Staaten-Lösung.

Schwierige Verhandlungen

Für ihre Gespräche haben sich die beiden hinter verschlossenen Türen zurückgezogen. Themen gibt es dabei zur Genüge: der Nato-Beitritt Schwedens, das europäische Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, der Krieg Russlands auf die Ukraine sowie die Lage im Nahen Osten.

Doch die Gespräche sind nicht unumstritten: Schon vor dem Empfang wurden Stimmen lauter, die den Besuch als falsch empfunden, darunter der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Topkrak. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte vorab: Wer das Existenzrecht Israels aktiv bekämpfe, dürfe kein Partner für die deutsche Politik sein.

Das müsste beim Treffen angesprochen werden, meint der bayerische Bundestagsabgeordnete Thomas Erndl (CSU) im BR24-Interview. Doch die Türkei sei auch ein wichtiger Partner, der als Vermittler fungieren könne: nicht nur, um Geiseln der Hamas freizubekommen, sondern auch im Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Im Video: Erdogan bei Scholz in Berlin

Bundekanzler Scholz begrüßt Präsident Erdogan
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Bundekanzler Scholz begrüßt Präsident Erdogan

Migrationsabkommen soll wiederbelebt werden

Vor knapp zwei Wochen hatte Scholz zudem von den 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer den Auftrag bekommen, das EU-Türkei-Abkommen wiederzubeleben. 2016 hatte die EU mit der Türkei einen Deal vereinbart, der das Land dazu verpflichtet hatte, Geflüchtete wieder aufzunehmen, die irregulär über die türkische Grenze in die EU gelangt sind. Im Gegenzug sind Milliarden von der EU in die Türkei geflossen, um die Versorgung der Geflüchteten sicherzustellen.

Seit 2020 aber nimmt die Türkei keine Migranten mehr zurück, was damals mit der Corona-Pandemie begründet wurde. Scholz bezeichnete das damalige Abkommen heute im Kanzleramt als eine "gute Vereinbarung". Er setze sich für eine Wiederbelebung ein. Deutschland und die Türkei eine das Ziel, irreguläre Migration begrenzen zu wollen.

Scholz: "Gespräche wichtig"

Auf der anderen Seite verfolgt auch der türkische Präsident Interessen, wie er deutlich machte: schnellere Visaerleichterungen und Fortschritte beim EU-Beitritt der Türkei.

Das Treffen zwischen Scholz und Erdogan ist nicht nur von verschiedenen Ansichten und Interessen geprägt, sondern auch von Krisen und Kriegen: "Gerade deshalb sind unsere Gespräche wichtig, gerade in schwierigen Augenblicken brauchen wir das direkte Gespräch untereinander", so Scholz.

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